Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Beschluß zu einer Reform des Reichskammergerichts im Zuge der Erörterung verschiedener Mängel im Reich; [2.] Bestätigung Gf. Sigmunds zum Haag als Reichskammerrichter, Benennung der Beisitzer; [3.] Ablösung des Fiskals Christoph Müller durch Georg Schütz; [4.] Mögliche Rückforderung von Geschenken für Müller; [5.] Beschleunigung des Achtverfahrens in bestimmten Fällen; [6.] Regelung der Einkünfte des Fiskals, Verbot der Annahme von Geschenken; [7.] Bestätigung Ambrosius Dietrichs und Ulrich Varnbühlers als Protonotare; [8.] Bestätigung Johann Fiemels als Leser, Anhebung seiner Besoldung; [9.] Prüfung der Mängel in der Gerichtskanzlei durch Kommissare; [10.] Termin für den Beginn der Tätigkeit des Reichskammergerichts; [11.] Verlesung aller verfahrensrelevanten Schriftstücke vor den Beisitzern; [12.] Beschleunigung der Rechtsprechung durch Aufteilung der Fälle nach ihrer Relevanz; [13.] Erstellung kurzgefaßter Eingaben durch die Prokuratoren; [14.] Beschleunigung von Appellationen; [15.] Entlastung der Beisitzer durch Übertragung von Abrechnungsangelegenheiten an einen Schreiber der Gerichtskanzlei; [16.] Auftrag an benannte Kommissare zur Umsetzung der Gerichtsordnung.

Köln, 26. August 1512

Wien, HHStA, AUR 1512 VIII 26, Orig. Perg. m. S. (p.r.p.s; a.m.d.i.p.; Gegenzeichnung: Serntein).

[1.] Wir, Maximilian etc., bekennen offenlich mit disem bref und tun kund allermeniglich: Als wir jungst zu Trier und auch yetzo hie auf unserm gehalten reichstag mitsampt Kff., Ff. und stenden des Reichs in den mengeln, obligen und gebrechen, so sich in manicherley weis allenthalben in dem hl. Reiche halten, gehandelt und sonderlichen betracht, das dem hl. Reiche und teutscher nation eerlich und loblich, auch nutzlich und guet sein, das daz recht underhalten, meniglichem gestattet und demselben ein sleuniger, gestracker austrag gesetzt, auch maß und weeg, wie es deshalben gehalten, furgenomen werde, demnach so haben wir mit der obgemelten unser und des hl. Reichs Kff., Ff. und stende guetem, zeitigem rat und vorbetrachtung etlich ordnung und artikel, wie unser ksl. camergericht besetzt, reformiert und gehalten werden sol, furgenomen, wie hernachvolgt:

[2.] Anfenglichen so orden und wollen wir, das der edel unser und des Reichs lblibra (Pfund) . getreuer Sigmund, Gf. zum Hag, der ein zeyt lang unser camerrichter gewesen, bey demselben ambt beleyben, dasselb treulich und vleyssig verwesen, auch alles das handeln und tun sol, das einem camerrichter laut seiner getanen phlicht zusteet und gepuret. Und haben im darauf die edeln, ersamen, unser andechtig und des Reichs lb. getreuen Bernharten, Gf. zu Eberstain, Adamen, Gf. zu Peuchlingen, Erharten, Gf. zu Tengen, Johann Furderer als benannten des EB zu Menz, Heinrich Witershausen, des EB zu Cöllen benannten, Jacob von Landsperg als benannten Pfalzgf. Ludwigs bey Rein, Wolfgangen von Thuern, Mgf. Joachims, Kf., genannten, Johannsen, H. zu Swarzenberg, von unsers haus Osterreich wegen, Haringo Sinama, genannt Frieß, von wegen unsers haus Burgundi,1 Valentin von Sunthausen von wegen des gezirks Sachsen, Wolfgangen Remen [von wegen] des gezirks des Reinstrams [= Oberrhein], Sebastian Rotenhan von wegen des gezirks in Franken, Dietrich Schiedrich von wegen des gezirks [folgt eine Lücke, zu ergänzen: Niederrhein-Westfalen] zu beysitzern verordent, und sollen der EB von Trier und Hg. Friderich von Sachsen, Kf., desgleichen die gezirk der lande zu Swaben und Bayern yeder auch einen benennen und die auf den tag, so im zugeschriben ist, schicken, unser camergericht mitsampt den obestimbten helfen zu besitzen.

