Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Darlegung der Lehensaufkündigung durch Wolf von Herbstadt, des Brandenstein-Handels und der Differenzen Gf. Wilhelms mit den sächsischen Hgg. vor dem Ks., dessen Äußerungen zum Konflikt Gf. Wilhelms mit Ernst von Brandenstein; [2.] Übergabe einer Supplikation hierzu, Erlangung eines ksl. Mandats und einer Kommission, bewußt moderate Vorgehensweise des Ks. in dieser Angelegenheit; [3.] Auffassung von Rechtsgelehrten zur Lehensaufkündigung durch Wolf von Herbstadt; [4.] Empfehlungen für das weitere Vorgehen in den Konflikten mit den Hgg. von Sachsen; [5.] Gewährung der üblichen Session für Adam von Schaumberg.

Trier, 7. Mai 1512

Meiningen, StA, GHA, Sektion II, Nr. 461, fol. 13-16, Orig. Pap. m. S.

[1.] Gruß. Euer ftl. Gn. schreiben [liegt nicht vor], 1 bey Henßlin Meister zugeschickt, han ich alles inhalts verlesen, mich auf den andern ostertag [12.4.12] von stund zu ksl. Mt., unserm allergnst H., gefugt, Wolfen von Herbstets aufschreiben [liegt nicht vor] angezeigt, danebend Brandensteiners handel [vgl. Abschnitt IV.5.11.7.], sovil mich von noten bedaucht, mitsampt der sechsischen irrungen erinnert. Weliches alles sein ksl. Mt. nach der lenge mit vleys und williglich gehort, darauf erstlich die abschrift Wolfen von Herbstets selbst verlesen, darob gelacht und gleich die wort geret: „Ich meint, ich were raysig [= gerüstet], ich muß aber neue verwarung lernen schreiben. Secht zu, der schreybt in apocolipsis. Es verstet nymant, das er sich seiner scheden an Gf. Wilhelm erholen will. Ich muß die schrift aufheben und noch vil leuten zeigen.“ Hab auch darneben erfaren, das ir Mt. die zettel abschreiben lassen und die in sein laden gelegt, da er ander sein heymlich zettel innen hat. Daruf ist ir Mt. durch mich bericht, wie der Wolf von Herbstet durch den von Wirzpurg und ander euer Gn. zugeschoben. Des sein Mt. wenig gefallens getragen und die antwort geben: „Wir merken, das sie je Gf. Wilhelmen gerne vertreiben wolten. Darumb tun im also.“ Und gab mir sein Mt. wege, welichermassen ich von euer Gn. wegen suplicirn solt, und sagt: „Wir wollen solich suplicacion in unsern hofrat langen lassen, die mogen dein begeren nicht abslahen. Wo wir das allein handelten, sint wir sunst deins H. teyls wol gneigt gemerkt. So mochtens hirnach deinem H. nicht stattlich ersprissen, sonder was da offenberlich im rate gehandelt und beslossen wird, darob seyen wir ine schuldig zu handhaben.“

[2.] Daruf hab ich die suplicacion [liegt nicht vor], der ich hiemit euer Gn. abschrift schick, gestellet, die ksl. Mt. des andern tages [13.4.12] uberantwort, die von stund in meinem angesicht in den offen hofrat uberantwort sint. Daruf mandat [Nr. 1373] und commission erlangt, wie ich die euer ftl. Gn. hiemit auch zuschick. Und merk das bey ksl. Mt. und bey euer Gn. gutesgonnern, das ist auch in mir, das sich mein gnst. und gn. Hh. von Sachsen und Brandensteiner ungehorsamlich der commission und der mandat halten werden. Die sint aus grossem forteyl euer Gn. zugut leis gesetzt, darumb, wo die ungehorsam erscheinen, das die ksl. Mt. mit einem andern, grosserm ernst darauf zu volgen fug hab. Dan euer ftl. Gn. wissen, das ir Mt. ires merklichen obligens halben gegen den grossen Ff. dester gemacher gehen müssen und on groß, merklich, bewegliche ursachen ursprüncklich und von erst an nicht zu scharpf handeln mogen.

