Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Stuttgart HStA, A 262, Bd. 23, fol. 485r–491v (Kop.); AS fol. 485r: Cristenlicher verain gesandten rethe schreiben an di röm. ksl. Mt. fridens, rechtens und der turckenhilf halben außgegangen. Nurnnberg 1543.

Es haben unsere gnedigste, gnedige herrn und obern uns zu disem alhie gehaltnen reichstage abgevertigt, von allem dem, das in disen beswerlichen, sorglichen zeiten gemeiner cristenheit und sonderlich der teutschen nation zu nutz und wolfart dienlich und inen immer muglich und treglich, zu ratslagen und zu schliessen.

Und wiewol wir uns mer dann ainmal alhie erbotten, mit den andern stenden von demselben gemeinen obligen, und furnemlich von den zwaien zu der hilf wider den Turcken notwendigen puncten friedens und rechtens und volgendts auch von gemelter hilf zu handlen, so haben wir doch zu solhem, ungeachtet das es in gemeinem rathe der chur- und fursten durch das mer beslossen, auß weigerung und absonderung der andern stende nit komen noch also ir beratslagte hilf und darauf gemachten abschiede annemen, bewilligen und leisten mogen.

Damit nun euer ksl. Mt. vernemen, das solhe weigerung von uns auß dhainer ungehorsam, sonder gegrundten, bestendigen und unvermeidlichen ursachen beschehen, so bitten euer ksl. Mt. wir allerunderthenigist, dieselben gnedigst und unbeswerdt anzuhoren.

Und erstlich so wissen sich euer ksl. Mt. gnedigist zu erinnern, welhermassen auf dem nechstvergangen regenspurgischen reichstage [1541] von allen stenden des Reichs in beratslagung der beharlichen hilf wider den Turcken vor allen dingen di erledigung beeder artickel bestendigs friedens und gleichmessigs rechtens also fur nottwendig angesehen, das, wo di nicht aufgerichtet, ain jeder stand billich beswerdt haben wurd, sich in solhe beharrliche hilf einzulassen, darauf dann auch der abschied [RTA JR Bd. XI, Nr. 941] daselbst gemacht und unser gnedigst, gnedig herrn und obern denselben auf gegeben euer ksl. Mt. declaration [RTA JR Bd. XI, Nr. 949] angenomen und bewilligt. Und das volgendts ein reichstage zu Speir gehalten und furgenomen. Als aber auf demselben solher obgemelter zwaier artickel fridens und rechtens halber allerlai disputation hin und wider eingefallen, so haben di röm. kgl. Mt., unser allergnedister her, und euer ksl. Mt. verordneten commissarien solhe irrung und disputation durch gegeben urkundt und versicherung [RTA JR Bd. XII, Nr. 148] abgewandt, darauf auch volgendts di hilf wider den Turcken von unser gnedigsten, gnedigen hern und obern bewilligt und geleist worden, der hoffnung und zuversicht, es solt darauf bestendiger frid und di vertrost visitation und reformation als vorbereitung zu gleichmessigem rechten nach inhalt und vermoge euer ksl. Mt. zu Regenspurg gegeben declaration, auch hochgedachter kgl. Mt. und euer ksl. Mt. comissarien urkundt gevolgt sein.

Es hat sich aber nach endung desselben speirischen reichstags ferner zugetragen, das nit allain di aufgerichten fridstende ungleich außgelegt und in mißverstand gezogen, sonder das auch die vertrost visitation und reformation des ksl. camergerichts verbliben und in wirckliche volnziehung nicht komen. Darauß ervolgt ist, das di personen des cammergerichts gegen unsern gnedigsten, gnedigen hern und obern vil beswerlicher dann zuvor mit processen furgefaren und sich also understanden, sie in prophan- sowol als in religionsachen so heftig zu besweren, das sie aus getrungener, unvermeidlicher notturft zu verkomung solher nachteilliger proceß verursacht worden, diselben personen zu recusiren, doch mit der protestation, das sie durch solhe recusation di rechte und ware euer ksl. Mt. jurisdiction und ordenlichen gewalt in dhainen weg angefochten noch also euer ksl. Mt. an irer reputation, di andern stende des Reichs an irer gerechtigkeit noch auch die personen des camergerichts an iren eren verletzt haben wollten.

