Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Verhandlungen der Reichsstände über die ksl. Reichstagsinstruktion: [1.1.] Rechtfertigung des Bündnisses mit Frankreich, [1.2.] Waffenstillstandsverletzungen Hg. Karls von Geldern, [1.3.] Initiative des Papstes zum Vertrag von Cambrai, [1.4.] Antrag zur Bewilligung einer Reichshilfe gegen Venedig und [1.5.] Vorschläge zur Reformierung des Reichskammergerichts.

Frankfurt, ISG, RTA 24, fol. 45–46’ (Or. Hd. Frosch).

[1.] Fursichtigen, ersamen und wysen. E[uer] W[eisheit] sien myn fruntlich, willig dienst allezijt zuvoran bereit. Gunstigen, leben herrn und guten frunden. Wissent, daß uf mitwochen vor dato [16.5.] margraf Casimir, graf Adolf von Nassau etc. und her Sigmund von Frauenberg, freyher zum Hag, von befelch ksl. Mt. by der versamelung kurfursten, fursten und anderen stenden etc. erschinen und einen credenzbrief [Nr. 265], von ksl. Mt. an die gmeine stende ußgangen, uberantwurt, der verlesen wart, und nochfolgenß ein instruxsion [Nrr. 266, 268], so ienen ksl. Mt. zugschickt hat, zu verleßen bgerten, auch also verleßen wart. Diewile none dieselbige mer dan einen artikel inhilt, auch die in der lenge gschriben waß, darmit dan ein jeder sich dester baß der hette zu bedenken, haben die ret solich instruxion den stenden ubergeben, haben kurfursten, fursten und stende ein bedenken gnomen biß uf fritag noch mittag [18.5.] zu einer euwern [= Uhr] und uf den gmelten fritag ksl. Mt. raten die antwurt geben: Diewile man sich vermut, daß myn genedigister her von Coln, auch hirzog Friderich von Saßen und andre stende deß Helgen Richs in kurz erschinen werden, zu verharren biß uf erer gnaden zukunft. Haben ksl. Mt. rete also angnomen. Ist sit der zijt nichtz sunderlich ghandelt ader vorgnomen.

[1.1.] Dan die instruxion narrirt, us waß ursachen die ksl. Mt., unßer allergenedigister herre, den friden, so sin keyserlich Mt. derselben irer Mt. und dem Helgen Romischen Rich zugut mit dem konig von Frankreich beschlossen habe1, nemlich daß darin der tractat zu Hagnaue2 vernuet ist ausserhalb deß heyratz, der beschlossen waß zwischen siner ksl. Mt. enklin erzhirzog Karl und deß bemelten kunig von Frankreichs dochter [Claudia]. Daß hat sin ksl. Mt. den kunig von Frankreich erlassen etc., mit witleuftiger meldung der krigsleyft, so sich itz in Brabant verlaufen haben, nit not zu schreiben etc.

[1.2.] Auch gmelt, daß in disen tractat daß lant von Gellern in einen anstant gstelt sy, daran her Karl von Egmond, der sich nennet hirzog zu Geldern, ein merklichen verdress ghabt habe, auch dechlich understee, den tractat zu brechen, nemlich daß er habe uß synem eygen gwalt und macht einen nuwen zolle ufgricht und von einem iglichen vass winß ein gulden zu zoll zu geben ufglegt. Daß wider den tractat ist, dan kein partey einich nuerung in der zijt furnemen, sonder daß maniglich von den partien das behalten und in possess bliben soll, wie er in anfang deß kregs gwest ist etc., mit witern anhangenden ursachen, damit er den tractat gbruchen solt haben, e. W. on not zu schriben.