[3.] Und darumb, gn. H., auf die verzeichnus der aufschreibunge von Wolfen von Herbstet der lehen halben hab ich euer Gn. begern nach bey Dr. Luftig [= Lupfdich], H. Hansen von Seckendorff und andern rate gehabt in gesellenreden, bey Dr. Lamprechten und sunst gelerten auch diese meynunge funden, wie hernachvolgt. Und sagen, wiewol ein unredlich geprauch bey uns Franken geübt werd, das etlich ir lehenpflicht aufschreiben, nichtsdestoweniger die lehen bey ine behalten, als ich verstendigt, an disem orte auch geschicht, es hat aber im rechten keinen grund, dann aus der lieb, treu und pflicht, der herr und man zusammen haben sollen, wird der lehenman der lehen vehig, die er nymermer anderst dan in dem namen seines herrn, der die eigenschaft daran hat, aus craft der lehenspflicht besitzen mag. Dann dweil die lehenspflicht nicht geschicht, mag der vasall kein gewerd oder rechtlich besitzung der nutzbarkeit des lehens nymermer erwerben. Ob im gleich die lehen von seinen eltern aufgeerbet und er die lehen in zeit des rechten bey dem herrn nicht ersucht, die entpfecht, lehenspflicht tut oder sucht, der zu tun widersetzt, fellt er vom lehen und gehet die nutzbarkeit zusampt der eygenschaft dem herrn heim.

Vil mer ist zu achten, so der lehenman die lehen von dem herrn entpfangen, lehenpflicht getan und die in posess genomen, den herrn des lehens fur seinen herrn erkant, ime die lehenspflicht aufzuschreiben und dann daselbig lehen, als ob es eigen, fur sich selbs zu behalten, der felt nach aller rechtlicher lehensubung und lehenrecht an alle mittel vom lehen.

Und ob der man sagen wolt, der herr hette ime in seiner lehensgewerde perturbiert oder in ander fellen, darinnen der herr sich auch gegen dem man verschuldigen mocht, dadurch, wo es ein alt lehen, dem man aus verschuldung des herrn die eigenschaft zu der nutzbarkeit verwürkt, abgefallen, so mocht sich doch der man mit aufschreibung seiner pflicht one erkantnus der lehenmann des gutes nicht unterwinden, sonder alsbalde er unerkant die lehenspflicht aufsagt oder sich des gutes underwünde, were er wider von seiner gerechtigkeit, weliche im das recht zueigent, gefallen und das lehengut dem herrn mit eigenschaft und nutzbarkeit heimgangen, vermant und zugestelt.

Und alles zweifelsone, wiewol aus dem mutwilligen aufschreiben Wolfen von Herbstets das recht vermut, das er seiner dreuen, die er euer Gn. als der lehenman umb das lehen pflichtig, vergessen und widerwertiges ubet, das do nach lehensubung dolo et fraudalentur genennet wirdet, so ist er on alle mittel vom lehen gefallen, ursachen und zuvoran, dieweil ime euer Gn. weder vor reten oder mannen, wie es sich geburt, nach art seines spruchs, ob er den zu euer Gn. oder den iren zu haben vermeint, gehabt, nie rechtes versagt, und mochten sich euer Gn. der lehen allein auf der arglistigen und verdeckten, mutwilligen aufschreibung, die do anzeigt und dunkel zu verstehen gibt, das Wolf von Herbstet gegen euern Gn. und den iren, die zu beschedigen, willens ist, underwinden.

So aber durch die gelerten und andere weltleuftige, auch durch mein aynfelt bewegen, nachdem das lehen in seiner begreifung, was ime anhengig oder incorporirt, nicht allein euer Gn., sundern andern Hh. zum teyle zustendig, damit dan aus vorgemeltem nichtigem gebrauch kein disputation, als ob euer Gn. zu frue gehandelt, gemacht werden moge und die andern Hh., Herbstetter oder seine anhenger glimpf oder ursachen schopfen mochten, ist endlich der beslus, das euer Gn. ire lehenmanne, die paris curie sint, nidersetzen, zu dem lehengut clagen mit anzeigung des aufschreibens, mit meldung der lehenrecht, worumb solichs euer Gn. heimgegangen, wie oben zum teile darvon gemeldet, und Herbstetter darzu verkünden lassen. Wirt er dann komen und solich gut vertreten wollen, solle gehort werden. Aber bey den gelerten und verstendigen, auch in mir als ungelerten wurde kein ursach funden, die ime einichen behelf gebe, das er soliches zu tun gehabt, sey darumb vom lehen gefallen. Bleybt er aber aus, so wird ime sunders zweifels aus seiner ungehorsam das lehen verteilt, und mogen solichs euer Gn. zu irem teyle einnemen, selbst behalten oder, wo sie des nit bedorfen, einem andern geben oder leihen. Das vor allen dingen on erkantnus des rechten nicht volligen stand haben kan noch mag. So aber dits, wie obgeschriben, geschicht, hat nymant kein ursach, mit euer Gn. darumb zu zürnen oder Herbstetter einiche hilfe oder beystand gegen euer Gn. zu tun.

