Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Kurfürstentag zu Regensburg 1575 bearbeitet von Christiane Neerfeld

Vorbemerkung

Als Textvorlage dient das von Peter von Lagow verfasste Kurbrandenburger Votenprotokoll [Kurbrandenburg], das den Verlauf der Beratungen im KR im Vergleich zu den anderen erhaltenen Mitschriften am ausführlichsten und weitgehend lückenlos dokumentiert1.  Aufgrund des relativ kurzen, von Wahl- und Krönungstag unterbrochenen Tagungszeitraums von etwas mehr als drei Wochen und aufgrund des im Vergleich zu Reichstagen ungleich geringeren Umfangs des KR-Protokolls, konnte auf Kürzungen und Regestierungen weitestgehend verzichtet werden. Ab dem Beginn der Sitzungen am 10.10.1575 ist der Wortlaut der Beratungen im KR im Volltext wiedergegeben. Die Kurbrandenburger Mitschrift wird durch das kurpfälzische und das kursächsische Protokoll ergänzt. Falls diese Abweichungen oder Ergänzungen enthalten, werden sie im Variantenapparat vermerkt.

Das von Ludwig Culmann verfasste Kurpfälzer Votenprotokoll [Kurpfalz] umfasst den gesamten Tagungszeitraum vom 10.10. bis zum 3.11.15752. Für die Sitzungen der kfl. Räte am Nachmittag des 27.10. (Nr. 15) und des 31.10. (Nr. 19), sowie für ihre Beratungen am 2. und 3.11. (Nr. 21 und Nr. 22) wurde Kurpfalz als Textvorlage herangezogen, da die entsprechenden Einträge in Kurbrandenburg fehlen. Das kursächsische Votenprotokoll [Kursachsen] wurde von David Peifer verfasst3. Es beginnt mit der Eröffnung des Kurfürstentags am 10.10., bricht jedoch vorzeitig ab und endet bereits am Tag der Wahl Rudolfs II. zum röm.Kg. am 27.10.1575. Da dieses Protokoll den Ablauf des Wahltags detaillierter wiedergibt als Kurbrandenburg, dient Kursachsen als Textvorlage für den Vormittag des 27.10. (Nr. 15).

Das Kurkölner Protokoll deckt den gesamten Zeitraum der Beratungen ab4, wird aber, da es weit weniger ausführlich ist, nicht in den Variantenapparat eingearbeitet. Die Mitschrift der geschäftsführenden Mainzer Kanzlei konnte nicht aufgefunden werden; lediglich zwei kleinere Fragmente [Kurmainz], die die Vereidigung des Regensburger Rats und die Sperrung der Stadt während der Wahl betreffen, sind als Auszugskopien erhalten5. Ebenfalls nicht überliefert ist das Protokoll Kurtriers.

Anhand der vier überlieferten Protokolle sind die Sitzungen des KR in Regensburg sehr gut nachvollziehbar. Eine gute Ergänzung liefert das private Diarium des Kurpfälzer Großhofmeisters und Gesandten Gf. Ludwig von Sayn-Wittgenstein, dessen Aufzeichnungen im Sachkommentar berücksichtigt werden, sofern sie zusätzliche Informationen enthalten6. Der den Kurfürstentag 1575 betreffende Teil dieses Tagebuchs wurde unter dem Titel Geheimbdes Protocollum im Jahr 1711 zum ersten Mal und ohne Nennung des Verfassers veröffentlicht und ist dann zunächst von Heinrich von Senckenberg 1746, anschließend von Joseph Maria Schneidt 1792 wiederabgedruckt worden7. Da es bereits recht früh im Druck vorlag, diente das Diarium Sayn-Wittgensteins als Hauptquelle für die älteren Darstellungen des Regensburger Kurfürstentags von 15758.

Da mit Ausnahme des Kf. Friedrich III. von der Pfalz alle Kff. persönlich in Regensburg anwesend waren, beschränkt sich die Berücksichtigung der Gesandtschaftskorrespondenz auf die Weisungen Kf. Friedrichs und die Berichte seines Sohnes Pfgf. Ludwig bzw. der kurpfälzischen Räte. Ihre Korrespondenz zwischen dem 6.10. und dem 2.11. 15759 wird in den Kommentar eingearbeitet, sofern sie aufschlussreiche Ergänzungen zum Ablauf der Verhandlungen enthält. Zu nennen sind hier etwa Hintergrundinformationen zu den Spannungen zwischen Kurpfalz und Kursachsen sowie zu informellen Gesprächen im Zusammenhang mit der krisenhaften Zuspitzung des Konflikts zwischen den weltlichen und den geistlichen Kff. am 20. und 21.10.1575.

