Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 537r–542v (Kop. mit Beilagen); AV fol. 542v (v.d.Hd. Dr. Jakob Jonas’): Chamerrichter und beisitzere des ksl. chamergerichts schreiben. Lectum in consiliio statuum 28. Februarij anno etc. 43.

B München HStA, KBÄA 3159, fol. 87r–92r (Kop.); AV fol. 87r: Actum ultima Februarij [28. Febr.] anno etc. 43.

C Düsseldorf HStA, Jülich-Berg II 2275, fol. 158r–169r (Kop.); AS fol. 158r: Johansen Gf. zu Montfort etc. cammerrichters und der beisitzer ksl. cammergerichts schreiben an die stend zu Nurmberg versamlet geschehen. AV fol. 159r: Lectum 27. Feb.

D Amberg StA, Reichssachen, Prod. 21, unfol. (Kop.).

E Hannover NLA, Hild. Br. 1, Nr. 80, fol. 72r–78v (Kop. mit Beilagen fol. 79r–89v); AS fol. 72r: Camerrichters und beysitzer supplication an die stende des Reichs, sich zu entschuldighen jeghen den protestyrenden stenden ne amoveantur nisi auditi et convicti etc. In gleycher gestaldt eyne supplication auch ubergeben der kgl. Mt. und den ksl. commissarien etc. mith etlichen nebenschriften2. Marg. AV fol. 73r: Geschrieben zu Normberg, die 26. Februarij.

Liste der Beilagen 1–7 am Ende des Aktenstücks.

In den Reichsabschieden von Regensburg 1541 (RTA JR Bd. XI, Nr. 941, §§ 33–39) und Speyer 1542 (Nr. 285, §§ 132–135) verpflichteten sich die Reichsstände zur Aufrechterhaltung des Reichskammergerichts und zu seiner Finanzierung für drei Jahre. Im Vertrauen auf diese Zusagen übte das Reichskammergericht seine Tätigkeit weiter aus3. Die für 16. Juni 1542 angesetzte Visitation des Gerichts wurde vom Kaiser bis zu seiner Ankuft im Reich suspendiert. Der Protest der evangelischen Visitatoren gegen die Suspension, die von manchen protestantischen Ständen praktizierte Weigerung der weiteren Finanzierung des nicht reformierten Gerichts und das gerichtliche Vorgehen gegen die Schmalkaldener wegen des braunschweigischen Feldzugs führten schließlich am 4. Dez. 1542 zur Rekusation des Reichskammergerichts durch die protestantischen Reichsstände in allen geistlichen und weltlichen Angelegenheiten4, wie die beigelegten Aktenkopien zeigen

Kammerrichter und Beisitzer weisen die im Rekusationslibell durch die evangelischen Reichsstände erhobenen Vorwürfe gegen das Reichskammergericht aufs schärfste zurück.

Nun ist aber anfengclichs euern kfl., fstl. Gnn., Gnn. und Gg. unverborgen, das wir uns nit (wie uns dann weitter zugemessen) selbst zu richtern und urteilern eingedrungen oder ufgeworfen, sonder das wir alle sampt und sonder durch die röm. ksl. und kgl. Mtt., unsere allergnedigiste hern, auch euere kfl., fstl. Gnn., Gnn. und Gg. ordenlicher weiß vermoge und inhalt des Hl. Reichs ordnung dahin presentirt, geordnet und der justicien im Hl. Reich furgesatzt, auch durch berurte des Hl. Reichs ordnung uns zum hochsten eingebunden, unsern emptern außzuwarten, das gericht und recht in seinem wesen und stracken lauf zu erhalten, welche ordnung auch biß hieheer ungeendert in iren creften blieben. So ist auch zudem durch die ksl. und kgl. Mtt. neben euern kfl., fstl. Gnn., Gnn. und Gg. dem zuwider (unsers wissens) nit allain nichts statuirt und geordnet, sonder haben ir Mtt. unß mermals muntlich und schriftlich bevolhen, auch durch die iren bevelhen lassen, unsern embtern furhin wie bißheer außzuwarten, menigclichem im Reich in irer Mtt. namen, wie sich gepurt, recht und gerechtigkeit mitzutailen und das gericht in keinen stilstand kommen, auch uns keinswegs zu einem ufstand bewegen zu lossen. Uff welche obbemelte des Reichs ordnung und abschid, auch der ksl. und kgl. Mtt. vilfeltige beschehen begeren und genedigiste erinnerung (deren wir uns dann zu gehorsamen schuldig erkennen), auch sonst aus undertheniger naigung, die wir zu unserm vatterland, dem Reich teutscher nacion, tragen und in sonderhait gemeinem nutz zugutem und damit durch verlossung des gerichts und rechtes im Reich zu weitter unruhe den beschwerten parteyen billiche ursachen nit gegeben werden, haben wir bißheer als verordnete und unwiderrufte richter und urteiler nit voneinander weichen, sonder ongeachtet allerhand beschwerden, so uns darob zugestanden, unsern bevolhenen emptern außwarten sollen.

