Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Im Gegensatz zur ständeübergreifenden Kommunikation der CA-Stände52 beschränkten sich die Vorbereitungen auf katholischer Seite fast ausschließlich auf eigene Maßnahmen der einzelnen Kurfürsten und Fürsten. Nachdem die Initiative des Königs zu Jahresbeginn 1556 für eine Theologenkonferenz nicht weiter verfolgt wurde53, sind keine Nachweise anderweitiger Gespräche oder Korrespondenzen katholischer Stände überliefert, die eine kooperative Reichstagsvorbereitung belegten. Dies schien sich selbst noch in Regensburg fortzusetzen, wo die Verzögerungen nach der Eröffnung am 13. 7. 1556 weiterhin die Möglichkeit für Absprachen geboten hätten, die aber wohl unterblieben, sieht man von einer Vorsprache der Salzburger Delegierten bei den bayerischen Gesandten am 2. 9. ab, bei der sie die vertrauliche Übereinkunft zu den Hauptartikeln der Proposition anboten54.

Jedenfalls beklagte Zasius noch am 4. 9. 155655 im Kontrast zu den Aktivitäten der CA-Stände das mangelnde Engagement insbesondere der geistlichen Stände, die sich selbst von den Mahnungen des Königs nicht zu einer ständeübergreifenden Vorbereitung hätten bewegen lassen: Anders als die CA-Stände hätten die geistlichen Fürsten über die Reichstagsthematik „nitt also, wie es die notturfft ervorderte, nachgedacht, vil weniger zusammen komen und vertreulichen mitt ainander darauß geredt. [...] Darum waisst auch kainer, wess mainung der ander sein würdeth, und sonderlich die gaistlichen im fursten rath wüssten der 3 churfursten ires stands im churfursten rath gelegenhaitt mitt dem wenigsten.“ In ähnlicher Form bemängelte wenig später der apostolische Nuntius in Wien, Zaccaria Delfino, „la tiepideza de quasi tutti li nostri prelati“ beim Reichstag, die erst das Junktim von religionspolitischen Forderungen mit der Türkenhilfe durch die CA-Stände ermögliche56. Ein Beweggrund für das geringe Engagement war wohl die zumindest für die geistlichen Kurfürsten dokumentierte negative Haltung gegenüber dem Reichstag, wie sie bei den ersten Werbungen des Königs zu Jahresbeginn 1556 zum Ausdruck gebracht wurde. Die Erzbischöfe von Mainz und Köln bedauerten die weitreichenden Zugeständnisse im Religionsfrieden und befürchteten neuerliche religionspolitische Forderungen der CA-Stände beim künftigen Reichstag, dem sie deshalb sehr reserviert gegenüberstanden57.

Die interne Kurmainzer Reichstagsvorbereitung ist anhand der Domkapitelsprotokolle58 in Ansätzen nachzuvollziehen. Thematisch beschränkte sich die Mitsprache des Domkapitels auf die Billigung der Instruktion am 20. 2. 1556, ansonsten ging es vorrangig um die personelle Beschickung des Reichstags mit Gesandten und Theologen sowie um die Abwägung der persönlichen Teilnahme Kurfürst Daniels, die das Domkapitel in erster Linie wegen des Regalienempfangs befürwortete. Auch für die Vorbereitung zunächst Bischof Weigands, sodann nach dessen Ableben Bischof Georgs von Bamberg sind nur organisatorische Belange wie die Benennung und Abordnung der Gesandten sowie die Debatte um die eigene Anreise überliefert59. Ebenso beschäftigten sich im Hochstift Würzburg seit Februar 1556 die bischöflichen Räte60 und das Domkapitel61 mit der Auswahl der Gesandten. Thematisch wurde der Reichstag mit dem Gutachten der geistlichen Räte zum 1. HA (Religionsvergleich) und 3. HA (Landfrieden) vorbereitet62. Die Verständigung Bischof Melchiors mit Georg von Bamberg63 beschränkte sich nach Aussage der Akten auf die Planung ihrer persönlichen Anreise nach Regensburg, die primär nicht wegen des Reichstags, sondern wegen der Verhandlungen des Vergleichstags im Markgrafenkrieg erfolgte. Besser dokumentiert ist die thematische Vorbereitung des Deutschen Ordens, die auf einem Generalkapitel in Heilbronn vom 6.–8. 10. 1556 stattfand. Dessen Programm64 beinhaltete alle Hauptartikel der Proposition sowie spezielle Interessen des Ordens wie die Einbringung der Türkenhilfe von exterritorialen Gütern und die Livlandfrage. Die in Heilbronn beschlossenen Vorgaben65 gingen teils wörtlich in die Reichstagsinstruktion ein66.

