Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

A  Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 394 Nr. 149 Bd. 1, unfol. (dt. Übersetzung).

B  Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 394 Nr. 149 Bd. 1, unfol. (lat. Fassung, Kop.).

C  Marburg StA, PA 1379, fol. 6r–8r und fol. 49r–56v (Konz., teils lat., teils dt. Übersetzung, Fragm.).

Sein aKanzler hat Granvelle über die Tätlichkeiten Hg. Heinrichs von Braunschweig gegen die Stadt Braunschweig unterrichtet. Da dieser Konflikt letztlich in den religiösen Gegensätzen begründet ist, können der Kf. von Sachsen und die anderen Stände der Augsburger Konfession schwerlich tatenlos zusehen. Sie haben deshalb für den Notfall eine Hilfe für die Stadt Braunschweig beschlossen. Es besteht die akute Gefahr einer weitgreifenden Eskalation dieses Konfliktes. Dies ist nicht zuletzt im Hinblick auf den bevorstehenden Reichstag bedenklich. Granvelle und der Kaiser können leicht abnehmen, dass bei Fortdauer dieses Konfliktes der Kf. von Sachsen und andere Stände den Reichstag nicht persönlich besuchen können, auch wenn sie das begehrte Geleit erhalten. Dan kain vornunpftiger, der einen offenen krieg hinderumb in der nahe wuste und derwegen seine lande in farhe sitzen sehe oder besorgete, wurde das seine leichtlich vorlassen und frombden sachen, ob auch dem gemeinen nutz vil daran gelegen, obligen.

Granvelle möge dafür Sorge tragen, dass der Kaiser Hg. Heinrich befiehlt, seine Tätlichkeiten gegen Braunschweig einzustellen und seine religiös begründeten Beschwerden gegen die Stadt im Rahmen der bevorstehenden Religionsverhandlungen behandeln zu lassen. Dadurch würde Granvelle die Religionssache nicht wenig fördern. Wenn solcher Stillstand im braunschweigischen Konflikt nicht gelingt, dürfte kaum Hoffnung auf einen erfolgreichen Verlauf und Abschluss des bevorstehenden Reichstages bestehen. Der Kaiser würde seine Ziele dann nicht erreichen.

Das ander, so unser cantzler in bevehl gehapt, ist diß, nemlich das er euere herrlichkeit aufs vleyssigst erinnern solt, das dieselbte den vleyß furwenden und es durch ir ansehen, welchs groß ist, dahin bringen wolt, damit die achten, so wieder die stedt Goßlar und Minden durchs cammergericht erkandt, desgleichen auch die andern proceß, so die religion oder andere darauß herfliessende sachen belangen, abgeschaft oder aber, so solchs gentzlich nicht geschehen kondt, das inen doch mitlerweil, bis solche sachen aufm reychstage furgenohmen und beratschlagt wurden, auch etzliche monat nach endung des reichstags anstandt, inen auch sicherheit und gleyt, sich dahin zu begeben, daselbst zu sein und wiederumb in ir gewarsam ze kohmen, gegeben werden mocht, ungeacht der vermeinten, zuerkanten achten und anders, welchs, so es euere herrlichkeit also außrichten und zu wegen bringen werden, wirdet solchs sonder zweivel Gott dem almechtigen wolgefallen und es euerer herrlichkeit im gantzen röm. reich, auch in der gantzen christenheit, welcher es ein sehr nutzlich, notig ding ist, zu eynem ewigen lob und ruhm gedeien, wie wir es dan fur unser person kegen euere herrlichkeit, sonderlich aber die röm. ksl. Mt. nach unserm vermuegen verdienen wollen, sonder zweivel die andern fursten und stende, unserer religion und verstendtnuß verwanth, ja auch des kegentheils fursten und stende, so gemeiner sachen gunstig sein, werden solchs von euerer herrlichkeit mit danckbarem gemuet vorstehen und aufnehmen. So werden sich auch unsers verhoffens unsere mitverwanthe, soviel an inen ist, aller gepur und pillikeyt wissen zu ertzaigen. So nuhn solchs also, wie zuvor gesagt, außgericht und ze wegen bracht wirdet, wie wir dan hoffen, das euere herrlichkeit dasselbig thuen werden, so wollen wir an uns auch zu aller gepur nicht mangel sein lassen. Wollen uns auch auf vorgemelten reichstag zu gepurlicher und bequemer zeyt verfuegen und daselbst treulich und vleyssig alles, was wir mit Gott und guetem gewissen thuen konnen, furdern und außrichten. Got bewahr euere herrlichkeit. Die wolle unser in allem, so wir ir zu danck erzeigen konnen, brauchen als eins freundes. Euere herrlichkeit wolle uns auch, aufs schierst es geschehen kan, ksl. Mt. gemuet und meinung dieser sachen halben zu erkennen geben, damit wir dest fuglicher und bequemer die hulf, so denen von Braunschweygk mit reutern und fußvolgk gethan werden soll, auftziehen und wir und andere fursten und stende dest eher zu vorgemeltem reichstag kohmen muegen. Geben zu Mardtpurgk, den ersten tag Februarij anno etc. 41.

