Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Schädliches Handeln des Papstes im Zusammenwirken mit Venedig zum Nachteil von Ks. und Reich, innerkirchliche Mißstände; [2.] Ansetzung eines Konzils durch den Ks. und den Kg. von Frankreich, erfolgreiches militärisches Vorgehen gegen ihre Widersacher anstelle der Durchführung eines Reichstags; [3.] Mangelnde Unterstützung dieser Bemühungen durch die Reichsstände; [4.] Anberaumung eines Reichstags für den 16. Oktober in Augsburg; [5.] Aufforderung zur Teilnahme, Entschlossenheit zu eigener Beteiligung.

Innsbruck, 20. Juli 1511

Orig. Druck m. S. ( p.r.p.s.; a.m.d.i.p.; der Name des jeweiligen Empfängers ist in eine freigelassene Lücke eingefügt): Esslingen, StadtA, Reichsstadt, Fasz. 283 RTA 1512, o. Fol.; München, HStA, Hst. Freising Kasten blau 200/10, o. Fol. (an Bf. N. (= Philipp) von Freising); Duisburg, LandesA, Jülich-Berg I Nr. 202, fol. 20 (an Hg. Wilhelm IV. von Jülich-Berg); Hannover, HStA, Celle Br. 15 Nr. 46, fol. 22-23 (an Hg. Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel; Präs.vermerk: Receptum ahm dage nativitatis Marie virginis Ao. etc. XIo [8.9.11.]); Meiningen, StA, GHA, Sektion I Nr. 1574, fol. 109 (an Gf. Wilhelm von Henneberg-Schleusingen); Koblenz, LHA, Abt. 29 A Nr. 980 (an Gf. Johann von Manderscheid); Augsburg, StadtA, Literalien Selekt Ks. Maximilian I. Fasz. IV, o. Fol. (an Augsburg); Augsburg, StA, Rst. Nördlingen, MüB 991, Prod. 17 (an Nördlingen; Präs.vermerk: Praesentirt Hansen Sporer, Bm., durch ain jungen von Heßberg uf donrstag St. Afrentag 1511 [7.8.11]); Straßburg, AM, AA 335, fol. 3 (an Straßburg; Präs.vermerk: Praesentatum quarta post Laurenti [13.8.11]).

[1.] Wir, Maximilian etc., empieten unsern und des Reichs lb. getreuen N. Bm. und rate der stat Esslingen unser gnad und alles gut. Wiewol wir neulich hievor euch und andern stenden des Reichs durch unsere ausschreiben [Nr. 763] klärlich erzelt die unrechtlich, gewaltig entwerung und beswärung, so die hl. kirchen, auch wir, das röm. Reich, Kgr. Neapols und Hgt. Mayland lange iar her von den Venedigern getragen und gedult zusambt irer irrung, anfechtung und beschedigung, die sy uns in unserm iungst fürgenomen romzug ungeursacht bewisen, darumb wir uns damals in krieg gegen inen einlassen müssen, solhen krieg auch darnach auf ervordern und gepot der Bäbstlichen Hlkt. neben im und unsern lb. pruedern, den Kgg. zu Frankreich und Aragon, in craft unser aller confederation und pundnus1 gefuert. Als aber der Babst, sopald er seinen willen erlangt, nit alain die Venediger von dem pan absolviert, sein hilf von uns gezogen und der confederation und pundnus nit mer gemäß gehandelt, das im doch nach vermügen der confederation und puntnus nit gezimbt, sonder sich zu mererm unfueg zu den Venedigern parteyt und inen wider uns und unser confederation und pundsverwandten, auch ander unser und derselben confederation und pundnus zuegehörigen sein vermüglich hilf und beystand zuegesetzt und uns und dieselben anfangs merklich angefochten, beswärt und gesmächt, wie er sich auch iungst in der guetlichen handlung, darein er uns durch sein hoch ersuechen vermügt, gegen unserm F., dem Bf. von Gurk, und andern unsern treffenlichen räten, über das wir uns mer dann zuvil gediemuetigt und begeben haben, so schimpflicher, ungegründter mittel merken lassen.2 Das uns, dem hl. Reich und allen Teutschen (wo wir darein bewilligt) nit alain zu verachtung, verlust und zunichten geraicht hette, sonder auch in erwegung unserer ansprüch und gerechtigkaiten, darzu bisher erlittner mue, costen und darlegen und gegen dem, das wir uns in der guetlichen handlung, wie vor angezaigt ist, umb fridens und rue willen so vil genaigt und begeben haben, zu erparmen wär. Darbey wir auch euch und andern stenden mer fürgehalten haben die unordnung und unwesen der cristenlichen kirchen regiments und den merklichen schatz, so den Bäbsten am maysten aus dem hl. Reich und teutscher nation verfolgt, zusambt den treffenlichen almusen, land und leuten, die inen von weylend unsern vorfordern am Reich gegönt, zuegelassen und gegeben, auch etlicher massen betruglich durch sy selbs eingezogen sein. Das alles zu hilf wider die unglaubigen und zu friden und rue der hl. kirchen und cristenhait gepraucht werden solt. Wie unfruchtpar aber das angelegt werde, mag meniglich wol wissen.

