Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Verbesserung des Verfahrens bei Fiskal- und Kriminalfällen; [2.] Defizite bei den Advokaten am Reichskammergericht; [3.] Bestimmungen für das Kanzleipersonal; [4.] Beschleunigung der Verfahren; [5.] Registrierung und Zusammenstellung der Prozessakten; [6.] Änderung des Verfahrens bei der Urteilseröffnung; [7.] Missstände bei den Notaren; [8.] Überarbeitung der Botenordnung.

Wiesbaden, HStA, Abt. 131, Nr. IV a, 22a, fol. 81–83 (dem ksl. RT-Protokoll [Nr. 259] inserierte Kop., Überschr.: Kayserlicher Mt., auch churfursten, fursten und der stende des Rychs, auf dem Rychs tage zu Wormbs versamelt, verordent rete antwurt und beschaid, XVIta Junii 1509, auf etlich mengel und geprechen, von wegen ksl. camergerichts inen ubergeben.2) = Textvorlage A.

[1.] Item auf den ersten artikl von besser ordenung, wie jura fisci, auch die malefiz und penfell im Reych bas erkundet3, gerechtfertigt und inpracht4 werden mogen.

Ist beslossen, das es dises artikls halber by ksl. Mt. antwurt, dem camergericht furmals in glichem fall aus Dortrich am XXV. Octobris anno octavo gegeben5, furohin pleiben und dermassen gehalten werden soll.

[2.] Zum andern, dwil nit kleiner mangl sey an advocaten, von einer ordnung zu reden, dardurch gelert persone zu advocaten an das camergericht gezogen werden mochten.

Bedunkt die obgemelten rete kainer besondern ordnung noit sin, sonder camerrichter und bysitzer werden das wole gepurlich einsehens han.

[3.] Zum dritten von besetzung des camergerichtz canzley, sonderlich durch wen und wie die schreiber und copiesten aufgenomen, erhalten und regirt werden sollen.

Ist beslossen, das aufs wenigst zwen schreiber zum ingrossirn und einer zu copyern; und ob ain menge oder ubermass der copyen zugefallen und dieselben in der canzlei zu fertigen zu vil oder beswerlich sin, das sie ausserthalb der canzly zu schreiben bestellt und von einem plat vier pfenning ungeverlich, wie man das andingen6 oder bekomen mag, gegeben, auch ein gemeyner canzleiknecht, wie furmals, als angezaigt, alweg gewest sin, gehalten werden soll.

So ist fur gut und nutz angesehen, das die protonotarien und schreiber byeinander in der canzly sein und plyben und das Ambrosius Dietherich sie verkostigen und mit legern und andern sachen underhalten. Und was durch camerrichter und bysitzer geordent oder gesetzt, das ir ainer ime fur costgelt und alle ander ding geben, das er sich desselben benugen lassen, sie auch mit der cost und anderm dermassen halten und fursehen solle, damit sie clagens kein ursach haben und camerrichtern und bysitzern weiter deshalb zu handln nit noit werde.

Das auch der camerrichter mitsambt etlichen bysitzern, so er deshalb zu ime nemen, ordnung machen, wie die personen der canzlei aufgenommen und regirt, auch wie es mit inen und sunst in andern notturftigen sachen zu forderlicher verfertigung der erkanten process und der partyen gehalten werden soll.

[4.] Zum virten, von besser ordnung und statut zu handln, damit man nit so lang wie bisher in den sachen hangen muss, sonder zu furderlicher verhorung und ende der sachen komen mochte.

Sollen camerrichter und bysitzer darin ordnung, die leidlich sey, furnemen, doch damit aufsehens haben, das die partyen dadurch an irem furtrag nit verhindert werden.