Das aber nun die angesetzt visitacion iren furgang nit erraicht, daran sein wir nit schuldig, ist auch one alles unser zuthun und verursachen geschehen, dann die bestendig warheit, das wir ye und alwegen der visitacion zum höchsten begert, umb dieselbigen uff jungst zu Speir gehaltenem reichstag (wie dann ungezweifelt euer kfl., fstl. Gnn., Gnn. und Gg. sich wol wissen zu erinnern), vilfeltigclich supplicirt und zum embsigisten angehalten, wie wir dann noch heutigs tags dieselbig wol leiden und gern sehen wolten, das sie einmal vermoge der abschid inß werck bracht wurde, ongezweifelter hoffnung, wir wolten alßdann neben andern des gerichts und unserer personen anligen aller unser handlungen solchen bestendigen, warhaften bericht thun, das nicht allain euer kfl., fstl. Gnn., Gnn. und Gg. daran gesettigt, sonder auch die clagende parteyen selbst spuren solten, das sie uns mit irem anziehen und beschuldigen ungutlich und zuvil gethan und durch diejenen, die inen solches wider uns mit ungrund eingebildet, verfuret worden.

Der von den Protestanten erhobene Vorwurf der Parteilichkeit des Gerichts schadet nicht nur dem Gerichtspersonal, sondern der höchsten Gerichtsbarkeit im Reich und wird vor den Reichsständen vehement zurückgewiesen.

Und sagen demnach, das uns an allen und yden oberzelten und dergleichen stucken, so uns unerfintlicher weiß zugemessen, ungutlich und unrecht geschehe, das sich auch zu ewigen tagen nymmer erfinden soll, das wir in einer oder mehr sachen parteilich, gefarlich oder in ander wege anderst, dann frommen, gerechten richtern geburt, auch wir unserer pflichten und bevolhenen empter halben schuldig, gehandelt haben. Und wie wir uns ye und alwegen erbotten, also sein wir noch urbutig, aller unser handelung gepurlicher und ordenlicher weiß rechenschaft, rede und antwort zu geben und gegen dem ungegrunten beschuldigen unsere unschuld und gegrundte entschuldigung darzutun. Wollen uns auch solches unsers ytzt und hievor vilfeltigen beschehen erbietenß und angebottener veranwortung gegen euer kfl., fstl. Gnn., Gnn. und Gg. und sonst allermenigclich hiemit offentlich bezeugt, auch solch unser erbieten den reichsactis einzuverleiben underthenigclichen gebeten haben.

Ihre Ämter am Reichskammergericht erhielten Kammerrichter und Beisitzer laut Recht und Ordnung und sie üben diese gemäß ksl. Befehl aus, auch verwehrten sie sich nie gegen eine Visitation des Gerichts. Deshalb legen sie Protest ein, dass man ihnen ohne jegliches Verschulden ihre versprochene Bezahlung vorenthält. Dardurch wir dann an unserm sauern erdienten lidlon [= Dienstlohn] (der uns numehr in das vierdt quartal und also beynahe ein gantz jar unbezalt außsteet) wider alle recht und billicheit ufgehalten und derhalben mit uberflussigen processen und erkantnus zu mergclicher verhinderunge anderer rechthengigen sachen beladen werden, haben euer kfl., fstl. Gnn., Gnn. und Gg. leichtlich abzunemen, zu was grosem, unleidlichem nachteil und beschwerden dem gericht und unsern personen das alles raichet. Das auch zuletst (wo nit gepurlichs einsehens geschehen solt) kein ehrlibender lenger da bleiben oder kunftigclichen dahin zu vermögen sein wurd, wie dann auch eins graven und sonst sechs beysitzerstend ein zeit lang ledig gestanden, welche auch bißheer durch ordenliche presentacion oder auch durch uns von ampts wegen angeregter ursachen halben nit widerumb versehen und ersetzt werden mögen.