Abschließend sei auf die Position der römischen Kurie zum Reichstag 1556/57 verwiesen. Da die Wiener Nuntiatur seit September 1555 nicht mehr besetzt war67, die Einbeziehung der Kurie in die Religionsverhandlungen des Reichstags aber unabdingbar schien, wandte sich Ferdinand I. im Zuge seiner thematischen Vorbereitung um den Jahreswechsel 1555/56 auch an den Papst. Er rechtfertigte die Unumgänglichkeit des Religionsfriedens, wollte man nicht den Untergang des Reichs riskieren, informierte Paul IV. über die geplanten Religionsverhandlungen auf dem kommenden Reichstag und bat ihn um die Zuordnung eines Legaten, damit dieser ihn, den König, „sanctitatis vestrae causa assistat et ubicunque opus fuerit, authoritatem suam interponat“68. In Rom hatte man allerdings schon kurz zuvor die erneute Abordnung von Zaccaria Delfino als Nuntius nach Wien beschlossen69. Die in diesem Zusammenhang ausgestellten Breven Pauls IV. vom 18. 12. 1555 wandten sich scharf gegen den Religionsfrieden, ohne aber offiziell dagegen zu protestieren, und mahnten an, darauf zu achten, dass der Reichstag keine „nova monstra“ hervorbringe70. Auch die Instruktion für Delfino71, welche die Rechtsgültigkeit des Religionsfriedens ebenfalls nicht bezweifelte, wohl aber seine Wirkungen abzuschwächen versuchte72, gab den süddeutschen Bischöfen, Herzog Albrecht von Bayern und dem König vor, beim Reichstag weitere Zugeständnisse zu Ungunsten der katholischen Religion entschieden zu bekämpfen.

Delfino kam im Februar 1556 nach Deutschland und hielt sich seit 22. 3. bei König Ferdinand in Wien auf73, das er bereits Anfang Oktober, also noch vor der Anreise des Königs nach Regensburg, wieder verließ. Er nahm mithin gegen die Intention der Kurie nicht am Reichstag teil, obwohl auch Kardinal Otto von Augsburg seine Mitwirkung dringend erbat74. Folgt man dem Bericht Delfinos, riet König Ferdinand ihm von der Teilnahme am Reichstag ab, wohl wegen der Befürchtung, seine Anwesenheit könnte die CA-Stände provozieren und das Verhandlungsklima verschlechtern75. Jedenfalls reiste Delfino im Einverständnis mit dem König, aber ohne Wissen der Kurie am 7. 10. 1556 aus Wien nach Rom ab76. Da die Wiener Nuntiatur anschließend über ein Jahr unbesetzt blieb und der Papst trotz des Drängens deutscher Bischöfe, namentlich Kardinal Ottos von Augsburg77, keinen Legaten schickte, war die Kurie in Regensburg nicht vertreten. Das Engagement Pauls IV. beschränkte sich auf die Übermittlung von Breven an Ferdinand I. und an katholische Fürsten im Dezember 1556, um sie zum erhöhten Einsatz gegen die ‚Häretiker‘ und für die Verteidigung des katholischen Glaubens zu ermahnen78.