[2.] In bedacht des alles wir uns auf ersuechen und anruefen etlicher cardinäl, die unsers bedenkens durch den Hl. Gaist darzu geraitzt sein, zusambt unserm lb. prueder, dem Kg. zu Frankreich, der das auch für not betracht und erwegen hat, ains gemainen concili entslossen [vgl. Nr. 770 Anm. 3]. Und dieweil wir sorg gehabt haben, als sich auch erscheint, das Babst Julius dawider streben und, dasselb zu verhindern, den Venedigern wie bisher anhangen und beysteen, deshalben aus not gegen im und inen mit dem schwert fürter fürgenomen werden mueß. Darzu dann unser lb. prueder, der Kg. zu Frankreich, bisher geschickt gewest und noch ist. Darauf auch wir uns beworben, die Kff., Ff. und stend des Reichs auf den ersten tag Aprilis nechstverschinen, auch nachmals durch das obberürt unser iungst ausschreiben aufs ernstlichist umb hilf ersuecht und ermant und darbey under anderm angezaigt haben ursachen, derhalben die sach den verzug ains reichstags, darauf wir zu Augspurg abschid genomen hetten, nit erleiden möcht, dann sich desselben mals der Babst mit den Venedigern merklich gesterkt und zu veld gerüst hetten. Denen auch unser prueder von Frankreich mit treffenlicher macht begegnet, also das die sach auf der wag gestanden und zu besorgen gewest ist, solte der Babst und Venediger unserm prueder von Frankreich obgesigt haben, was nachtails und beschwärd nit alain im, sonder auch nachvolgend uns, dem hl. Reich und teutscher nation daraus zu gewarten gewest wärn. Aber der Allmächtig hat uns und sein lieb mit dem sig, wie wir den stenden des Reichs nechst durch unsere beybrief [Nr. 765] verkündt und nu meniglich wissen haben mag, begnadt. Darnach auch unser prueder von Frankreich die statt Bononi (wiewol sy der kirchen zuegehört) erlangt und zu seinem und unserm willen pracht hat, aber nit der maynung, der kirchen die zu entziehen, sonder das wir die zeit unserer kriegsübung schadens und nachtails von den veinden daraus gesichert seyen.

[3.] So sein doch solh vor und yetz erzelt unser und des hl. Reichs, auch teutscher nation und gemainer cristenhait treffenliche fürnemen, obligen und geschäft durch die stend des Reichs wenig bedacht, sonder unsers bedunkens mer veracht und wir mit hilf und beystand bisher verlassen, das nit alain uns, dem hl. Reich und teutscher nation zu erlangen dasien[ige], so uns und dem hl. Reich zuegehört, schad- und ungewinlich, sonder auch gegen unsern confederaten und pundsverwandten, den Kgg. zu Frankreich und Aragon, und allen menschen schimpflich ist und nit unpillich abgenomen wirdet, so wir Teutschen in solhen gueten zuestenden, darin uns der sig und das glück vor der tür ligen, also seumig erscheinen, wie wir uns dann zu sachen, die uns gefärlich und beswärlich vorsteen solten, schicken wurden. Wir künden auch nit gedenken, warfür wir solhs achten oder wie wir die stend des Reichs höher und dermassen, das sy bewegt werden möchten, ermanen solten. Ob vileicht wir das glück gegen inen nit haben, so solt doch zu betrachten sein, das Got solher schedlichen versaumnus mißfallen tragen und etwa erscheinen lassen möcht, das in künftig zeit ain ungefell uns, dem Reich und teutscher nation unträglicher und unleidlicher, dann so yetzo mit ernst und tapferkait darzu getan wurd, daraus entsteen und erwachsen möcht.

