Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Karlsruhe GLA, 50/59, Nr. 23, unfol. (Ausf. v.d.Hd. Dr. Marquardts); DV: Praes. 6. April 1543 zu seiner fstl. Gn. selbs handen.

Bestätigt Erhalt des markgräflichen Schreibens vom 20. März1samt den beigelegten Briefen an Dr. Eck und Nicolas de Granvelle.

Entwicklung der Reichsangelegenheiten: Am 21. März 1543 beschlossen die Reichsstände, sich wegen des Krieges zwischen Burgund und Jülich mit der Bitte um Konfliktbeilegung an den König zu wenden. Deshalb sprachen am 22. März Verordnete der Reichsstände bei Kg. Ferdinand vor (Nr. 212); dieser beklagte die Uneinsichtigkeit des Hg. von Jülich, der trotz aller Bemühungen von habsburgischer Seite gütliche Verhandlungen ausschlage. Der König erklärte den Reichsständen seine Bereitschaft zur Friedensvermittlung, wobei er sie an die ksl. Kommissare verwies. Diese sagten auf Bitte der Reichsstände zu, sich mit Kg. Ferdinand beraten zu wollen und den Reichsständen danach Bescheid zu geben.

Am 21. März 1543 übergaben die Gesandten des Bf. von Metz den Reichsständen eine Supplikation mit der Bitte um Abschaffung der Prozesse des Reichsfiskals und Exemtion von den Reichsanlagen (Nr. 108a).

Dornstags [1543 März 22] haben die verordneten by kgl. Mt. um antwurt Gilch belangent angehalten, in ansehung, das zu besorgen, dieweyl beyde theyl im feld gegeneinander ligent, ein wieterer angriff beschehen mochte etc. Darauf ir Mt. antwort geben haben sol, wie oben gmeldet. Daneben wierts begert, das die stende unverhindert der gulchischen sachen vom hauptpuncten der proposition, die turckenhilf belangend, furfaren wollent, dan die hochste not vor den augen moge keynen verzug leyden, glich wi zu Speyr vergangens iar auch beschach. Gulchs ein gesonderte sach, aber turckenhandlung belange die gantz christenheyt und furnemlich die deuths nation. Wo Hungern verlassen, sy Osterich verlorn, darnach Baiern und Schwaben, an die ort der Turck ringer und belder komen moge, dan er vor iarn in Hungern komen sy. Es solten sich alle stende vereinigen und samentlichen widerstand thun dem gemeynen feinde.

Uff den Charfritag, den 23. dits monats, hat der mentzisch cantzler relacion obbeschribner antwurt in gemeynem rath gethan, aber wenig behertziget, namlich die furgesessnen etc. Marquardt brachte in Erfahrung, dass der Kf. von Sachsen, der Lgf. von Hessen und der Hg. von Württemberg von Kg. Ferdinand brieflich ermahnt worden waren, ihre Gesandten in Nürnberg zur Teilnahme an den Beratungen über die Türkenhilfe aufzufordern und die Verhandlungen nicht weiter zu verzögern.

Es hat auch kgl. Mt. nit underlassen, etlich bottschaften, die im reychsratth sich nit glich wollen inlassen, von der hilf wider den Turcken zu berathschlagen, vor und ehe andre puncten und articuln, als nemlich ringerung der anschleg, gericht und recht belangendt, erortert worden, fur ir Mt. erfordert und begert, das sy durch obberurte auszug die vormals bewilligt hilf nit waigern oder verlengern wollent, dern ieder (wie ich bericht byn) uff synes herrn bevelch und instruction sich zogen soll haben. Versehen sich nemlich der geystlichen gesandten, kgl. Mt. werde iren herrn schriben und begern, das sy one allen anhang die beharlich begerte turkenhilf nochmals continuiren helfen etc.

Ich byn uff euer fstl. Gn. bevelch onangefochten bliben und etlichen zufaal [= Zustimmung] gehapt vom badischen und der [Wetterauer] graffen gesandten. Die uff der geystlichen banck synth abgricht, badischer wirt von Dr. Ecken auch uff syn sinn gebracht werden. Und diweyl nun Osterich, Saltzburg, Baier[n], die oben sitzent, dise zeyt hiere befunden, das ir practick nit will durchaus furgang [= Erfolg] haben, so suchen sy trennung zu machen zwischen der augspurgischen confession verwanten. Behalten by inen Hg. Ottheynrichs, Hg. von Gilchs, des Bf. von Munsters und des von Metz gesandten (wiewol dern ein theyl mher der augspurgischen confession und dem Kg. von Franckreych anhengig dan ksl. oder kgl. Mt.), damit sy viel stimen machen konden etc.

Uff den hl. osterabent [1543 März 24] synth die gemeynen stende, gehorsam genant, byeinander gewesen und erfaren wollen, welche die hilf vermog der proposition leysten wollent oder nit. Und habent sich die oben sitzende treffenlich mit raten und schreyen gebraucht, was vormals bewilligt und zugesagt – und in sonderheyt iungst uff gehaltnem reychstag zu Speyr etc., daraus vorgehaltner reychstag alhie gevolgt – in kraft derselben abscheyd alle stende schuldig und pflichtig weren, one allen anhang und condition simpliciter hilf ze thon. Und ob dan wol nichts versprochen, were doch sollich not vor augen, das keyn christ sich mochte entschuldigen, nit zu helfen. Das aber etlich weren, die zum theyl durch ungegrundte auszuge und faul ursachen dits christenlich, loblich, notwendig werck verhinderten; ein theyl uff andre warten wolten, untz bis mit unzertrentem ratth gemeynlichen beschlossen wurde. Das diente zu uffzug der sachen etc. Sie hetten bevelch von iren herren, die begert hilf zu bewilligen, wan wol andere stend nit wolten etc.

