Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Wien HHStA, Staatenabt. Ungarn 45, Konv. Mai/Juni 1541, fol. 56r–57v (Ausf.).

Gestern Abend haben sie dem Kaiser wieder ihr Anliegen vorgetragen. Sie konnten aber nichts erreichen. Sie wissen auch noch nicht, wann die öffentliche Audienz vor den Reichsständen stattfinden wird. Sie haben in aller Demut suppliziert und mit voraufgehender Entschuldigung gesprochen, damit der Kaiser ihre Aufdringlichkeit nicht übelnehme. Aber der Kaiser hörte ihren Vortrag nicht wohlwollend an, sondern antwortete schroff genug. Unter anderem sagte er, Ungarn sei nicht in so großer Gefahr, wie sie vorgäben. Er warf ihnen vor, dass sie die Reichsfürsten inoffiziell um Hilfe gebeten hätten, aber nichts hätten erreichen können 1. Auf den ersten Punkt antworteten sie nicht, weil sie mit dem Kaiser nicht streiten wollten. Denn sie können sich nicht erinnern, dass das Königreich Ungarn jemals in größerer Gefahr stand als jetzt. Sie wissen nicht, wer dem Kaiser eingeredet hat, Ungarn stehe nicht in äußerster Gefahr. Zu dem zweiten Punkt erklärten sie, dass sie niemanden um irgendetwas gebeten, sondern jeden Fürsten nur ersucht hätten, sie, wenn sie ihr Anliegen vor dem Plenum des Reichstages vortragen, beim Kaiser und bei den anderen Ständen zu unterstützen.

Der Kaiser hat ihnen noch mehr Dinge gesagt, die eher zur Verzweiflung als zur Hoffnung Anlass geben. Denn unter anderem sagte der Kaiser, er habe noch andere Reiche, um die er sich kümmern müsse, und er könne es nicht allen recht machen. Sie ließen sich nichts anmerken und nahmen dies stillschweigend hin, denn es waren bei der Audienz sehr viele anwesend. Es gibt keinen sichereren Weg, die treuen Untertanen Ferdinands in die Verzweiflung zu treiben und die Feinde zu ermutigen, als wenn bekannt wird, wie man sie, die Gesandten, hier behandelt. 50 Tage sind sie schon hier und wurden noch nicht gehört. Teilen dies alles mit, damit sich Ferdinand darauf einstellen und die Interessen seiner Königreiche wahren kann, auch damit er sieht, dass sie nichts versäumt haben, und damit künftig nichts vernachlässigt werde. Es ist bereits so weit gekommen, dass sie nicht wissen, was zu tun ist. Denn sie wagen nicht, erneut beim Kaiser vorstellig zu werden. Bitten deshalb, ihnen mitzuteilen, was sie tun sollen 2. In der Zeit, die sie hier verbringen, und mit dem Geld, das sie hier vergeblich verbrauchen, könnten sie Ferdinand in Ungarn und in seinen anderen Reichen gute Dienste leisten. Jeder von ihnen hat bereits das verbraucht, was ihm für diese Gesandtschaft zur Verfügung gestellt wurde. Alle Dinge sind so teuer, dass sie auf das Ende der Tage warten, für die ihnen Spesen gewährt wurden. Einige von ihnen werden, selbst wenn sie wollten, aus Geldmangel nicht länger hier bleiben können. Erwarten von Ferdinand rasche und gnädige Antwort. Ratisponae, 2. Juni 1541.