[1.3.] Mer, wie unßer heiliger vater, der babst, etlich zeit her ir ksl. Mt. gar hoh und ernstlich ersucht habe, darneben auch den konig von Frankreich und den kunig von Arogon; und habe sein heligkeit sin ksl. Mt. und itzbemelte zwen kunigen in einen verstant gbracht mit ir und undereinander alß cristlich kunige und zuvor sein ksl. Mt. alß advocat, vogt und protector der cristlichen kirchen und beschermer, siner heligkeit zu verhelfen wider die unglaubigen zu ziegen und am durchzug mit den Venedigern zu handeln, daßjenig, daß sie vor langen und kurzen jaren der cristlichen kirchen gwaltiglichen abgtrongen und noch uf disen tag wider Got, recht und alle billicheit uber ir manigfaltig gutlich und hog ersuchen vorghalten etc. Dan wo sin heligkeit nit gwest, hette ir Mt. den verstand und obangezeigt practic nit angnommen, mit felen witschweifigen ursachen, daß unsers heligen vaters, deß babst begeren und ansuchen billich, erbare und cristenlich, auch sein ksl. Mt. schuldig sy, uf solich hog ersuchen seiner heiligkeit mit hilf zu erschinen, sunderlich, so andre cristlich kunig und fursten deß auch zu tun understunden. Und darumb sey seiner ksl. Mt. mitsampt bemelten zweyen kunigen von Frankrich und Arogon in ein verstentnus mit der babstlichen heiligkeit gwaghsen und kommen und deßhalbe zusagung gtan. Und sy sin ksl. Mt. itzo auf dem weg, sich zu den hendeln ilenz zu verfugen und Italien zu nehen und solichem furnemen auszuwarten etc.

[1.4.] Demnach sey seiner ksl. Mt. gnedig, fruntlich und hog, auch fleissig bit und begeren an sie, daß sie die notturft diß handels und furnemens bedenken und erwegen und seiner ksl. Mt. keinswegs verlaßen und seiner ksl. Mt. zu solchem furnemen ir helf mit leuten zu roß und fuß auf daß sterkst tun; und daß die hilf uf daß allerfurderlichst bereit sy und anziehen mogen neben seiner ksl. Mt. volk, daß sein ksl. Mt. auß derselben erblanden understeen wurde ufzubrengen; und darzu auch ein anzal pulver und salpeter, dan sin Mt. sunst mit gschutz wol versehen sy; auch daß die hilf auf ein ganz jar gstelt werde.

Item, wo diße hilf siner Mt. zugsagt und kurfursten und fursten, auch anderen stenden deßglichen ere anzale und gburne3 zu russ und fuß ufglegt wirde, so sullen die kurfursten und fursten [für] iere ufgsetzte anzal des fußvolks reysigen schicken. Aber die von den prelaten, graven und stetten sollen ir ufglegt anzal deß fußvolk schicken, und namlich tuglich und gschickte ingeseßen burger. Und sullen funf fußknecht vor zwen reisigen grechent werden. Auch sulle keym reysigen mer dan X gulden den monet vor kost und schaden zugsagt und geben werden.

[1.5.] Item, mer so begert sin ksl. Mt. daß kammergricht und sine canzlei zu reformeren, damit daß nit mit jungen, ungeubten personen, wie die vergangen zit beschehen, sonder dapferen, wolgelerten, erfaren bysitzern besetzt, auch die unformlich, ungschickt handelung, so am camergricht und seyner canzly bißher geubt, in ein loblich, ufrichtig wesen bracht und statlich ghalten werde etc., mit verner beger deß jubelgeltz halber und in die gulden monz zu seen etc., nit not zu schriben etc. Damit e. W. dinstlichen willen zu erzeigen bin ich gneigt. Datum zu Wurms uf samstag noch dem sontag vocem jocunditatis anno etc. nono. Johann Frosch, sch[öffe], itzunt uf dem richstag zu Wurms.

Anmerkungen

1
 Vertrag von Cambrai vom 10.12.1508 [Nachweise siehe Nr. 52, S. 199, Anm. 1].
2
 Vertrag von Hagenau vom 4.4.1505 (Regest: Heil, RTA-MR VIII/1, Nr. 75, S. 222–226).
3
 = gebürnis: der zu leistende Anteil (Anderson/Goebel/Reichmann, Frühneuhochdeutsches Wörterbuch VI, Sp. 328f.; Deutsches Rechtswörterbuch III, Sp. 1318f.).