Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Durchführung mehrerer Treffen EB Albrechts, Kf. Ludwigs von der Pfalz, Landgf. Philipps von Hessen und anderer zur Beratung über die geplante Vertreibung der Juden aus dem Erzstift Mainz; ksl. Verbot des Vorhabens; [2.] Plan einer schriftlichen Verpflichtung aller Beteiligten auf dem Mainzer Reichstag zur Judenvertreibung; [3.] Vorschlag zu einer Bitte an den Ks. um Verzicht auf seine Rechte an den Juden; [4.] Verzicht auf durch Belehnung, Verpfändung oder Kauf erlangte Juden; [5.] Verpflichtung zur Vertreibung auch aller anderen Juden; [6.] Festlegung des Termins für die Bekanntgabe des Vertreibungstermins an die Juden.

Frankfurt a. M., IfStG, Reichssachen I Nr. 2379, fol. 43a–45a, Kop. (auf dem Deckblatt fol. 42a: Meim gnst. H. von Menz dorch Dr. Adamen [Schönwetter] nit in namen eins erbarn rats [von Frankfurt a. M.], sonder von seynet wegen freytag noch divisionis apostolorum Ao. etc. decimoseptimo [17.7.17] uberantwort).

Erwähnung: Andernacht, Regesten, Nr. 4113.

/43a/ Instruction uf vorige handelung, die juden aus dem stiefte zu Menz zu vertreiben, in massen, wie hie nochfolget2

[1.] Wiewol durch unser gnst. und gn. Hh. EB [Albrecht] zu Menz, Pfalzgf. [Ludwig] bey Rein und Landgf. [Philipp] zu Hessen mitsampt den Gff., Hh., stedten, schlossen und edelleuten, so juden haben und in stiefte zu Menz sitzende, Ao. etc. XVI zwuschen weyenachten [25.12.15] und fastnach [4.2.16] etlich durch ire rete, etlich selbste zu Frankenfurt zum Predigern [= Dominikanerkloster] erschienen sein und allen stenden solich gotlich werk furgehalten ist worden, die dan gemeinlich ein ufschopf und bedenken [genommen haben], iren gnst. und gn. Hh. und freunden furzubrengen und uf einen andern tag zu erscheynen, weyter zu handeln.3 Welcher tag in der vasten desselben jars angesetzt ist worden4, und derselben zeit gemeinlich alle stende wider erschienen und sich vereiniget, das ein iglicher, so juden hait, sein ankunft und titel denselben juden uf einen andern tag, noch ostern [23.3.16] angesatzt, anzeigen soll. Dermassen auch von allen stenden derselbe abscheid genomen worden, aber [der Tag ist verhindert worden] durch ein ksl. mandat, so die onselige juden in mitteler zeit erlangt und den stenden verkunden lassen haben, in solicher sachen stillzustehen, als ob genante stende one willen und wissen ksl. /43b/ Mt. die juden vertreiben wollten.5 Das dan die onwarheit und der stende meynung nihe gewest ist, wie dan aus nochfolgender instruction genugsam verstanden wird.

[2.] Darumb, in angefangender sachen weiter zu handeln, ist vor guet angesehen, das anfenglich alle obgemelte stende, so juden im stiefte zu Menz haben, uf des hl. Reichs tag, so itzunt zu Menz gehalten wird, derhalber durch mein gnst. H. von Menz erfordert wurden, uf einen benanten tag zu erscheynen und uf demselben tag sich zu vereinigen und zu verpflichten, das sie alle willens seyen, die juden zu vertreiben und nümmermeher ufzunemen, mit verpflichtigung vor sich und ire nochkommen und erben eins penefals, den andern zu bezalen, wo einer nochfolgens wider solich vereinigung und pflicht handeln wurde. Und nichtsdestminder solt die einigung gehalten und dorch bezalung der pene niemant erlediget werden, wie dan solich vereinigung und verpflichtigung weiter ausgestreckt mag werden.

Item das ein iglicher uf solichen angesatzten tag seinen titel und ankunft den juden anzeigen sall, ursach, wie hienachfolget.

[3.] Und so sich obgemelte stende solicher verpflichtigung vereiniget und zu halten verpflichtet hetten, dweil /44a/ dan gemeinlich die juden von einem röm. Ks., etlich zu lehen, etliche in pfandsweise oder kaufsweise vom Reich herkommen, also das ksl. Mt. den eigentumb derselben juden hat und obgemelte stende die lehenschafte, kauf oder pfandschaft haben, so ist geratschlagt, das obgemelte stende uf dem itzigen reichstag zu Menz dorch ein botschaft oder supplication ksl. Mt. anbrengen lassen, wie sie sich uf verwilligung und vergunstigung irer Mt. verwilliget und verpflicht haben, die juden im stiefte zu Menz zu vertreiben, aber solichs one irer Mt. verwilligung nit tun mogen oder wollen, angesehen, das dieselben juden gemeinlich lehen oder pfandschafte sein von irer Mt. Darumb bitten obgemelte stende, das ksl. Mt. auf solich lehenschaft, kauf und pfandschaft verzeihen [= verzichten] woll, diejenen, so die juden zu lehen, pfandschaft oder kauf inhaben, solicher lehenschafte oder pfandschaft, auch aller pflicht derhalber ledig geben, auch denselben stenden, so juden im stiefte Menz haben, die freyheit geben, das ire Mt. oder irer Mt. nochkommen zu ewigen tagen an dieselben ende oder auch andere ende im stiefte zu Menz kein andere juden setzen oder auch zu lehen verleyhen oder in pfandschaftsweise geben oder verkaufen sollen, sonder genanter /44b/ stiefte Menz in allen stetten, schlossen und andern flecken, wie die im stiefte gelegen sein, solicher juden zu ewigen tagen vertragen und ledig sein sollen. Und ob etwas dagegen erlangt oder auch von freyem willen gegeben wurde, das solichs alles kraftlos und nichtig sein soll, und wo solichs in kunftigen zeiten mit der dat oder aus vergeß geschehen wurde, das alsdan in alle wege dieselben juden in aller pflicht stehen sollten gegen denjenen, do sie hiengesatzt wurden, in welchen pflichten sie itzunt stehen und solichs noch notturft genugsam zu versiegeln mit willen der Kff., wie dan ein supplication an ksl. Mt. weiter gestelt mag werden.