[PS:] Nach vorfertigung dieser schrift ist uns ein schreiben des hochgebornen fursten, unsers freundlichen, lieben vettern und bruders, H. Johanssen Friderichen Hg. zu Sachssen und Kf. etc., den angesetzten reichstag belangende1, zukohmen, darinnen sein L. uns heimstellet, aufn vhall, do die schwelenden irrungen zwischen Hg. Heinrichen von Braunschweyg und der stadt Braunschweygk nicht beygelegt, auch die keyserliche acht wieder die stadt Goßlar dergestalt, wie wir euerer herrlichkeit in dieser schrift zu erkennen gegeben und unser cantzler mit euerer herrlichkeit, dergleichen mit dem H. de Prato abgeredt haben wirdet, nicht abgeschaft werden konten, ob sein L. mit uns auf den reichstag ziehen solt oder nicht. Darauß wir vermercken und der zuvorsicht sein, wo die sachen, davon wir in diesen schriften meldung gethan, ein guten außgang und ende erlangten, das seine L. konten bewegt werden, mit uns auf den reichstag ze kohmen, derwegen, do itzt gedachte irrungen und gebrechen, die stadt Goßlar und Braunschweigk belangende, auf die weyse, wie gebeten und wir auch verhoffen, beigelegt, desgleichen gnantem Kf. zu Sachssenn etc. das sonderliche geleyt in der form und gestalt wie uns, nemlich, das seinen L. auch gleich uns mocht freistehen, wen dieselb wolten oder es sonst ir gelegenheit were, hinwegzutziehen und sich wiederumb in ir gewarsam zu verfuegen, gegeben werden mocht, konten seine L. darzue bewegt werden, das sie mit uns auf den reichstag kemen. Dieweyl uns aber unser cantzler angetzeygt, euere herrlichkeit hetten inen von wegen ksl. Mt. vertrostet, das sein Mt. gedachtem Kf. zu Sachssen das sonderlich geleyt gleych dem unsern fur sein person, hofgesindt und gueter auch gnediglich geben und mitteilen wolt, wiewol sie dasselbig dergestalt allen stenden schwerlich wiederfahren lassen wurden, derhalb, ob seiner L. secretarius Crafto gemelt sonderlich geleyt fur seine L. nicht gefordert oder bekohmen hett, so bitten wir fur unser person, euere herrlichkeit wolten unbeschwerdt seiner L. solchs in gleicher form und maß, wie das unsere gestelt oder nach gestelt werden soll, vorfertigen lassen und dasselbig ubersenden, so wollen wir es seiner L. alspaldt ferner auch zuschicken oder, do genanter secretarius Craft nach [= noch] am keiserlichen hof were und umb solch geleyt anregte, euere herrlichkeit wolten ime dasselbige, seinem hern ferner zutzebringen, zustellen.

So haben wir auch ferner von genantem Kf. zu Sachssen etc. vernohmen, das Hg. Heinrich von Braunschweygk im wergk und furhabens sein solle drey schmehebuchlein eines wieder inen, den churfursten, das ander wieder uns, das dritte wieder die von Braunschweygk ze machen und dieselbigen auf dem kunftigen reichstage außgehen ze lassen. Wiewoll wir aber wieder den hertzogen selbst noch seine schandt- und schmehbucher, so gantz erticht und unerfindtlich, sehr furchten, sondern dieselbigen mit ehren, grundt und warheit wol wiederlegen konnen, so hat doch der churfurst als ein verstendiger das bedencken, do solche bucher auf werendem reichstage solten außgehen, das sie alle handlungen, so datzumahl sollen furgenohmen werden, hindern wurden. Dann so sie offendtlich außgingen, so wolt unser ehren notturft erfordern, das wir auf dieselbigen wiederumb antwort geben, darzue wir dann unserer furnehmen räthe, sonderlich der, so gelert und im latein geschickt sein, bedurftig. So wolt es auch die notturft erheyschen, das wir die sachen eigener person furnehmen, welchs, so es geschehe, wie konten wir dann gemeiner religion und des hl. röm. reichs sachen obliegen. Derhalb wurde solchs zu den kunftigen handlungen ein groß verhinderniß und zerruttung sein. Wo nuhn euere herrlichkeit in gleichniß auch bedencken werden, das solche schmebucher, wen sie auf den reichstag außgiengen, nicht allein gemeinen handlungen verhinderlich sein, sondern auch ferner zwispalts und unfrieden ursach sein wurden, so kan euere herrlichkeit nach irer weyßheyt und vorstande, dadurch sie alle sachen wol außrichten, es wol dahin richten, das mit denselbigen bis nach endung des reichstags vertzogen werde. So werden wir vielleicht von beden theiln besser weyl haben, solchem getzenck obtzusein. Oder so der von Braunschweygk etwas wieder uns ze clagen hat, so mag er daselbige offentlich fur ksl. Mt. oder den andern stenden des reichs mundtlich thuen. So soll ime antwort, wie er werd ist und allen unparteischen gnugsam und gefellig sein solle, bekohmen. Hiemit dem almechtigen abermals bevohlen und euere herrlichkeit wolt unbeschwerdt uns wieder nach notturft aller sachen, so wir furhaben, aufs erst beantworten2.