Und dieweil wir uns dann fridens und rechtens halben vorgehorter massen besweret erfunden, sein wir ferner aus unvermeidlicher nottuft bewegt und verursacht worden, auf disem alhie gehaltenem reichstage bei röm. kgl. Mt., auch euer ksl. Mt. commissarien, dergleichen auch bei den andern stenden zu erledigung solher mängel und wircklicher aufrichtung fridens und rechtens underthenigklich, dienstlich und vleissig anzusuchen.

Darauf und nach viler derhalb gepflogener schriftlicher und mundtlicher handlung haben sich di kgl. Mt. und euer ksl. Mt. commissarien under anderm mit gnedigster antwort vernemen lassen, das der friden, dergleichen auch die visitation und reformation des camergerichts auf euer ksl. Mt. regenspurgische declaration, der kgl. Mt. und euer ksl. Mt. commisarien speirische urkundt und versicherung furgenomen, verstanden und gedeutet werden solle. Nachdem aber solher der kgl. Mt. und der commissarien furslag und antwort an die andern stend gelangt und darunder von irer kgl. Mt. und commissarien vil zeit, vleiß, muew und arbait zu erlangung derselben zugebracht, so hat doch solhs bei inen, den andern stenden, dhain volge gewinnen noch erhalten werden mögen, sonder haben sich solhem billichen der kgl. Mt. und commissarien furschlag widersetzt, euer ksl. Mt. declaration, dieweil sie vermerckht, das das wormisch edict [1521] und der augspurgisch abschiede [1530] durch dieselb declaration gemiltert, dhain statt geben noch dieselb in den abschied zu setzen verwilligen wollen.

Dieweil sich aber unsere gnedigst, gnedig hern und obern nicht allein solher euer ksl. Mt. declaration und kgl. Mt. urkunden nicht zu begeben, sonder auch dieselb in ainichen zweifel oder andere ungewißheit mitnichten fieren zu lassen wissen und dann der andern stende contradiction solher declaration halb offentlich vermerckht, haben wir nit erachten konnen, das unsere gnedigsten, gnedigen hern und obern sich ainichs bestendigs fridens und gleichmessigen rechtens versehen mogen.

Und wiewol sich di kgl. Mt. und euer ksl. Mt. commissarien zu ainer nebenversicherung und erstattung solher mengel und beswerung erbotten, so hat doch unsern gnedigsten, gnedigen herren und obern damit nit mogen geholfen werden, dann zwischen euer ksl. und der kgl. Mtt. und unsern gnedigsten, gnedigen herren und obern ist gottlob frides und rechtens halber dhain streit und inen derhalben euer ksl. und der kgl. Mtt. weittere versicherung oder assecuration von unnotten, sonder di irrung fridens und rechtens halber ist zwuschen beederseits stenden des Reichs und mangelt under anderm, wie vorgehört, an dem, das die andern stend berurter declaration und urkundt, durch welhe frid und ruewhen mogen erhalten werden, nit stattgeben, dieselben auch in dem abschiede nit dulden wollen, zudem das das ksl. camergericht solher declaration nicht achtet, sonder stracks auf den buchstaben der abschiede verharret und furgeet. Darumb so wurden sie auch onegezweifelt solher ietzt angebottener nebenversicherung weniger dann voriger declaration, dieweil der regenspurgisch abeschid euer ksl. Mt. declaration zu thun zulasst, volge thun.