[4.] Ob auch unser gnst. H. von Menz oder einiger Gf. oder H., auch andere aus obgemelten stenden etliche juden dergleichen, die ein röm. Ks. zu lehen verliehen oder in pfandschafts- oder kaufsweise ymants versetzt [hat], hetten, so sollen dieselben auch, wie gemelt, uf solich lehenschaft und pfandschaft verzeihen oder diejenen, so die zu lehen oder pfandschaft hetten, auch solicher lehenschaft und pfandschaft ledig sein. Dergleichen sollen auch diejenen, so lehenschaft, kauf oder pfandschaft haben, auf ir lehenschaft, kauf und pfandschaft verzeihen.

[5.] /45a/ Dweil aber etliche aus obgemelten stenden oder aber auch sonst sondere person vom adel etliche juden aufgenomen hetten oder inen gegeben weren oder sich selbste an sie ergeben hetten und doch in lehen-, kaufs- oder pfandschaftsweise nit inhaben, dieselben, soviel im stiefte zu Menz erfunden werden, sollen dermassen dieselben juden auch zu vertreiben schuldig sein.

[6.] So dan obgenante stende mit unserm gnst. H. von Menz sich dermassen vereiniget und von ksl. Mt., wie gemelt, verwilligung, verzeig [= Verzicht] und freyheit erlangt hetten, so mocht man alsdan etliche aus den stenden an ein ort verorden, daselbst ratzuschlagen und beschliessen, den juden ein benant zeit anzusetzen, das sie mit denjenen, so sie zu schicken hetten, in derselben zeit ire rechenschafte beschliessen, want nach solichem angesetzten tag wolt man sie im stiefte nit lenger halten, sonder welcher jude darafter erfunden wurde, wolt man demselben alle sein narung nehmen und armen leuten umb Gottes willen geben oder denjenen, davon sie solchs erwuchert hetten.

Anmerkungen

1
 Auf dieses Stück beziehen sich folgende Einträge im Frankfurter Ratschlagungsprotokoll bzw. im Bürgermeisterbuch, aus denen sich seine Datierung erschließt: 13.7.17 (feria secunda in die Margarethe virginis tredecima Julii Ao. etc. XVcXVII) […]: Als Dr. Adam [Schönwetter] ein instruction gestelt, wie die juden im stieft zu Menz zu vertreiben syen, und die unserm gnst. H. von Menz zu behanden willens ist, die uberlieberung bescheen lassen, doch mit dem zusatz, wo in künftigen zeiten von röm. Kss. oder Kgg. juden alhere gesetzt würden, das alsdann dieselben juden dem rat on alle mittel, wie dann die itzigen, zusteen sollen. Frankfurt a. M., IfStG, Ratschlagungsprotokoll 1510–1517, fol. 5a u. b. – 23.7.17 (quinta post Marie Magdalene): Die instruction, so Dr. Adam unserm gnst. H. von Menze der juden halber uf fritag nach divisionis apostolorum [17.7.17] uberantwort, beruhen lassen. Ebd., Bürgermeisterbücher 1517, fol. 42a. Regest: Andernacht, Regesten, Nr. 4113. – 11.8.17. (feria tercia post Laurentii): […]: Als Dr. Adam unserm gnst. H. von Menz etlich verzeichnus, die juden zu vertriben, ubergeben, sin ftl. Gn. daran manen. Ebd., fol. 48a. Regest: Andernacht, Regesten, Nr. 4113.
2
 Zum Verlauf und zu den Hintergründen der hier thematisierten Bestrebungen, die im Erzstift Mainz ansässigen Juden zu vertreiben, vgl. ausführlich Maimon, Judenvertreibungsversuch sowie die knappen Bemerkungen bei Laux, Gravamen, S. 48f.
3
 Zu den Ergebnissen des Frankfurter Tages am 8./9. Januar 1516 vgl. Maimon, Judenvertreibungsversuch, S. 194–202.
4
 Der zweite Frankfurter Tag war für den 12. Februar 1516 anberaumt. Regest des Abschieds: Andernacht, Regesten, Nr. 4035. Vgl. Maimon, Judenvertreibungsversuch, S. 207f.
5
 Das ksl. Mandat erging am 29. Januar 1516. Vgl. ebd., S. 205.