Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

München HStA, KBÄA 4248, fol. 1r–6v (Kop.); DV fol. 6v: 1541. In der religionsach bedenckhen.

Druck: Ganzer/Zur Mühlen, Akten, Bd. 3,2, Nr. 184, S. 508–511; Pastor, Reunionsbestrebungen, S. 490–494.

In der religionsach bedenckhen.

Das puech, so in colloquio furgelegt und hernach abgeschriben worden ist, khan mitsambt denselben gehalten underreden und gegenwurfen nicht bewilligt noch angenomen werden, dann, so das vleyssig besicht wirdet, befindet sich, das weitschwayf, mit vil uberigen, zweyfeligen und zum tail vertunckhlten worten gestellt, in welchen nicht allain der alten vätter gebrauch und ordnung der heylign schrift umbgangen, sonder auch derselben auslegung den protestierenden zuguet gezogn und verstanden werden möchte. Und das noch mer ist, etlich artickl desselben puechs vermög götlicher schrift und unserer haylign khirchen ordnung als irrig, verwurflich und zum tail khetzerisch ze achten.

So wirdet der darzue verordetten [sic!] colocutorn maynung dabey wenig angezaigt, dann allain, was die protestirenden mit sondern schriftn getan. Aus welchen auch clerlich verstanden wirdet, das sy sich deß ambts der heylign meß, der sacrament, der khirchen gwalt und mer furnemlicher artickl halben mit uns nicht vergleichen, auch das puech (welches doch, wie vorgemelt, nicht zuelessig) nit annemen noch bewilligen welln, ungeachtet, das der restitution halben darin gar nichts begriffen noch ainiche meldung beschicht. Was beschwerden, irrtung und verwerflicher artickl im puech und der protestirenden schriften gefunden, wären durch gelert, geschickht und erfarn theologen in ainer sondern confutationschrift verzaichnet, die mecht man, so man weyter davon reden und ratschlagen wollt, fur di handt nemen.

Dieweil nun die vergleichung uber der ksl. Mt. verhoffen, gnedigisten vleis und bemueung kayn stat noch ainichen furgang haben wil, auch nicht zu verhoffen, das sich die protestirenden hinfuro on rechten ernst und ain gemain concilli von irem irrign vorhaben weysen lassen, und aber gegen Gott und der welt gar nicht verantwortlich, inen in irm vorhaben nachzufolgen und von der gemainschaft der christenhait, wie das von zeit der heylign apostl und in den christenlichen concillien nicht allain von den Teutschen, sonder allen nationen verglichen und beschlossen worden, in dem wenigisten ze weichen und ausserhalb der andern nation sunderung zu machen, auch der protestirenden anhang sich zum maysten darumb erweyttert, das sy, dieweil sy kayn ernstlichen widerstandt sehen, obeinander halten, veraintlich handln, mit ir pundtnuß troen und di leut vergweltigen, darzue den vergweltigten und entsetzten kains rechtens mit [sic!] sein und, ob gegen ir ainem procediert wirdet, understeen sy sich di[sen] auch wider ksl. Mt. und derselben chamergericht mit gwalt zu beschutzen, ist aus der not zu gedenckhen, wie man dem furkhomben, hinfuro bey unser christenlichen religion, ordnung und ceremonien unbetrangt beleyben und ain gleichs recht im reich (on welches kain bestendiger frid sein mag) gehaben mög.

Dann, wo das nicht beschicht, ist gewislich zu besorgn, nachdem die ksl. Mt. selten im reich teutscher nation sein mag, auch die teytschen hendl zu zeyten mit solcher ordnung als wol vonnoten nicht gefurdert und ir ksl. und die kgl. Mt. mit vil andern und schwern, dringenden sachen beladen, es wurde alle unordnung und aigentlich daraus erfolgn, das weder frid, recht noch vertrauen bey den fursten und steendn deß reichs, furnemlich denen, so bey der alten religion beliben sein, alles recht vertrauen und guete verstentnuß zwuschen inen abnemen und der abfal zu den protestirenden gemerdt, wurde auch zulest zu entlichem verderben und vertruckhung der geistlichen und weltlichen fursten und obrigkaiten gedeyhen, wie das aus vil vergangn geschichten und furnemlich dem gemachten fridstandt zu Nurenberg, der franckhfordtischen handlung und daraus abzunemen, das die protestierendn irer handlungen und vergweltigung halben nicht allain am camergericht, sonder auch vor ksl. Mt. selbs weder rechtlich noch ander geburlich handlung leyden, auch on glait und sondere furwort zu kainem tag und handlung, dann was under inen selbs beschicht, sich begebn und, wie vor alter herkhomen, einlassen wellen.