Nichtsdestoweniger aber und one erledigt unser beswerung haben sich di andern stende in handlung und berattschlagung der hilf wider den Turcken, auch fridens und rechtens halben eingelassen, darinnen ane unser wissen geschlossen. Und obwoll etlich mittel frides und rechtens halben darinn begriffen, so seint sie doch disputierlich und also gestellt, das wir uns nit versehen mogen, das solhe mittel zu gleichem verstant, auch zu bestendigem friden und rechten dienen mogen. Zudem das dieselb hilf wider den Turcken auf di vorigen ungleichen alte anslage, dero sich der merer theil der stende vormaln oft beswerdt und darauf vilveltige zusage erlangt, das sie one vorgeende ringerung dieselben zu leisten nit mer schuldig sein sollten, gestelt, alles der nottel, so auf jungstgehaltnem reichstag zu Regenspurg der beharlichen hilf halben beslossen [RTA JR Bd. XI, Nr. 204], zuwider, in welhem under anderm lautter versehen, das ain gleichmessiger anslag gemacht sollt werden, darinnen dhain stand des anslags oder anders halben sich mit billicheit zu besweren haben moge. Auch zuwider dem nechstgehaltnem speirischen abschiede, welcher clar vermag, das diese beharrliche hilf nit auf di alten reichsanslage, welher sich der merer theil stende beswerdt, deren vergleichung auch also in eil nit zu finden und, ob sie schon gefunden, doch beswerlich sein wolt, diese hilf allain auf di reichsstend zu slagen etc., sonder auf ander wege, damit dhain stand vor dem andern beswerdt wurde, inhalt desselben speirischen abschiedts furgenomen sollt werden.

Und ob schon der andern stende jetz hie gemachter abschiede zu der ringerung hoffnung gibt, so ist doch di form und maß zu ainem gleichmessigen anschlag also undienstlich gestellt, das dardurch di hievorige ungleicheit nit allain nit hingenomen, sonder vil mer und weiter eingefurt wurdet. Dardurch dann vil auß unsern gnedigsten, gnedigen herrn und obern, obschon di artickel fridens und rechtens notturftigclich resolvirt worden weren, solher ungleichen ansleg halb zum hochsten beswerdt, wie dann eben auß solher beswerung vil andere mer stend, geistlich und weltlich, den hieigen abschiede nicht angenomen, sonder dawider protestiert.

Da wir nun zu der beratslagung gelassen, hetten wir nach der leng und stattlich ausfieren und anzeigen mogen und weren auch willig gewest, mit und neben den andern stenden auf andere und solhe gleichmessige wege helfen zu gedencken, damit solhe hilf sovil dester fruchtbarlicher von allen stenden gemeinlich hett könnden geleistet werden.

Dem allem nach bitten euer ksl. Mt. wir underthenigist, das sie unsere jetzt dargethane gegrundte und stattliche ursachen, aus welchen uns bestendiger friden und gleichmessig rechten mangelt, und das wir aus manglung derselben volgendts auch zu beratslagung, bewilligung und leistung der turckenhilf nit komen, auch der andern stende one unser wissen und mitberatschlagung gemachten abschiedts nicht annemen mogen, fur gnugsam achten, uns und zuvorderst unsere gnedigste, gnedige hern und obern in dem allem allergnedigst entschuldigt halten, auch solch ir grosse notdurft zu dhainer ungehorsam versteen. Und ob sie und wir bei euer ksl. Mt. anderst eingebildt oder eingetragen wurden, demselben dhainen glauben zu geben noch inen und uns dhainen unglimpf zuzuweisen, mit dem underthenigisten erbietten, da ire chur- und fstl. Gnn. und sie bestendigs fridens und gleichmessig rechtens inhalt ires alhie oft furgewendten schriftlichen und mundtlichen bittens und ersuchens der andern stend halb versichert und di anslag auf di so oft zugesagt gleicheit gericht, darumb sie dann auch euer ksl. Mt. umb befurderung und erlangung desselben underthenigst ersuchen, das alsdann ain laistung muglicher, treglicher und gleichmessiger hilf und sonst allem anderm, das zu nutz und wolfart teutscher nation dienlich, an inen als gehorsame mitglider des Reichs dhain mangel erscheinen soll.

Und thun euer ksl. Mt. unsere gnedigste, gnedige herrn und obern und uns etc.a

Anmerkungen

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Über die beiden Schreiben der Schmalkaldener an den Kaiser wurde vom Ausschuss am 23. April beraten,  am 25. April wurde der Text vor den Bundesständen verlesen. Siehe dazu das CA-Protokoll der württembergischen Gesandten zum 23. April (Nr. 84b, fol. 21v) und das CA-Protokoll Lambs zum 25. April (Nr. 86c, fol. 257v). Schließlich entschied man sich, die Briefe nicht im Namen aller Schmalkaldener von Nürnberg aus an den Kaiser zu senden, sondern sie im Namen und mit dem Siegel der Bundeshauptleute ausfertigen zu lassen.
a
Hier endet der Text.