Noch vor den Breven wurde an der Kurie im November 1556 ein Gutachten formuliert79, das Paul IV. die neuerliche Entsendung eines Nuntius mit der Zuordnung von Theologen für die Mitwirkung am Reichstag und die Einwirkung auf dessen katholische Teilnehmer durch Breven dringend anriet. Als Weg zum Religionsvergleich ließ es nur das Generalkonzil zu. Ansonsten empfahl es, kritische Aufmerksamkeit auf die Herzöge von Bayern und Jülich zu legen, die auf vergangenen Reichstagen zusammen mit König Ferdinand eher als Vermittler denn als Verteidiger des katholischen Glaubens gewirkt hätten. Papst Paul IV. übernahm aus dem Gutachten lediglich die in abgeschwächter Form ausgestellten Breven, während die empfohlene Nuntiatur oder die Abordnung eines Reichstagslegaten unterblieben.

Anmerkungen

52
 Vgl. Kap. 3.3.
53
 Vgl. Kap. 3.1.1.
54
 Bericht der bayerischen Gesandten an Hg. Albrecht vom 3. 9. 1556: HStA München, KÄA 3177, fol. 475–479’, hier 477–478. Or. ; präs. Ingolstadt, 5. 9. Die bayerischen Gesandten nahmen das Angebot an. Weitere Gespräche sind nicht dokumentiert.
55
 Schreiben an Hg. Albrecht von Bayern (Regensburg, 4. 9. 1556): HStA München, KÄA 4296, fol. 263–270’, hier 266 f., Zitat 266’. Or.; präs. Ingoldstadt, 6. 9. Auszüge: Bundschuh, Religionsgespräch, 137 f.; Meusser, Kaiser, 164 mit Anm. 456. Vgl. Ritter I, 135.
56
 An Papst Paul IV. (Wien, 21. 9. 1556): Goetz, NB I/17, Nr. 145 S. 303–306, hier 304. Vgl. Pastor VI, 570.
57
 Berichte J. U. Zasius an Ferdinand I. über ein Gespräch mit Kf. Daniel von Mainz am 16. 1. 1556 (Frankfurt, 18. 1. 1556: Vgl. Anm.31 bei Kap. 2.2) und mit der Antwort Kf. Adolfs von Köln zur RT-Werbung (Köln, 27./28. 1. 1556: Wie oben, Anm. 15, hier fol. 140 f.). Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 84 f. mit Anm. 32; Laubach, Ferdinand I., 144; Meusser, Kaiser, 277.
58
 StA Würzburg, MDKP 11, fol. 10’ f. (Sitzungen am 17./20. 2. 1556), 79’–80’ (4. 12.), 82 f. (11./14. 12.), 90–92’ (5. 1.–12. 1. 1557), 103 (25. 2. 1557).
59
 Rezessbücher des Domkapitels: StA Bamberg, Rep. B 86 Nr. 7, fol. 135 (Sitzung am 24. 2. 1556), 160 (1. 6.), 188, 189 (23./28. 11. 1556).
60
 Protokolle der Sitzungen: StA Würzburg, WRTA 36, fol. 3–9 (erste Sitzung o. D., sodann 20./21. 2. 1556).
61
 StA Würzburg, WDKP 13, fol. 87’ (Sitzung am 11. 2. 1556), 101 (12. 9. 1556).
62
 Nr. 455.
63
 Korrespondenz beider Bff. vom 19. 11.–3. 12. 1556: StA Würzburg, WRTA 39, fol. 409–415’.
64
 StA Marburg, Best. 106a/2 Nr. 40, unfol. Kop. als Beilage zum Ausschreiben durch Deutschmeister Wolfgang Schutzbar (Mergentheim, 16. 9. 1556), mit dem das Generalkapitel wegen Seuchengefahr von Rothenburg/Tauber nach Heilbronn verlegt wurde, hier an Johann von Rehen, Landkomtur der Ballei Hessen: Ebd., unfol. Or.
65
 Abschied des Generalkapitels: StA Ludwigsburg, B 323 Bü. 44, unfol. Spätere Kop. Vgl. knapp: Weiss, Orden, 344.
66
 Vgl. deren Auswertung in Kap. 3.4.
67
 Erste Nuntiatur des Zaccaria Delfino von Februar 1554 bis 14. 8. 1555 (vgl. Goetz, NB I/17, IX-XV).