[5.] Zum funften, ordnung furzunemen, das alle gerichtzacta vor erledigung und relation der rechtsetzen registriret und aufs kurzst extendirt und nit also auß den carten, zetteln und briefen referiret und geurtailt werden sollt, wie dann zu Nurenberg durch camerrichter und bysitzer davon geret, auch in schrift begriffen worden ist.7

Ist durch die gemelten rete erwegen, wiewole soliche ordnung die sachen und hendl zu referirn furderlich und geschicklich sein, so mocht doch das by ksl. Mt., auch den stenden des Rychs und sonst allenthalben im Ryche fur muglich beswerung und den partyen fur ain nachtailig neuwerung geacht werden, und darumb fur pesser angesehen, by allen advocaten und procuratorn zu verfugen, das sie hinfur kain product, wie wenig oder clain das sij, nit anders dann auf einen ganzen pogen bapirs schriben und dermassen inlegen und das der leser in einem glichen handl, so der zu der urtl beslossen und zu referiren compellirt ist, alle schriften, wie die von beiden tailn producirt und einpracht sein, nach irem datum daby nacheinander ordenlich einheften, auch die besiglten brif oder rottel der kuntschaften, ob eyniche im selben handl eingelegt weren, daby pinden ader, ob es fuglich bescheen mag, anheften und dermassen versorgen soll, damit solichs alles byeinander pleiben und nichtz davon verfelt oder verlorn werde.

[6.] Zum sechsten, ob gut sey, das man alsbald nach dem referirn urtl besliess oder besser, sonderlich in grossen sachen und endeurtailn, das zur selben noch nit beslussig vota, sonder allein disputationes und pun[c]ta, warauf die referirt sach und rechtsetz beruhen woll, colligirt und beslus der urtail etlich tag zu bedacht und besichtigung der rechten angestellt und mittlerzyt, wo die partyen ader advocaten des begern, die puncta verzaichnet ine veroffnet wurden, informationes juris, ab sie wolten, inzugeben.

Ist daruf obbemelter rete vermutung, das sich camerrichter und bysitzer in solichem falle wole werden und wissen zu halten.

[7.] Zum siebenden von einer verfenglicher und besser ordnung oder versehung, wie den geprechen der onbekannten, auch onschicklichen offenen notarien im Ryche und iren unformlichen instrumenten zu begegnen sij, dwil vor gemacht versehung8 darin bishere unerschiesslich erscheint.

Daruf lassen es vor gedachte rete by den ordnungen, deshalb hievor aufgericht, pleiben. Wo aber kunftiger zeit etwas weiter enderung ader besserung darin zufallen und noit sin wurde, das soll zu ermessung, betrachtung und besserung camerrichters und der bijsitzer gestellt und bevolhen sein.

[8.] Zum achten, das in die itzig ordnung und brauch der camergerichtspoten9, von denen teglichs clag sey, gesehen werden soll.

Lassen es die vor gedachten rete by der ordnung, deshalb hievor gemacht, pleiben. Und wo kunftiger zeit etwas beschwerung oder verhinderung einfallen wurde, sollen camerrichter und bysitzer darin sehen und demselben fuglich mass und ordnung geben.

Anmerkungen

1
 Gemäß dem vom gleichen Tag datierenden RAb [Nr. 303, § 12] dem RKG zugestellt.
2
 Die Eingabe des RKG fehlt. Ihr Inhalt geht aus der jeweiligen Zusammenfassung in der Resolution der Reichsversammlung hervor.
3
 hier: gerichtlich festgestellt (Deutsches Rechtswörterbuch III, Sp. 226).
4
 hier: abgeurteilt (Deutsches Rechtswörterbuch II, Sp. 1369).
5
 Liegt nicht vor.
6
 hier: vereinbaren (Anderson/Goebel/Reichmann, Frühneuhochdeutsches Wörterbuch I, Sp. 1054; Deutsches Rechtswörterbuch I, Sp. 613).
7
 Liegt nicht vor.
8
 Freiburger RAb vom 4.9.1498, §§ 27, 35 (Druck: Gollwitzer, RTA-MR VI, Nr. III/119, S. 729f., 732; Schmauss/Senckenberg, Sammlung II, S. 44f., 46) und Augsburger RKGO vom 10.9.1500, Tit. VI, XIV (Druck: ebd., S. 69, 70f.).
9
 Wormser RKGO vom 7.8.1495, § 11 (Druck: Angermeier, RTA-MR V/1, Nr. 342/IV, S. 396–398; Schmauss/Senckenberg, Sammlung II, S. 8) und Augsburger RKGO vom 10.9.1500, Tit. V und ratifizierte Artikel der RTT von Lindau (1497) und Freiburg (1498), Tit. VI-VIII (Druck: Schmauss/Senckenberg, ebd., S. 73f. Druck des Entwurfs von 1497: Gollwitzer, RTA-MR VI, Nr. II/41, S. 313–315).