Anmerkungen

a
 Die in C auf fol. 6r voraufgehende, fragmentarische Passage bezieht sich auf den Fortgang der Verhandlungen über das Geleit der Dienerschaft des Kf. von Sachsen und des hessischen Kanzlers.
1
  Kf. Johann Friedrich von Sachsen an Lgf. Philipp von Hessen, Lochau, 1541 Januar 26, vgl. Anm. 4 zu Nr. 455.
2
 Vgl. auch Lgf. Philipp von Hessen an Granvelle, o. Ort, o. Datum [1541 Januar?], Marburg StA, PA 1379, fol. 15r–15v (Kop., lat. Fragm.): Atque obsequium nostrum semper paratum, illustris ac magnifice domine. Retulit ad nos cancellarius noster Joannes Ficinus litteras illustris dominationis vestrae ad nos scriptas, quibus clementissimum animum et voluntatem s[acratissimae] caesareae maiestatis erga communem pacem et privatim erga nos satis dilucide intelleximus accepimusque ab eo scriptum quoddam manu cuiusdam caesarei secretarii [Nave?] dicti subsignatum sigilloque imperatoriae maiestatis munitum, quod inter caetera continet, quo pacto nos in plenam gratiam sacratissimae maiestatis caesareae, si eiusmodi scripti sententia nobis placuerit, recepti essemus et quod posthac de imperatore nostro clementissimo omnem gratiam atque favorem nobis polliceri possimus. Ex quibus omnibus propensissimam vestram erga nos voluntatem videlicet nobis bene faciendi plane perspeximus. Habemus igitur gratias illustri dominationi vestrae quam maximas promittentes, ut, si ulla in re eidem obsequi possumus, nos id nimie detracturos. Cupimus amicitiam inter nos conciliatam modis omnibus fore stabilem diuturnam. Vidimus igitur praedictum scriptum ad nos misum, cuius iam memivimus, et quanquam in eo aliqua sunt, quae clarius explicata cuperemus pleraque addenda essent ad rem magis declarandum, ita quod iure merito hoc scriptum sic inter imperatoriam maiestatem et nos ineundum ea qua deceret reverentia deprecari fortassis non dedeceret, sed perpendentes ea, quae praedictus cancellarius noster de summa benignitate atque benevolentia s[acratissimi] imperatoris, qua nos complectitur, exposuit et quod successu temporum ea conciliatio crescere atque augeri possit et valeat et sic confisi de praedicta s[acratissmi] imperatoris benevolentia atque integritate noluimus officio nostro deesse, scilicet ut deprecaremur ea quae ad communem pacem atque tranquillitatem tum etiam ad rem nostram non nihil profutura viderentur, etiamsi pleraque sint, quae in hoc scripto clarius explicari addique desideremus, spe ducti quod ea, quae declaranda vel deesse viderentur, posthac facile atque honeste explicari addique possent. Immo existimamus plus fore bene voluntati et constantiae imperatoriae maiestatis quam ullis scriptis cum omnia sinceriter et bona fide agantur et in substancia illius scripti [... ...?]complectantur tribuendum esse, nihil omnino diffidentes, quod si, ut speramus, s[acratissima] maiestas sua propensam nostram erga eandem, erga sacrum Rhomanum imperium communemque pacem et omne id, quod e re totius reipublicae christianae esse poterit, voluntatem cognoverit, sicuti haud dubie, quantum cum Deo et salva conscientia fieri poterit, cognitura est, quod non solum ea, quae in hoc scripto declaranda vel addenda forent, declarari atque addi dignabitur, verum etiam longe maiore gratia nos sit prosequutura, confisi igitur de summa imperatoriae maiestatis clementia tum etiam de bona voluntate illustris dominationis vestrae erga nos non voluimus. Bricht hier ab.