Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth
Rom, 25. Juni 1510
Wien, HHStA, RK, Maximiliana 22 (alt 15b) 1510 Juni, fol. 79-81a, Orig. Pap. m. S. (lat., teilweise chiffriert mit interlinearer Dechiffrierung).
Hat auf Weisung Ks. Maximilians dessen Meinung dem Papst folgendermaßen dargelegt: Der Ks. ist als Sohn und oberster Vogt der Kirche bereit, gemäß den Wünschen des Papstes zu handeln, wie dieser an seinem Verhalten gesehen hat. Wenn der Papst genauso handelt, wird dies ihnen beiden viele Vorteile bringen. Der Papst weiß, wieviel Ehre und welcher Nutzen der Christenheit aus der Verbindung beider Oberhäupter stets erwachsen sind bzw. in welche Gefahr die Kirche im umgekehrten Fall geraten ist. Gott hat beide Oberhäupter und beide Schwerter so ausgegeben, daß sie aufeinander angewiesen sind, mit dem Auftrag, die ganze Welt zu erhellen und zu regieren. Ks. Maximilian wünscht daher zu wissen, was er vom Papst erwarten kann. Er will sich nicht mehr mit allgemeinen, guten Worten, die ihm bisher wenig Nutzen gebracht haben, zufriedengeben.
Er (Fürst) nannte dem Papst viele Argumente, um ihn zu veranlassen, aufrichtig gemeinsam mit Ks. Maximilian vorzugehen. Der Papst legte daraufhin alle Zurückhaltung ab, sprach sehr freundlich mit ihm und erläuterte ihm seine Absichten. Fast drei Stunden lang sprach er über seine Pläne in bezug auf den Ks. Er las auch einige Schriftstücke vor, die er am Vortag vom frz. Königshof und von einem Höfling, der der vertrauteste Ratgeber Kg. (Ludwigs) von Frankreich sein soll, erhalten hatte. Gibt hiervon aus dem Gedächtnis Folgendes wieder:
Der frz. Kg. hat beschlossen, die Ks. Maximilian zustehenden Städte unter dem Titel des Kaufes oder Pfandes an sich zu bringen. Die früher bestimmten Reichsfürsten gegebenen Provisionen will er erneut gewähren. Außerdem kennt er Räte am Hof des Ks., die er bestechen kann, damit sie dessen Pläne verhindern. Der so geschwächte Ks. wird ohne seine Hilfe nichts erreichen können. Zu fürchten hat der frz. Kg. allerdings Kg. (Heinrich) von England, weil dieser jung, ehrgeizig und reich ist und zudem über Truppen verfügt. Da das englische Volk seiner Natur nach den Franzosen feindlich gesinnt ist, steht zu befürchten, daß der Kg. von England durch Ks. Maximilian aufgestachelt wird, Krieg gegen ihn (den Kg. von Frankreich) zu führen. Außerdem könnte sich der Papst mit dem Ks. und Venedig gegen ihn verbünden, um ihn aus Italien zu vertreiben. Deshalb benötigt er die Hilfe des Reiches. Durch seine Praktiken will er die Reichsfürsten vom Ks. abbringen. Außerdem möchte er eidgenössische Knechte anwerben, um so Eidgenossen und Papst zu trennen. Des weiteren bemüht sich der Kg. von Frankreich um ein Separatbündnis mit dem Papst. Beide konnten sich aber bisher nicht einigen, weil der Papst verlangt, daß der Kg. den Schutz des Hg. von Ferrara aufgibt und mit seinem Heer den Po nicht überschreitet. Der frz. Kg. ist sehr darum bemüht, daß der Papst mit ihm und nicht mit dem Ks. ein Bündnis eingeht. Er argumentiert, er habe die Macht, den Papst nicht nur zu verteidigen, sondern diesen und die Kirche zu erhöhen. Wann immer er wolle, könne er die Reichsstände veranlassen, dem Ks. die Hilfe des Reiches zu verweigern. Schlösse der Papst ein Bündnis mit dem Ks., ginge ihn dieser nur ständig um Geld an, aber sonst geschähe nichts.
Er (Fürst) bat den Papst, solchen Einflüsterungen nicht zu erliegen, hätten doch die Reichsfürsten den Ks. mehr unterstützt als früher. Auf dem Augsburger Reichstag hätten sie beschlossen, diesem 50 000 Fußknechte und Berittene zur Verfügung zu stellen. Sie seien bereit, dem Ks. mit allen Kräften zu dienen und wünschten nichts mehr, als durch ihn ihren Widersacher, den Kg. von Frankreich, zu bekämpfen, der in den vergangenen Jahren nichts eingehalten habe und nur auf seinen Nutzen schaue. Der Papst möge bedenken, daß jener nach Abschluß des Bündnisses danach streben werde, ganz Italien zu unterjochen und den apostolischen Stuhl nach Avignon zu verlegen. Daher solle der Papst mit ihm (Fürst) verhandeln. Es wäre für ihn vorteilhaft, mit Ks. Maximilian ein Sonderbündnis zu schließen.
Der Papst antwortete, er sei dazu bereit und wolle dem Ks. mit allen seinen Kräften helfen, ganz Italien, soweit es diesem von alters her rechtlich gehört, zu erlangen. Anschließend solle der Ks. gemeinsam mit ihm den Türkenzug vorbereiten und durchführen.
Er (Fürst) antwortete, auch ihm sei es sehr recht, daß dem Ks. die Gelegenheit zum Türkenzug geboten werde. Dieser kämpfe nämlich viel lieber gegen die Ungläubigen als gegen Christen.
Da der Papst dem Hg. von Ferrara die Stadt Comacchio streitig macht, wollte er (Fürst) die entsprechenden päpstlichen Rechtsansprüche in Erfahrung bringen, um Ks. Maximilian zu informieren. Der Papst erklärte, diese Stadt sei von Ks. Maximilians Vorgängern zusammen mit Ravenna, Bologna, der Mark Ancona und anderen Städten dem Hl. Stuhl übertragen worden. In der Engelsburg sah er (Fürst) ca. 20 Bullen von Ludwig dem Frommen, den Ottonen, Heinrich III., Heinrich IV., Heinrich V., Heinrich VI., Friedrich II., Rudolf von Habsburg und Friedrich III., aus denen hervorgeht, daß die genannten Lande und Städte dem Hl. Stuhl geschenkt worden sind. Die Bulle Kg. Rudolfs besagt, dieser habe zunächst seinen Kanzler nach Italien geschickt, um den Treueeid der dortigen Städte entgegenzunehmen. Den damals von einigen dem Hl. Stuhl gehörenden Städten geleisteten Eid habe er später kassiert, weil er der Kirche nicht die ihr übertragenen Städte wegnehmen wolle. Er (Fürst) fand die Bullen unversehrt und darin keinen Hinweis auf ein Recht des Hg. von Ferrara. Sollte Ks. Maximilian den Hg. gegen die päpstlichen Rechtstitel unterstützen, würde er dadurch seine Pläne mit dem Papst zunichtemachen und es wäre zu befürchten, daß der Papst sich mit jenen verbündet, die Ks. Maximilians Erhöhung (zum Ks.) beargwöhnen.