Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Weimar HStA, EGA, Reg. E 150, fol. 373r–381v, hier fol. 373rv und fol. 380r–381v (Kop.); DV fol. 381v: Kuntschaften aus Hungern des Turggens halber, dern in dieser schrift gedacht und die darin angezogen worden, vom sechsten und sibendn Februarij 1542 [!].

B Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol- 504r–522v, hier fol. 512r–514v (Kop.).

C Hannover NLA, Hild. Br. 1, Nr. 80, fol. 320r–334v, hier fol. 321r–323v (Kop.); AS fol. 320r: Variae et diversae explorationes und künscaftbreiffe [!] und scrift, von wegen der kgl. Mt. den stenden des Reichs die 7. et 8.1 mensis Martij anno etc. 43 vorgetragen und vorgehalten etc. de adventu Turcarum imperatoris in Ungariam ad proximum mensem Aprilis et futurum ver et deinde in Austriam.

D Frankfurt ISG, RTA 53, fol. 73r–75v (Kop.); DV fol. 75v: Khuntschaften allerley.

E Nürnberg StA, Fürstentum Ansbach, RTA 23, fol. 240r–241v (Kop.).

Die Kundschafterberichte stammen von Jan. und Febr. 1543 und sind zum größten Teil in Latein abgefasst. Hier wird nur der deutschsprachige Auszug aus Berichten vom 6., 7. und 9. Febr. 1543 abgedruckt, den der Landeshauptmann der niederösterreichischen Länder, Hans Ungnad, an Kg. Ferdinand sandte. Die lateinischen und deutschen Schreiben über das Herannahen des Sultans und seines gewaltigen Heeres sollten den Reichsständen die dringende Notwendigkeit der Türkenhilfe vor Augen führen.

[373rv] Auszug der kuntschaften, so der herr niderösterreichisch stathalter vom sechsten und sibendten Februarij der röm. kgl. Mt. zugeschriben hat:

Das vor wenig tagen 6000 Turggen in windisch landt gefallen und das dieselben nach laut der kuntschaften und der Turggen sag, so dazumals von bemelts herrn stathalters und des bans in Krabaten [= Kroatien] und windisch landt pferdtn gefangen worden, entlich willens gwest sein, auf das Traafeldt[= Draufeld]2 und von dannen gen Agram zu straiffen und dieselb gegent bis in das landt Steyr zu verwuesten, daran sy aber maistes tails der groß schnee und kelten verhindert hat.

Weiter zaigt er an, das alle kuntschaften, so ime von etlichen herrn in windisch landt zuekhomben, dahin lautten, das aus des turggischen kaysers ernstlichem bevelh der wassa [= Pascha]3 in Wossen [= Bosnien] und der Murat weg [= Bey]4 auf den yetz angeenden frueling, und sopald es immer des schnee und wetters halben beschehen khan, die land Steyr und Crain uberziehen, verhören [= verheeren], die uberblibnen uskokhen5 heben und wegfuren wolle. Und ist zu besorgen, es werde der gemain man an den gränitzen aus den unbewarten fleckhen zeitlich anfahen zu verfliehen.

Zudem bringen alle khundtschaften mit sich, das der turgghisch kayser numals sein kriegvolkh auf Hungern anzutziehen gewislich geordendt hab, die wassa zu Ofen und Essegg ansehlich zu besterckhen, in Hungern und in den niderösterreichischen landen die profant abtzustrickhen und das arm christlich volkh hinzufuren und sonderlich die Hungern mit solhem eylenden anzug ime anhengig und gehorsam zu machen. So sagen auch alle gefangen Turggen, so taglich an den gränitzen gefangen werden, das die wassa all ir thuen dahin gericht, damit sy ainen straifzug uber den andern thuen und den niderosterreichischen landen khain rast noch rue lassen, wie dann der wassa in Ofen auf der andern seitten gleicherweis zu thuen in uebung ist und jungstlich in seinem straif auf Erla etlich tausent menschen weggefuert hat.

[380r] Aus Georgen Warkotsch, haubtmans zu Stuelweissenburg, schreiben, den neunten Februarij ausgangen:

Zaigt in bemeltem schreiben an, das der kgl. Mt. haimlicher kuntschafter zu Ofen zu ime khomben und zu versteen geben, das sich die Turggen in Ofen und Pest allain von der profant, so erstlich von irem kayser hinein verordendt worden, enthalten, dann dieweil sich die Thonaw gestossen [= zugefroren], khunne inen diser zeit beschwärlich die profant zuekhomben. So sollen sy auch vast vil kalchsa[= Kalk] bey dem warmen pad und derselben orten umb Ofen in den gewelben haben und noch taglich prennen, denselben zu der bevestigung, so mit erster gelegenhait der zeit auf St. Gerhartsperg angefangen werden soll, zu gebrauchen.