Und ob gleichwol gedacht werden mocht, dieweil wir, der alten religion verwantn, bey unser religion und ordnungn beleyben und die andern von irem vorhaben nicht weychen wellen, es mechte bey disen beschwerlichen und geferlichen zeiten von ainem anstandt zu handln sein, ist dagegn zu bedenckhen, das nach gestalt und gelegenhait der ytzt schwebenden und vorsteenden leuf menschlichen gedenckhen nach schier unmöglich zu achten, das on ergerlichen abpruch unser religion und ordenlichn wesens im reych ainicher bestendiger fridstandt khunn noch mög gefundn werden, dann, dieweil die protestirenden irer zuegriff und gewaltthaten halben, auch sonst kain ordenlich recht leiden und wellen darzue nicht absteen, iren anhang zu erweyttern, mit dem lauttern anzaigen, sy seien schuldig, das reich Gottes zu meren etc., ist guet abzunemen, das kain sicher anstandt zu machen ist. Und ob man gleich ainen fundt oder bewilligt, durch was weg solches beschee, mecht man sich darauf gar nichts verlassen und wurde der mer zu gresser zwitracht, unainigkait und verderblichem schaden dann furtreglicher sicherhait dinstlich sein. Welches umbso vil mer und gewislich zu vermuetten, das aus dem nurnbergischen fridstandt nichts guets, aber vil args und abfal erfolgt, die protestirenden, ungeachtet desselben, vil ansechlicher steende an sich gezogen und zum tail vergwaltigt, auch denselben fridstandt ires gevallens auslegn und dem camergericht kain gehorsam thun welln. Also ist es auch in und nach der handlung zu Franckhfurt bescheen mit weylendt Hg. Georgn zu Sachsen furstenthumb und beden Bff. Merseburg und Meyssenn.

Nachdem sy auch gesehen, das gegn dem allen nichts gehandlt und inen kain widerstandt bescheen, haben sy sich noch merers understanden und gar die ächter zu beschitzen angenomen, darin inen auch von wegen ksl. Mt. kain widerstandt bescheen, aber deß camergerichts ergangn urtl und acht eingestellt worden. Dieweil die ergangn geschicht das und noch merers clarlich anzaign und der nurnbergisch fridstandt nicht wenig ursach geben, das der augspurgisch abschid nit pas vor augen gehaltn, auch die protestirenden iren vortail dardurch gesuecht, ist diser zeit, wann abermals ain anstandt gemacht und vom augspurgischen abschid geschritten werden soll, noch ergerß gewislich zu besorgn. Dann wie man den durch und mit ksl. und kgl. Mt. handlung beschluß, wurde von irn Mtt. und den steenden gleich so wenig handhabung als hievor beschehen, der augspurgisch abschid dardurch geschwecht und alle unordnung hernachvolgn. Daraus leichtlich zu beschliessen, das, unerledigt der religionsachen, kain anstandt annemlich, furtreglich noch sicher sein khan.

Und dieweil zu Augspurg in gegenwurtigkait der ksl. Mt., auch vil Kff., Ff. und steende die religionsach mit treffenlichem rat bewegn und gantz wolbedechtlich ain gemaine und ernstliche verpflichtung aufgericht worden ist, bey unser alten religion zu beleyben und mit allem vermögn darob zu halten, wie der damals gemacht abschid mit lauttern und clarn artickln mitbringt, ist kain ander eerlicher, pösser noch nutzer weg, dann bey demselben abschid, wie der gestellt ist, on ainichen umbstandt, abpruch und verklainung desselben zu beleyben und davon nicht zu weichen in kainen weg noch weiß, wie die furgenomen und gesuecht werden mechten. Sych wil auch (solt anderst menschlicher glauben und trauen etwas sein), dawider ze handln, kainswegs geburn, in bedenckhung, das der Got zu lob und erhaltung unser christenlichen religion furgenomen und die ksl. Mt., auch Kff., Ff. und steende sich gegenwurtigklich mit höchstem glauben darzue verpflicht, verpunden und verschribn, das auch derselb auf dem nechst alhie gehaltnem reichstag und jungst zu Hagenaw wider becreftigt, darzue in aller zu Wurmbs und ytzt alhie gepflegnen handlung vorbehalten worden ist. Darumb khan weder die ksl. Mt. noch ander, die darein bewilligt, sich mit eern noch ainichem fueg daraus ziehen, und ist vil gewisser, darob zu halten, dann ayn neuen aufzurichten.