Anmerkungen

1
 Zu Ferdinands Bemühungen bei einigen Fürsten um Partikularhilfe vgl. Kg. Ferdinand an Kf. Joachim von Brandenburg, mut. mut. an Ebf. v. Salzburg und die Hgg. von Bayern, Wien, 1541 Juni 2, Bozen StA, Brixner Hochstiftsakten, Cassa 133, Nr. 1, Lit. K, S. 65–69 und 72 (Kop.); AV S. 69: In simili mutatis mutandis an Ebf. zu Saltzburg und die Ff. von Baiern, doch mit der veranderung des eingangs und begerens nach laut irer fstl. Gn. gethanen antwort und erbietten, doch daß dieselben ir hilfn aufs sterckhist und am maisten an gerusten pferdten ertzaigen und laistn wollen: Entnimmt dem Schreiben seiner Kommissare Bf. Christoph von Brixen, Frh. Wilhelm Truchsess von Waldburg, und Hans Ungnad Frh. zu Sonneck, dass der Kurfürst auf ihre Werbung angeboten hat, 200 gerüstete Pferde für vier Monate oder zwei Fähnlein Landsknechte für drei Monate zu stellen, unter der Bedingung, dass dieser Beitrag von der nächsten Reichshilfe gegen den Türken abgezogen wird. Nimmt diese Offerte an. Verweist auf den Anmarsch starker türkischer Truppenverbände zur Offensive gegen Ofen zusammen mit den bereits in Ungarn liegenden türkischen Truppen. Er beabsichtigt deshalb, alle Truppenkontingente zur Verstärkung nach Ungarn zu schicken, und bittet Kf. Joachim, die angebotenen 200 Reiter unverzüglich nach Preßburg zu senden, wo die Hilfstruppen bis zum 24. dieses Monats eintreffen und weiteren Bescheid erhalten sollen. Soll auf jeden Fall die Reiter möglichst bald schicken, damit sie Ferdinand einsetzen kann, um nicht nur sein Land und seine Leute, die am ärgsten betroffen sind, sondern die ganze Christenheit vor der türkischen Bedrohung zu schützen. Zur Vermeidung unnötiger Unkosten für Kf. Joachim wird er die Truppen, sobald sie entbehrlich sind, umgehend zurückschicken. Datum Wien, den andern tag Junij anno etc. 41.
2
 Vgl. Kg. Ferdinand an die ungarischen Gesandten in Regensburg, Frankopan, Batthyány und Nádasdy, Wien, 1541 Juni 8, Wien HHStA, Staatenabt. Ungarn 45, Konv. Mai/Juni 1541, fol. 58r–59r (Reinkonz.): Hat aus ihrem Schreiben vom 2. Juni erfahren, dass ihnen der Kaiser schroffer, als sie erwarteten, geantwortet und ihr Vorbringen verärgert aufgenommen hat, so dass sie nicht wissen, was sie tun sollen. Wenn auch der Kaiser sich so geäußert hat, so kann er nicht glauben, dass ihn die Anwesenheit ihrer Personen ärgerte, sondern, was er sagte, sagte er eher wegen der Aufregungen und Belastungen, die ihm so viele und so wichtige Geschäfte verursachen. Ist überzeugt, dass der Kaiser nichts unterlassen wird, um die alte, vornehme Vormauer der Christenheit gegen den türkischen Tyrannen zum allgemeinen Wohl der christlichen Welt zu schützen und zu verteidigen. Deshalb gibt es keinen Grund, die Hoffnung aufzugeben. Damit aber alle Angelegenheiten besser betrieben werden können, hat er beschlossen, von morgen an in acht Tagen hier aufzubrechen und auf der Post nach Regensburg zu reisen, so dass er am 21. Juni dort eintreffen kann. Wird sich dann mit ihnen zusammen alle Mühe geben, damit alle Ungarn betreffenden Angelegenheiten, wie es notwendig ist, behandelt und geregelt werden. Ist zuversichtlich, dass sich alles rasch und zufriedenstellend erledigen lässt. Bittet sie, in der Zwischenzeit nicht aufzuhören, die Interessen Ungarns, soweit dies mit Bescheidenheit und auf zweckmäßige Weise möglich ist, wahrzunehmen und zu fördern. In seinem letzten Brief hat er ihnen über einen Sturmangriff seiner Truppen auf Buda berichtet, aber dieses Unternehmen ist nicht nach Wunsch verlaufen. Bei diesem Angriff sind einige hundert Soldaten durch künstliches Feuer, herabgeschleuderte Steine und Kugeln verletzt worden und nicht mehr als 300 umgekommen. Die Blockade Budas wird trotzdem fortgesetzt, und seine Leute suchen nach anderen Wegen, um die Stadt entweder durch Übergabe oder durch Gewalt wieder in seine Hand zu bringen, bevor die Türken zu Hilfe kommen können. Datum in civitate nostra Vienna, die 8 mensis Junij 1541. – Vgl. auch Karl V. an Kg. Ferdinand, Regensburg, 1541 Juni 15, Wien HHStA, Hs. blau 595, fol. 198v: Ensuyvant ce que dernièrement vous ay escript du temps de mon partement j’ay advisé de faire retourner les gentilzhommes de ma maison, qui sont alléz à Bude, afin qu’ilz s’apprestent pour me suyvir et sur ce leur escrips une lettre, que va avec ceste, afin qu’ilz fondent leur retour selon que vous semblera pour le mieulx et comme leur pourrez faire dire par le sieur de Roghendolff [sic!], auquel je les remectz par mesdites lettres, et ne fais doubte, qu’ilz sont de si bon cueur, qu’ilz demoureroient volentiers là jusques au boult de l’affaire, mais pour aultant que si petit nombre ny fera faulte au plaisir de Dieu et qu’ilz ne me pourroient venir retrouver si tost et encoires leur seroit difficille et avec grant coustange, m’a semblé le mieulx, qu’ilz s’en retournent, et sera bien, que faictes tenir lesdites lettres audit sieur de Roghendolff et l’advertissez de ce que vous semblera le plustost que faire se pourra. A tant, monsieur, mon bon frère, etc. De Reghensbourg, le 15. de Jung [sic!] 1541.