Mich bedunkt aber, euer Gn. und die rete hetten umb soliche leichtfertige sachen, darumb die pflugpauern das recht oder ubung der lehen wissen, wo der man sich der lehenpflicht widert und nicht tun wolle, das er darumb vom lehen falle, wie dan das an euer Gn. lehengericht neulich zu Meynberg gesprochen. Darumb dunkt mich spottlich sein, albeg die gelerten in solichen fellen zu fragen. Si würden sich, wo es vil gescheg, bey euer Gn. und iren reten wenig verstandes vermuten. Das wollen mir euer Gn. im besten halten. Ich mayns gut.

Müssen euer Gn. dis itzunder annemen, das zum allerwenigsten keinen nachteyl, sunder einen merklichen grossen vorteyl und eingang euer Gn., forter zu handeln, glimpf und fug gibt bey der ksl. Mt. und allen andern, den glimpf, recht und was dawider gehandelt, mit gutem grunde dester bas verhindert und euer Gn. bestand, recht zu haben und ine, euer Gn. unrecht [zu] tun, zugemessen werden mag.

[4.] Auch, gn. F. und H., hat mir der durchleuchtig, hochgeborn F., H. Casimir, Mgf. zu Brandenburg etc., mein gn. H., ein schrift, von mein gnst. und gn. Hh. von Sachsen an sein Gn. ausgangen, in welicher sie die handlung zwischen ine und euer Gn. abschreiben, welichermaß euer Gn. solichs vernemen mogen, ubergeben [liegt nicht vor]. Wo das euer Gn. gefalsam, deucht mich gut, das sich euer Gn. an ksl. Mt. schriftlich beclagten, weliches bedrangs in von den Ff. von Sachsen aufgelegt und wiewol euer ftl. Gn. vor Ff. und iren reten, als nemlich Bamberg und Brandenburg, mit ine gehandelt und denselbigen ir gerechtigkeit und grund angezeigt hette, doch solichs nichts anderst gewurkt, dan das Sachsen auf irem bedrang bestunden. So dann die irrung ksl. Mt. eigentumb und euer Gn. lehen [betrifft], damit euer Gn. solichs unbillichen anfechtens ledig stund, das ir Mt. solicher handel fur sich [nehme], dan euer Gn. nicht zimlich an keinem andern enden dann vor seiner ksl. Mt. als dem rechten, ordenlichen richter und lehenherren zu tagleisten oder verrechten gebürt oder wo es ir Mt. hinweist, des ir Mt. auf das allerhochst zu bitten. So hoffte ich, commissari zu erlangen, das den Ff. von Sachsen stillstand und ausserhalb des rechtens bis zu derselbigen endung ernstlich geboten würde. Und so die sache also anhengig gemacht, hetten euer Gn. mit berkwerken und allem dinge desto freyher zu handeln und dem Ks. in alle wege zu fortel.

[5.] Auch, gn. H., von euer Gn. wegen ist mir die session im rate und stande in der kirchen, wie den euer Gn. vormals gehabt, eingeben und von ksl. Mt., das zu tun, dem marschalg [Ulrich von Pappenheim] bevohelen worden.

Weliches alles, wie euer ftl. Gn. dis hirinne und in eingelegten zetteln selbst zu bewegen, han ich euer ftl. Gn. als meinem gn. H., welichem ich mich in underteniger gehorsam vleyssiger dinst zu tun schuldig weys und ganz williglich erpeut, die Gott in gluckseiliger gesundheit, loblichem regiment langwerig enthalt, gedreuer, guter meynung nicht verhalten wollen. Datum Trier an freitag nach dem sontage jubilate Ao. etc. duodecimo.

Anmerkungen

1
 In seiner Vollmacht für Adam von Schaumberg vom 17. März 1512 (mitwochen nach dem sontage oculi) erklärte Gf. Wilhelm, er habe ein am 27. Februar 1512 in Frankfurt ausgefertigtes ksl. Mandat erhalten mit der Aufforderung, zum Ks. und zur Reichsversammlung zu kommen (vgl. Nr. 940). Da er derzeit aus merklicher ehaft verhindert sei, selbst zu reisen, beauftrage er seinen Hofmeister Adam von Schaumberg, vor der Reichsversammlung zu erscheinen und in seinem Namen zu handeln. Meiningen, StA, GHA, Sektion II, Nr. 19, fol. 139a u. b, Konz.