68
 Wien, 30. 12. 1555: HHStA Wien, RK RTA 36, fol. 74–75’. Kop. Vgl. Lutz, Christianitas, 442 mit Anm. 129; Laubach, Ferdinand I., 145. Später bat Ferdinand I. Kardinal Giovanni Morone nochmals darum, beim Papst die Abordnung von Theologen oder Legaten nach Regensburg zu befördern. Morone verwies in der Antwort auf die negativen Konsequenzen bisheriger Religionsverhandlungen im Reich für den katholischen Glauben, wollte aber auf den Papst einwirken (Antwort an Ferdinand I.; Rom, 26. 4. 1556: HHStA Wien, Rom Hofkorrespondenz 3 Fasz. 1, K 24, fol. 1–2’. Or.).
69
 Beauftragung Delfinos durch Papst Paul IV. am 18. 12. 1555: Goetz, NB I/17, Nr. 93 S. 192.
70
 Druck der Breven an Kg. Ferdinand I. und Bf. Wolfgang von Passau (18. 12. 1555): Raynaldus, Annales XXXIII, 1555, Nr. 51 S. 534; Nr. 53 S. 535. Vgl. Lutz, Christianitas, 443, Anm. 130; Goetz, NB I/17, XLII; Laubach, Ferdinand I., 145, Anm. 27.
71
 Ohne Datierung; Rom, Anfang Januar 1556: Goetz, NB I/17, Nr. 95 S. 194–202 (ältere Edition: Pieper, Legaten, 198–205). Vgl. zum Inhalt: Pastor VI, 568 f.; Lutz, Christianitas, 443 f.
72
 Vgl. Repgen, Kurie I/1, 83, Anm. 115.
73
 Vgl. Goetz, NB I/17, XLIV f.; zur Nuntiatur 1556 auch Pieper, Legaten, 110–114; Pastor VI, 568–570.
74
 Kardinal Otto von Augsburg an Delfino (Würzburg, 5. 9. 1556): Goetz, NB I/17, Nr. 143 S. 299 f., hier 299.
75
 Delfino an Kardinal Carlo Carafa (Wien, 12. 7. 1556): Ebd., Nr. 133 S. 273–276, hier 273 f. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 171, Anm. 5; Laubach, Ferdinand I., 146.
76
 Nach Goetz, NB I/17, XLVII, erfolgte die Abreise wegen der Differenzen um die Pläne der Kurie für ein Abkommen zwischen dem Papst, Ferdinand I. und König Maximilian von Böhmen gegen Spanien im Zusammenhang mit dem päpstlich-spanischen Krieg in Italien. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 170–172.
77
 Vgl. Zoepfl, Bistum, 267; Siebert, Kaiser, 162 f. Kardinal Otto informierte die Kurie aus Regensburg über das Reichstagsgeschehen (ebd., 164; Braun, Wahrnehmung, 487 f.).
78
 Gruppe von Brevenkonzepten (4. 12. 1556) an Hg. Albrecht von Bayern (Druck: Raynaldus, Annales XXXIII, 1556, Nr. 20 II S. 553 f.), die Ebff. von Salzburg und Magdeburg (ebd., Nr. 21 S. 554), den Bf. von Würzburg und 4 weitere, nicht genannte Bff. sowie eine inhaltlich übereinstimmende, aber im Konz. leicht abweichende Gruppe (ebenfalls 4. 12. 1556), gerichtet an Kg. Ferdinand (HHStA Wien, Rom Hofkorrespondenz 3 Fasz. 1, K 25, fol. 1. Or.), Kg. Maximilian von Böhmen, die Hgg. von Jülich und [Heinrich] von Braunschweig, dazu Blanko-Konzz. an weitere weltliche und geistliche Adressaten. Vgl. zu den Konzepten: Lutz, Kurie, 281–283. Daneben: Looshorn V, 9; Weiss, Bistum, 144 (Breve an Bf. Georg von Bamberg); Zoepfl, Bistum, 267; Siebert, Kaiser, 162 f.; Laubach, Ferdinand I., 181.
79
 Druck: Lutz, Kurie, 284–288. Der Verfasser ist nicht zu ermitteln, denkbar wäre Zaccaria Delfino (ebd., 278 f.). Auswertung des Gutachtens ebd., 281–283.