Derhalben langt an euer kfl., fstl. Gnn., Gnn. und Gg. unser underthenigist, underthenig, vleissig bit, sy wöllen neben der kgl. Mt., auch den ksl. commissarien, denen wir gleicher gestalt sollich unser anligen zu erkennen geben, die genedigiste, genedige, gunstige fursehung thun, damit die höchst ksl. jurisdiction im Hl. Reich bey gepurlicher authoritet, reputacion und ansehen bleiben, das gericht sein stracken lauf behalten, dasselbig und wir sollicher untreglichen beschwerden erledigt, auch uff yemands ansuchen oder verclagen unser unverhört nit weitter wider die billicheit beschwert, sonder bey unsern vilfeltigen, erbarn und billichen erbieten gelossen und gehandthabt werden. Das auch zu dem allem die bewilligt underhaltung bey allen stenden richtig gemacht und unß on lenger ufhalten gevolgt werde, damit wir also (soferr und lang wir und unser yder an diesem gericht sein werden) der justicien geruigclich, unverletzt und unverhindert außwarten mögen.

Datum.

[US:] Euer kfl., fstl. Gnn., Gnn. und Gg. underthenigiste, undertenige und willige Johans, Gf. zu Montfort, auch Gf. und H. zu Rottenfels, chamerrichter, und die beisitzer ksl. chammergerichts.

Beilagen: alle aus Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1.

1. fol. 544r–547r (Kop.): Copia instrumenti protestationis visitatorum ex parte statuum protestantium deputatorum, Schweinfurt, 1542 Nov. 13.

2. fol. 548r–552v (Kop.): Copia instrumenti protestationis visitatorum, Speyer, 1542 Juni 25.

3. fol. 553r–554v (Kop.): Deklaration Karls V. zum Reichsabschied für die Protestanten, Regensburg, 1541 Juli 29, gedr. RTA JR Bd. XI, Nr. 949.

4. fol. 556r–558v (Kop.): Deklaration Kg. Ferdinands zum Reichsabschied für die Protestanten, Speyer, 1542 April 10, gedr. RTA JR Bd. XII, Nr. 148.

5. fol. 559r–561v (Kop.): Mündliche Handlung der Visitation des Reichskammergerichts, Speyer, 1542 Juni 26.

6. fol. 563r–568v (Kop.): Lgf. Philipp von Hessen an Kammerrichter und Beisitzer des Reichskammergerichts, Holzminden, 1542 Donnerstag nach Jacobi (Juli 26).

7. fol. 569r–580v (Kop.): Libell der Rekusation des Reichskammergerichts durch die Protestanten, o.D. (übergeben Speyer, 1542 Dez. 4).

Anmerkungen

1
Zur Verlesung und Abschrift der Supplikation finden sich in den Protokollen verschiedene Datumsangaben. Die Abschrift des umfangreichen Aktenstücks und der Beilagen benötigte offenbar mehrere Tage. Siehe dazu das Würzburger Protokoll (Nr. 81, fol. 10r) und das pfalz-neuburgische Protokoll (Nr. 82, fol. 10v).
2
Die Supplikation wurde mutatis mutandis auch an Kg. Ferdinand und die ksl. Kommissare übergeben.
3
Sowohl in Regensburg (RTA JR Bd. XI, Nr. 329) als auch in Speyer (RTA JR Bd. XII, Nr. 271) beschwerten sich die Angehörigen des RKG über die feindselige und verleumderische Haltung der Protestanten dem Gericht und seinen Verfahren gegenüber.
4
Die Empörung Kursachsens und Hessens gegen das „parteiische“ RKG, welches die Schmalkaldener trotz Rekusation mit Achtpozessen wegen des braunschweigischen Feldzugs bedrohte, kam in verschiedenen Schreiben der Bundeshauptleute an die evangelischen Reichsstände zum Ausdruck. Diese wurden gebeten, ihren Räte in Nürnberg zu befehlen, die Visitation und Reformation des RKG und die Absetzung der verdächtigen Richter gemeinsam mit den Schmalkaldenern zu fordern, wie aus dem kursächsisch-hessischen Schreiben an Mgf. Georg von Brandenburg von 1543 sonnabents nach Reminiscere (Febr. 24) hervorgeht: [...] Dann das wir uns sunst sampt mhergedachthen unsern aynungsverwanten vor solichem vordechtigen chamergericht solten einlassen und die doran sitzende personen fur richter erkennen, dodurch entwichen wir nicht allain von unser recusation und protestation, sondern auch von obberurthen regenspurgischen [1541] und speierischen [1542] reichsabschieden und zuvorderst von ksl. Mt. gnedigsten declaration [1541], welchs uns in kaynem wege rathsam noch zu thun sein wolt. Wollen uns derhalben zu eurn L. gantz freuntlich vorsehen, sie werde sich in dem der pilligkait und uns zu freuntschaft guetwillig halten. In: Nürnberg StA, Fürstentum Ansbach, RTA 23, fol. 270r–272v, hier fol. 272r (Ausf.).