Der kassu-beg6 soll sich besamblen und seinen straifzug auf Funffkirchen und derselben orten zu thuen vorhabens sein. [380v] So seye beyligender brief7, an den kassum-beg lauttendt, bey seinen dienern, so von den heidoggen [= Heiducken, Freischärler] erlegt, funden worden, daraus des turggischen kaysers personlichen ankhunft halber lautere kuntschaft verstanden werden.

Es sollen auch die zu Ofen aigentlich entschlossen sein, so sich die Thonaw stoßt [= zufriert] und sy ire wagen uberbringen mugen, die vorstet zu Stuelweissenburg zu verprennen, also das der Turgg an kainem ort numer feyern wirdet.

Kuntschaften sollen ime noch von andern orten täglich khomben, aber sovil hab er bisher kuntschaft, das der Turgg in aigner person auf yetzkhunftigen St. Georgentag [1543 April 23] zu Kriechischen Weissenburg [= Belgrad] ankhomen soll. Hab auch yetzt zwen neu hauffen gen Ofen vorangeschikht, in mainung, zu derselben zeit als vil muglich sich umb stett und schlosser anzenemben und mitlerweil ain andere grosse anzal roß auf dem gras zu lassen, damit dieselben nach verendrung [381r] seines vorhabens auch braucht mugen werden. Es soll auch pruder Georgen [Martinuzzi] und Petern Petrowitsch geschriben haben, ime von Temeschwar und derselben orten zu bemeltem tag profant entgegen zu schigkhen. Solhes ist durch N. frundt ainen, so ain turggisch schloß in verwarung hat, dem N. zuegeschriben worden8.

Anmerkungen

1
Das von Bf. Valentin von Tetleben angegebene Verlesedatum des 7. und 8. März scheint irrig zu sein, da in allen anderen Überlieferungen das Datum 6./7. März aufscheint.
2
Draufeld oder Pettauer Feld: ebene Landschaft in der Untersteiermark, rechts und links der Drau.
3
Statthalter einer osmanischen Großprovinz, Titel der höchsten Zivil- und Militärbeamten im Osmanischen Reich.
4
Murat Bey Tardić: in Kroatien geborener Befehlshaber der türkischen Streitkräfte; türkischer Bey im Sandschak von Poszega in Slawonien.
5
Militärisch organisierter Verband von meist kroatischen oder serbischen Flüchtlingen, die aus den osmanisch besetzten Gebieten des Balkans stammten.
a
In D irrtümlich: kriegsvolck.
6
Türkischer Militärbefehlshaber in Ungarn.
7
Lateinische Beilage.
8
Nach Verlesung der alarmierenden „Neuen Zeitungen“ über das Vorrücken des türkischen Heeres ließ Kg. Ferdinand die Reichsstände durch Naves und Gienger nochmals mit aller Dringlichkeit auffordern, über die Türkenhilfe zu beraten. Das schilderte Konrad Junge dem Bf. von Speyer am freitags nach Letare [1543 März 9]: [...] Und noch verlesenen zeitungen haben die kgl. Mt. durch irer Mt. vicecantzler und den Naves laßen anzeigen: Diewil uß dem erschain des Turcken endlich furhaben, das die stende wollen gemains vatterlandts teutscher nation wolefart bedencken und daruf pitten lassen, das die stende wollen alle andere sachen zuruckstellen und uf ir Mt. proposition, wie dem bosen veindt widderstant bescheen moge, zu vollenfaren. Hieruf sich die stende bedacht mit hertzlichem mitleiden der beschwerungen, so die zeitungen inhalten, und geantwort: Nachdem die protestirenden bitz anher vor erledigong etlicher puncten nit in rath gewolt noch handeln helfen wollen, sie [= sei] solhs die verhinderung. Darumb so pitten die stende ire Mt. und die ksl. commissarien, sie dahin zu vermogen, damit man das groß werck ainhellliglichen rathsam beratschlagen moge. Und so das in eynem tag oder zwen nit solt bescheen, weren doch die gehorsamen stende des christlichen gemuts, das werck anzufahen und darvon zu reden; also und bei dissem beruhet es noch. Heut mocht man horen, ob mit den protestierenden abgehandelt; sye sindt die tag uber des konigs schriften gesessen und erstrecken sich die sachen in grosse disputation. So heut etwas euer fstl. Gn. zu wissen vonnoten furfelt, wil ichs euer fstl. Gn. auch schreiben. [...] In: Straßburg AM, AA 503, fol. 165r–167v, hier fol. 165v–166r (Ausf. v.d.Hd. Junges).