[4.] Nu, wie dem allem, so wellen wir der stend des Reichs hilf und zuezug auf unser iungst ermanung und gepot noch gewarten, uns der gnädiglich und vertraulich versehen und getrösten und auf hoffnung derselben, auch unserer erblichen land, leut und aigen camerguets sambt unserer lb. prueder confederaten und pundsverwandten hilf, darmit wir den swären krieg in merklichem, unzalparem costen dannocht bisher getragen und underhalten, dieselben auch yetzo von neuem bewegt und aufpracht haben, nit nachlassen, uns den veinden, dahin wir yetzo auf dem zug sein, nähern und understeen, inen, wo wir sy betreten, abzuprechen. Dieweil aber das glück synwel [= unbeständig] ist, dardurch der krieg vileicht über unsern pesten vleis disen zug nit ausgetragen, sonder sich noch weiter anhengen und in ain harr ziehen möcht, dasselb und darzu das fürgenomen concili zu notturft gemainer cristenhait bestand, guten regiments, ordnung und wesens, wie dann ir und ander stend hienachadurch ain sonder schreiben [nicht ergangen] vernemen werden, und ander des hl. Reichs und teutscher nation obligen und notturften zu bedenken, zu beratslagen, zu sliessen und zu erstatten, auch in craft und vermügen unsers abschids zu Augspurg [Nr. 125 [14.]], so haben wir uns ains reichstags entslossen, den wir euch und andern stenden des Reichs hiemit ansetzen und benennen, nemblich auf St. Gallen, den 16. tag Octobris nechstkünftig, in unser und des Reichs statt Augspurg.

[5.] Und ermanen euch abermals auf höchst, so ir als ain glid der hl. cristenlichen kirchen uns und dem Reich verwandt seyt, mit ernst gepitend und wellen, das ir unangesehen aller ursachen und geschäft durch euer volmächtig ratspotschaft auf dem yetzbestimbten tag zu Augspurg erscheinet und alda uns und andern Kff., Ff. und stenden alle vor und yetz erzelt der cristenhait, darzu unser und des hl. Reichs und teutscher nation obligen, geprechen und notturften ernstlich zu bedenken, zu ratslagen, zu schliessen und zu erstatten verhelfet. Mittler zeit wir uns befleissen, dise gegenwürtige unsere kriegsgeschäft wider die veind, ob Gott will, dermassen zu stellen, das wir solhen tag mit unser person auch besuchen. Wo wir aber derselben zeit ye mit dem krieg so hart behaft sein wurden, so wellen wir doch unser treffenlich, volmächtig räte hinaus verordnen und unser vermügen, leibs und guets noch nit sparn, der cristenhait, dem hl. Reich und teutscher nation zu behaltung [und] merung ruen [= Ruhe], ern und guetem, die doch ir und ander stende und verwandten sowol als wir wie unser aller aigen sach und mer zu betrachten und zu fürdern pflichtig und schuldig sein. Darumb so wellet kainswegs aussen pleiben und auf unser person (ob wir des kriegs halben nit kumen möchten) noch auf ander nit waygern oder verziehen, sonder euch die sach, als ob sy euer alain wär, anligen lassen, wie ungezweifelt ander auch tuen werden. Dardurch ir verzug des tags kain ursach seyt, auch vil uncosten, so zu fruchtparer aufrichtung der hendel wol dienen möchten, verhuet und erspart werden. Dess wellen wir uns zusambt euer hilf auf unser vorberürt iungst ausgegangen aufpot [Nr. 763] gnädiglich versehen, und ir tuet daran unser ernstliche maynung und gefallen. Geben in unser statt Innsprugg am 20. tag des monets Julii Ao. domini 1511, unserer reiche des röm. im 26. und des hungerischen im 22. jarn.

Anmerkungen

1
 Gemeint ist die Liga von Cambrai vom 10. Dezember 1508.
2
 Dies bezieht sich auf die Verhandlungen Matthäus Langs mit Papst Julius II. in Bologna im April 1511. Vgl. Sallaberger, Matthäus Lang, S. 76.
a
 Handschriftlich in eine freigelassene Lücke eingefügt.