[3.] Und als der ersam unser und des Reichs lblibra (Pfund) . getreuer Cristof Mülher ein zeyt lang unser und des Reichs camerprocuratorfiscal gewesen ist und dasselb ambt verwalten und verwesen, haben wir ine yetz aus etlich ursachen desselben gnediglichen erlassen und den ersamen unsern und des Reichs lb. getreuen Georgen Schützen, lerer der recht, an des genannten Mülhern stat zu unserm und des Reichs camerprocuratorfiscalgeneral aufgenomen und ime 500 fl. rh. jerlichen zu sold zu geben bestimbt. Darumb sol er uns dienen und handeln und tun alles laut der artikel seiner phlicht und ayde, so er unserm camerrichter laut der ordnung deshalben tun sol.

[4.] Und als der obgemelt Mülher in der zeyt, als er das berurt fiscalampt verwesen, vil schenkungen und eergelt emphangen, wellen wir uns, dieselben von im zu fordern und deshalben gegen ime, wie sich gepurt, zu handeln, vorbehalten haben.

[5.] Und als sich unser fiscal beswerd, das er in causis fracte pacis, so er in contumaces auf die achte procediern will, neu ladung erlangen mueß, dardurch die sachen verzogen und er nit zu furderlicher entschaft komen muege, darauf wellen wir, wann die erst citation mit der clausel der contumacion, nemlich, wo er nit erschein, das nichtdestminder etc., ausgangen und die tat offenbar und mit dem veindbrief oder sunst, wie sich gepurt, zu recht bewisen ist, das alsdann die teter on ainich weyter citation in die acht erkannt und declariert werden muegen. Wo aber solchs nit offenbar oder, wie obsteet, nit bewisen were, alsdann sol on die ander citation auf die acht nit procediert, sonder das alles wie bisher gehalten werden.

[6.] Wir wellen auch, das unser fiscal hinfur das potenambt in fiscalischen sachen selbs verwalt und aus den gefällen der fiscalischen sachen ausrichten. Soll mit seiner besoldung, wie vorsteet, nemlich 500 fl., gehalten werden und kain miet, gab, schenk oder eergelt, wie das genennt werden möcht, bey den phlichten seins ambts nemen und die kuntschafter oder exploratores von den fiscalischen gefellen und gemainem seckel und nit von seinem sold underhalten und dieselben underweisen und lernen, wie sy sich in solcher erkundigung und exploration halten sollen.

[7.] Berurend die protonotarios wollen wir die ersamen unser und des Reichs lb. getreuen Ambrosien Dieterich, licentiaten, und Ulrichen Varenpühler, die das protonotariatampt ein zeyt lang verwesen, von neuem darzu verordent und angenomen, auch gedachtem Ambrosien zugelassen und erlaubt haben, die zeyt, so er zu examinierung der notarien, darumb er von uns commission und bevelch hat [vgl. Nr. 1573 [1.]], aus ist, einen andern an sein stat zu stellen, doch das derselb, solchs zu verwesen, taugenlich und geschickt sey.

[8.] Den leser maister Johannsen Fiemel, so bisher das leserambt verwesen hat, wollen wir bey solchem ambt behalten. Und dieweil er sich der besoldung, die im auf anderthalb hundert fl. gesetzt, beswert und die zu ring geschetzt und umb pesserung solchs solds gebeten, haben wir im noch 40 fl. rh. jerlich zu pesserung seins solds verordent, die ime auch also jerlichen zusampt dem vorigen in einer suma, benanntlich 190 fl., geraicht und gegeben werden sollen.

[9.] Und als uns der schreyber halben in unsers camergerichts canzley vil mengel und gebrechen anzaigt sein, daryn wir diser zeyt nit so statlich, als die notdurft erfordert, handeln und ordnung furnemen muegen, so haben wir verordent und wellen, das die commissarien, hernochbenennt, all und yeglich mengel und gebrechen der canzley vernemen und daryn mit setzung, einsetzung und aufnemung geschickter personen, auch aller ander sachen, zu der canzley notdurftig, von unsern wegen und in unserm namen, des wir inen auch unsern gewalt hiemit verleihen und geben, furnemen und handeln muegen und sollen.

[10.] Und sol solch unser cammergericht bis auf den nechsten reichstag und endung desselben zu Wormbs auf eritag nach St. Symon und Judastag [2.11.12] angefangen und gehalten und alsdann, wo es furter hingelegt und gehalten, auf demselben reichstag beratslagt werden.