Anmerkungen

1
GStA PK Berlin, I. HA Geheimer Rat, Rep. 10, Nr. Kk 2 Fasz. A, fol. 85–222. Konz. von Hd. P. von Lagow mit Korrekturen und Marginalien. Überschr. (fol. 85): Anno 75. Tractation zu Regenspurgk. Das Protokoll wurde nachträglich in eine Akte eingefügt, die im Wesentlichen Kopien der Korrespondenz Kf. Johann Georgs von Brandenburg mit Ks. und Kff. über die Vorbereitung des Kurfürstentags seit Mai 1574 sowie Akten vom Wahltag selbst enthält. Dabei wurden die Blätter neu durchnummeriert und die ursprünglichen Folioangaben von [1] bis 138 am rechten unteren Seitenrand durch die Zahlen 85 bis 222 ersetzt. Nachträglich wurden Verweise mit Folioangaben auf die im hinteren Teil ab fol. 263 (fol. 223 bis 262 sind blanko) abgelegten Akten eingefügt, bei denen es sich wahrscheinlich um diejenigen Dokumente handelt, die durch die Mainzer Diktatur bekannt gemacht wurden. Der Titel der Akte lautet: Prothocol ergangener handelung vor unnd auf dem churfursten tage zu Regenspurgk, als die kgl.W. zu Hungern und Beheimen Rudolphus, ertzhertzogk zu Österreich etc., zu einem römischenn konig erwehlet wordenn, mense Octobris anno etc. 1575. Gehalten durch Peter von Lagawenn churfurstlichenn brandenburgischen cammer secretarienn. Der Text beginnt auf fol. 85 mit der Information über die Ankunft Kf. Johann Georgs in Regensburg am 5.10.1575 und mit der Nennung der Teilnehmer und endet auf fol. 222 mit der Notiz, dass der Kf. bei Tagesanbruch des 2.11. die Heimreise antrat. Da Kf. Johann Georg die Versammlung vorzeitig verließ, um zu seiner todkranken Ehefrau zurückzukehren, fehlen die letzten beiden Sitzungstage. Für diese wird daher auf die Mitschrift der Kurpfalz zurückgegriffen.
2
HStA München, K. schwarz 3728, fol. 4–96'. Konz. mit Korrekturen und gliedernden Randbemerkungen, aber teilweise unleserlich und nur eingeschränkt verwendbar. Aufschr. (fol. 2): Protocoll im kfl. rhatt gehalten ob dem Kff.tag zu Regenspurg anno 1575.
3
HStA Dresden, Geheimer Rat, Loc. 10675/2, fol. 1–49. Reinschr. mit gliedernden Zwischenüberschr.; Aufschr.: Protocoll der handlung, so die churfürsten des Heiligen Römischenn Reichs auff dem wahltage zu Regensburg uber der wahl des itzigen römischen königs Rudolphi des andern collegialiter gehalten, aus befelch des churfürsten zu Sachssen etc. durch s.kfl.Gn. rath Dr. Daviden Peiffern mit vleis registrirt. 1575; Überschr. (fol. 1): Summarischer bericht dessen, so in des Heiligen Reichs churfürsten collegialversamlung zu Regensburgk anno 75 gehandelt wordenn. Eine weitere Reinschr. mit identischen Auf- und Überschr.: Ebd., Loc. 10671/4, 46 unfol. Blätter.
4
LAV NRW R, Kurköln V, Nr. 8, fol. 79–123. Reinschr. mit wenigen Korrekturen und gliedernden Randbemerkungen.
5
HHStA Wien, MEA, WuKA 25, fol. 537–538 (22.10.1575) und fol. 543–544 (26.10.1575; Text in Anm.y bei Nr. 14). Kopp.
6
Das Original des zwischen 1559 und 1604 geführten und sieben Bände umfassenden Tagebuchs befindet sich in der Handschriftenabteilung des Fürstlichen Archivs Bad Berleburg unter der Signatur RT 3/1–7. An der entsprechenden Stelle im dritten Band fehlen jedoch die den Kurfürstentag betreffenden Einträge. Stattdessen findet sich dort (RT 3/3, fol. 68') ein Verweis auf die Reise Sayn-Wittgensteins nach Regensburg zwischen dem 23.9. und dem 13.11.1575 (freundliche Auskunft von Dr. Marcus Stumpf, Leiter des LWL-Archivamts für Westfalen). Die Aufzeichnungen, die er während seiner Reise machte, wurden von Sayn-Wittgenstein also offenbar separat verwahrt.
7
Vgl. Schneidt, Geschichte, Einleitung §§ 13–16; Moritz, Wahl, 137, Anm.⁕. Die Mitschrift befand sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Besitz des Gießener Professors Immanuel Weber, dessen Schüler Carl Ludwig Bielefeld einige wörtliche Zitate zur Wahl und Krönung Rudolfs sowie den Epilogus in seiner 1707 erschienenen Dissertation abruckte (Weber/Bielefeld, Dissertationis, 30–35). Ob bzw. wo dieser Teil des Diariums des Gf. Sayn-Wittgenstein im Original erhalten ist, konnte nicht ermittelt werden. Laut Senckenberg, Sammlung II, Vorbericht § 3, geht der Erstdruck des Diariums 1711 (in Geheimbdes Protocollum, 1–51) auf die Initiative Webers zurück. Senckenberg übernahm für den dritten Teil seiner Sammlung nicht nur den Text und die Fußnoten des Drucks von 1711 (Senckenberg, Sammlung III, 3–73), sondern auch einige andere, im Anschluss an das Protocollum abgedruckte Dokumente, u.a. Auszüge aus dem Passauer Vertrag von 1552 (ebd., 74–102) und den Text der Declaratio Ferdinandea von 1555 (ebd., 106–109). Text und Fußnoten der ersten Ausgabe sind wieder abgedruckt bei Schneidt, Geschichte, 486–541.
8
Vgl. Einleitung, Kap. 1.2. Häberlin, Reichs-Geschichte IX, 336–418, referiert die Sitzungen zwischen dem 12.10. und dem 3.11.1575 nach dem Diarium Sayn-Wittgensteins.
9
Orr. und Konzz. der Weisungen und Berichte in HStA München, K. blau 100/1, fol. 16–208' passim, und K. blau 110/6b, ab fol. 31 passim. Die Gesandtschaftskorrespondenz ist teilweise gedruckt in Kluckhohn, Briefe II, Nrr. 839–851 S. 875–901.