Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Erinnert an seine in Konstanz gemachte Mitteilung, daß sein Bruder, HM Friedrich von Sachsen, vormutlich nicht auß cleiner bewegniß bei ihm zu Hause eingetroffen ist, weshalb er, Hg. Georg, früher abreisen wollte.1 Sein Bruder eröffnete ihm, daß der Kg. von Polen mit seinen Ständen beschlossen habe, den Hochmeister zur Ratifizierung des [Thorner] Friedens [von 1466] zu drängen. Kurz vor seiner Abreise sei eine Gesandtschaft eingetroffen, die unter Hinweis auf ein päpstliches Schreiben – worüber er, Hg. Georg, schon früher berichtet hat2 – die Annahme des Friedens gefordert und Waffengewalt angedroht habe. Er, der Kg., habe dem Hochmeister zuvor befohlen, den Frieden nicht zu ratifizieren3, auch wäre dies dem Deutschen Orden nachteilig. Indessen sei der Orden allein nicht imstande, dem Kg. von Polen Widerstand zu leisten. Um weiteren Anfechtungen aus dem Wege zu gehen, sei der Hochmeister nach Sachsen abgereist, auch in der Hoffnung, beim röm. Kg. und bei den Reichsständen Rat und Hilfe zu finden. Auch wolle der Hochmeister noch andere Freunde des Ordens aufsuchen und sie um Unterstützung bitten.
[2.] In Anbetracht der Situation im Reich und in Sachsen ist vor allem von ihm, dem Kg., Hilfe zu erwarten, weswegen der Hochmeister sich ursprünglich selbst zu ihm begeben wollte. Doch in Anbetracht des Umstandes, daß er nicht über längere Zeit den Ordenslanden fernbleiben will und er, der Kg., mit wichtigen Angelegenheiten befaßt ist, hat der Hochmeister seinen Entschluß geändert und ihn ersucht, an seiner Stelle um Hilfe für den Orden zu bitten. Kündigt ein entsprechendes Schreiben seines Bruders an4 und äußert seine Zuversicht, daß der Kg. den Hochmeister und den Ritterorden nicht im Stich lassen wird.
[3.] Er hat vor kurzem glaubwürdige Nachricht erhalten, daß Kg. Wladislaw von Ungarn-Böhmen eine Gesandtschaft zu ihm, dem röm. Kg., abgefertigt hat, die unter anderem die Aufhebung des früheren kgl. Mandats an den Hochmeister [vom 16.3.1501; Anm. 3] und die Ausstellung eines neuen Mandats zur Ratifikation des Thorner Friedens erwirken soll. Zwar besteht kein Zweifel, daß er, der Kg., weiß, was darauf zu antworten ist, er weist aber vorsorglich noch einmal darauf hin, daß sein Bruder und der Deutsche Orden allein dem Kg. von Polen nicht werden standhalten können. Wirksame Unterstützung steht jedoch nicht zu erwarten. Im Interesse des Friedens könnte man die ungarischen Gesandten daran erinnern, daß der Orden zum Trost der Christenheit und zur Ehre der Jungfrau Maria gestiftet worden sei und welchen Nutzen die Christenheit aus ihm gezogen habe, daß ferner der Orden von Kss., Kgg., Ff. und anderen Adeligen der deutschen Nation gestiftet und zur Blüte gebracht worden und ausschließlich a–der christlichen Kirche– und dem Römischen Reich untertan sei. Dennoch hätten die Kgg. von Polen den Orden angegriffen, ihm einen großen Teil seines Landes weggenommen und dadurch zum Schaden der ganzen Christenheit seiner Macht beraubt. Polen wolle den Orden der Obrigkeit des Röm. Reiches entziehen und sich unterwerfen. Ob es ihm als röm. Kg. zustehe, dazu seine Einwilligung zu geben, könne der [ungarische] Kg. selbst ermessen, ebenso daß dieses Ansinnen weder gut noch geziemend sei, daß das Geschehene auf dem Gewissen und den Seelen seiner Vorfahren laste und Gott es durch Plagen und Strafen vergolten habe. Um künftigen Unfrieden zu vermeiden, solle sich der ungarische Kg. als Vermittler in den Konflikt einschalten und seinen Bruder [Kg. Sigismund von Polen] dazu bewegen, in ein Vermittlungsverfahren einzuwilligen. Er solle den beiden Parteien einen Tag anberaumen, an dem auch der röm. Kg. durch Gesandte teilnehmen werde. Der röm. Kg. sei für eine gütliche Einigung offen, doch im Falle weiteren gewaltsamen Vorgehens gegen den Orden werde er Gegenmaßnahmen ergreifen.
Er selbst ist zuversichtlich, daß der Kg. von Ungarn eine solche Antwort akzeptieren wird. Bittet, seinem Bruder und dem Orden auf diesem oder einem anderen Weg aus seiner Notlage zu helfen. Falls der friedliche Ausgleich nicht möglich ist und der Orden auch nicht durch Waffengewalt unterstützt werden kann, bittet er, seinem Bruder eine wie auch immer geartete Einigung mit dem Kg. von Polen nicht zu verübeln. Er hat auch Kf. Friedrich und Hg. Johann von Sachsen, Kf. Joachim von Brandenburg und Hg. Bogislaw von Pommern-Stettin aufgefordert, den Hochmeister und den Orden im Falle eines Angriffes militärisch zu unterstützen.5
Schellenberg, 19. August 1507 (dornstag nach assumpcionis Marie).
Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 9943/22, unfol. (Konz.).