[11.] Und als in die referierung der gerichtshendel treffenlich zu sehen gepürt, damit nyemand verkürzt und alle notdurftig product und einlegen, darauf der handel in der substanz beruet, einem yeden beysitzer aigentlichen anzaigt und er darauf dest gründlicher ratslagen muege, so ordnen und wellen wir, das nu hinfür alle acta und derselben substancialia und was in productis in recht furbracht ist, offenlich vor allen beysitzern gelesen, gehort und darnach urteil daryn gefasst werden und nit mer auf eines oder zwayer relation, wie bisher beschehen ist, gestelt werden sol.

[12.] Und als durch missifen, supplication und brief in sachen slechter interlocutorien aus dem, das unser cammerrichter und alle beysitzer samentlich solche slechte hendel bisher gehort und bescheid und interlocutori daryn zu geben beslossen haben, vil verhinderung grosser sachen gemacht und noch ferrer, wo nit dareingesehen wurde, geperen möchten, demnach so ordnen und wellen wir, das nu hinfur in solchen missifen, supplication und briefen klainer sachen sich unser beysitzer in zway teil teilen und die beratslagen und darnach die antwurten und interlocutorien in ir aller beysein öffnen sollen. Wo aber etwas beswerlich in denselben sachen ye zu zeyten furfiele, daryn sollen sy ye einer von dem andern sein guetbedunken vernemen und darnach samentlich, wie sich gepurt, daryn handeln. Was aber hoch interlocutorien etc. syen, die craft einer endurteil hetten, daryn sol es, wie bisher in den endurteiln gehandelt ist, gehalten werden.

[13.] Und damit die beysitzer mit unnotdurftiger arbeit der interlocutorien halb nit beswert werden und furderlich daryn handeln muegen, so sollen die procuratores unsers cammergerichts in iren producten und conclusionalschriften, warauf sy iren rechtsatz getan haben, mit kurzen worten meldung und anzaigung tun.

[14.] Und als die sachen der appellation, so an unser camergericht beschehen, in end des jars durch etlich parteyen allain zu verzug der sachen furbracht werden, so wellen wir, das die richter, vor den solch appellation an unser camergericht beschehen, dem appellanten drey, vier oder auf das maist fünf monat ansetzen und benennen, solch sein appellation an unserm camergericht zu insinuieren und anzubringen, und wer dem nit nachkem, alsdann sol der underrichter sein urteil zu volziehen macht haben.

[15.] Und als bisher etlich beysitzer mit der rechnung des camergerichts beladen gewesen und dardurch bey den gerichtshendeln nit haben sein muegen, dardurch vil sachen verhindert werden, die sunst ir furderlich endschaft erlangt hetten, darumb wellen wir, das nu hinfur kain beysitzer mit solchen sachen der rechnung beladen, sondern ein geschickter schreyber aus unser camergerichtscanzley, den unser commissarien, hernachbenennt, darzu ordnen sollen, umb ein zimliche vererung, die ime darumb gegeben werden, das alles hinfur treulichen und bey seinem ayde handeln und tun solle.

[16.] Und damit dise unser ordnung volzogen und anders, so zu reformierung unsers camergerichts not ist, gehandelt werde, so haben wir mit rat unser und des Reichs Kff., Ff. und stende die nachgenannten commissarien furgenomen und verordent und tun das hiemit wissentlich in craft ditz briefs, nemlichen die edeln, ersamen unser andechtig und des Reichs lb. getreuen Johann von Talheim, brobst zu Wetzflar, unsern rat, Cristoffeln von Gablenz, Florenzen von Fenningen, Petern von Aufsäß, brobst zu Camberg, Gregorien Lamparter, lerer der recht, Bernharten, Gf. zu Solms, und Jacoben Heller von Frankfurt, und denselben bevolchen, das sy auf St. Elisabethentag schieristkünftig [19.11.12] zu Wormbs erscheinen, dise unser ordnung aufrichten und anders, so wir inen hieby auch bevolchen haben, handeln und furnemen. Und ob einer oder mer aus inen umb merklicher eehaft willen nit kommen mochte, so sollen nitdestminder die andern, so erscheinen, solchs alles ausrichten und volziehen, gleich als ob sy alle personlichen dabey weren. Mit urkund ditz briefs, besigelt mit unserm ksl. anhangendem insigel, geben in unser und des hl. Reichs stat Collen am 26. tag des monats Augusti nach Cristi gepurt 1512, unser reiche des röm. im 27. und des hungerischen im 23. jaren.

Anmerkungen

1
 Die förmliche Ernennung Schwarzenbergs und Sinnamas zu Reichskammergerichtsbeisitzern erfolgte durch eine gleichfalls in Köln am 26. August 1512 ausgestellte ksl. Urkunde. Wien, HHStA, AUR 1512 VIII 26, Orig. Perg. m. S. Kurzregest: Gross, Urkunden, Nr. 116.