Und ist demnach die ksl. Mt. desselben und der obangezaigten ursachen mit pöstem vleis zu erinnern und underthenigclichen zu biten, das ir Mt. mit ernstlichem vleis und allem vermogn, wie sich ir Mt. damals erboten, darob halten und handthaben welle, wie das ir ksl. Mt. als haubt der christenhait neben vorbeschehner verpflichtung irm bevolhen ambt nach zuestett und geburdt, mit underthenigm erpieten, das die Kff., Ff. und steende neben ir ksl. und der kgl. Mt. sich mit allem irm vermögn hierin auch gehorsamlich wellen beweysen. Wann nun die ksl. Mt. solches bewilligt und zuesagt, mecht zu posser [= besserer] volziehung deß angeregten abschidts umb erweytterung der christenlichen pundtnuß gehandlt und deshalb guet weg und mitl angezaigt werden. Wurde aber ir Mt. darin ainich bedenckhen haben (das nit zu verhoffen), so wurde die unvermeidenlich notturft erfordern (sollte anderst die religion und christenlich, erber, guet wesen im reich erhalten werden), mit mererm ernst die ksl. und kgl. Mt. zu erinnern und anzuhalten, nemlich der obangezaigten verpflichtung, auch, weß er sich in eingang seiner regirung verschriben, zu ermanen und, das die gehorsamen steende yederzeit willig wärn gewesen und noch, neben ir ksl. und kgl. Mt. ob dem augspurgischen abschid zu halten und demselben zu gelebn. Ir Mt. hetten aber ausser ir, der stend, fridstandt und ander handlung furgenomen, den protestierenden etwo zugesehen und nachgehengt, daraus vil abfals, nachtail und unordnung erfolgt. Ob auch die vergweltigten etwo bey ir Mt. umb gnedig fursehung und hylf hetten angehalten, wäre denselben wenig furtreglicher expedicion erfolgt und etlichen das recht am chamergericht gespörret worden, daraus die protestierenden gestärckht und die unsern zum tail klainmuetiger worden und vil unordnung im reich dardurch endstanden, deshalb man nicht umbgeen mechte, ir ksl. Mt. underthenigklich zu bitten und zu erinnern, die gehorsamen dermassen nicht zu verlassen, sonder, wie vorgemelt, ob inen und der religion zu halten und zu sölchem abfall und unordnung, die aus nit-halten deß augspurgischen abschidts erfolgten, kayn merer ursach geben, sonder sich gnedigist darin beweysen.

Wurden aber ir Mt. auf der andern maynung verharrn, so wollten sy mit Gott bezeugn, das sy, die gehorsamen Kff., Ff. und steende, darzue kain ursach gegeben und wollten nichts mynder weg suechen, wie sy mit hylf ander christenlicher heubter bey irm christenlichem glauben, ordnungn, ceremonien und altem herkhomben beleiben und erhalten werden mögen. Wann ain sollicher ernst gebraucht, wurde on zweifl ksl. Mt. sich aines andern und pössern bedenckhen und, wiewol das ernstlich gnueg, so khan es doch in diser dringenden und lesten not nicht wol umbgangn werden. Dann solt man sich vom augspurgischem abschid fuern lassen und in ainen anstandt bewillign, ist es aus obangezaigten ursachen nichts anders dann ain gwiß verderben, dieweil man waiß, das bey ksl. Mt. kain volziehen noch handhaben und den protestirenden in gemainen handlungen weder glauben noch halten ist. Man mechte aber bey bebstlicher Hlt. und dem Kg. von Franckhreich alspald guet partite finden und, wann die protestierenden befunden, das die catholici ernstlich obeinander halten, wurden sy weder kayser noch khonig trauen mögn und leichtlich mit inen weg zu finden sein, das man ein vil leidenlicheren friden und anstandt machte, darauf man sich mer getresten und verlassen mechte, dann wie der kayser vorhett, und wurde also der kayser an beden orten fälen und zulest die religionsach zu erörterung deß concili gebracht werden2.

Anmerkungen

1
 Der paläographische Befund zu B könnte die Annahme stützen, dass Johann Weißenfelder, Rat Hg. Ludwigs von Bayern, das Gutachten abgefasst hat. Vgl. Pfeilschifter, Acta reformationis catholicae, Bd. III, S. 380 Anm. 493, S. 380–381. Die ungefähre Datierung ergibt sich aus der Anspielung auf die Abschrift des Regensburger Buches, die erst nach dessen Vorlage am 8. Juni erfolgen konnte.
2
 Eingelegter Zettel fol. 3ar: Als auch auf dem reichstag, zu Speyer 1526 gehalten, under anderm im abschid gestellt worden, das ain yeder glauben sol, wie er das gegn Got und der ksl. Mt. getraute zu verantworten, ist auf dem negst darnach volgenden reichstag daselbs solichs wider retractiert.