Von euer fstl. Gn. wegen hab ich meynen bevelch repetiret, mit wieterer meldung, wie euer fstl. Gn. bys anhär die bewilligt hilf getreulich gelayst, disse uff die innemer und zalmeyster gezogen und nit alleyn ir gut, sonder auch blut und eltesten sone, meynen gnedigen fursten und herrn, Mgf. Albrechten selliger gedechtnus2, verloren etc. Das aber euer fstl. Gn. sich itzunt ausserhalb aller anderer stende, dem Hl. Reych zugehorig, in einiche gesonderte hilf inlassen oder mit zertrentem ratth handelen helfen solte, mochte ir beschwerlich fallen, zudem es unerschiesslich. Wan aber samentlich in gemeynem ratth begerter hilf ader anderer sachen halb, darumb disser reychstag beschriben und im furhalten meldung beschehen ist, berathschlagt, het euer fstl. Gn. mir bevelch geben, mit und neben andern, in sonderheyt des schwebischen kreys verwanten fursten, bottschaften und gesandten, handlen und beschliessen helfen, alles zu des Hl. Reychs ehr, nutz und wolfart dienstlich. Dern und anderer beweglichen ursachen halb were meyn schlecht gutbeduncken, das zuforderst die zertrennung und absonderung, so allen unratth bringt etc., quia „regnum in se divisum desolabitur etc.“ [Lukas 11,17], abgestellet wurde und mittel und weg gesucht, damit alle stende widerumb zusamenkhement, als ein collegium samentlichen die obligende nöt zu berathschlagen und gemeinlich, wie dem gmeynem erbfeind, dem Turcken, widerstand ze thun syn mochte, aus christenlichem, vertrautem hertzen zu beschliesen, alles mistrauen hindangesetzet. Wa das beschech, wurde Got der Almechtig syn gottlich gnad, sig und segen als synem auserweltem volck mittheylen und geben, wie er denen, so irn glauben und vertrauen in inne setzen, versprochen hat und nit felen kan etc.

Disser meynung synth die weltlichen alle gewesen und zuletzst die andern auch dahyn komen, das beschlossen, der churfursten ratth daruber, wie der gebraucht, zu horen. Die mit uns anderen beschlossen, das nochmals zum glimpfigsten by der augspurgischen confessionverwanten anzusuchen, das sy onebeschwert syn wollten, aus oberzelten und andern wolbegrundten ursachen, die sy selbs auch wol wissend zu erwegen, bey und neben andern des Hl. Reychs stenden und gesandten als iren mitglidern, die ein Got und ain keyser erkhanten, was die notturft erfordert, helfen handlen.

Sollicher beschlus ist uff heuth dato [1543 März 26], dieweyl uff den hl. ostertag nichts gehandlet, durch den mentzischen cantzler (doch etwas raucher und schirsten nach synem aignem oder synes herrn parthieschen affect, wie mich bedunckht) der augspurgischen confession verwanten in gegenwirtikeyt aller stende antragen [Nr. 166]. Daruber sy erstlich bedacht genomen, darnach abschrift, alleyn punctenweys begert, die inen um minder frydes willen abgeschlagen, welchs (wie ich vernim) viel disputierens und nachgedenckens inen bringen wirdt. Got verliche denen bessere gemuter, so bys anhär einikeyt und frid verhindert und mit irem verderben unfrid suchen. Amen. Die sachen verlengern sich mher dan sy sich bessern. Thut Got nit ein wunderwerck, ist zu besorgen, der letzst irtumb werde grosser dan der erst.

Uff heut dato byn ich zu dem schwebischen kreys erfordert. Ist der zalmeyster Besserer von Ulm abgefertiget wie andre kreyszalmeyster, doch wan die relation syner rechnung beschechen, sol er widerkomen, wie er sich gutwillig erbotten, die relacion in schriften verfassen. Ist abgehoret, davon ich abschrift begert.

Des krayses geschutz soll widerumb ghen Ulm gefurt werden etc. Was sich wieter zutragen, wirdt euer fstl. Gn. in underthenikeyt von mir nit verhalten.

PS: Marquardt übersendet einige Verhandlungsakten des Reichstags und Neue Zeitungen vom Vorrücken der Türken. Otto Truchsess von Waldburg ist in Nürnberg angekommen und berichtet, dass der Kaiser das Konzil in Trient besuchen wolle. Die Bischöfe und andere Geistliche werden von Otto Truchsess neuerlich zum persönlichen Besuch des Konzils aufgefordert.

Anmerkungen

1
Mgf. Ernst von Baden an Dr. Marquardt, Pforzheim, 1543 März 20, in: Karlsruhe GLA, 50/59, Nr. 19, unfol. (Konz.).
2
Ältester Sohn des Mgf. Ernst von Baden aus dessen erster Ehe; Albrecht starb auf der Rückreise vom Türkenzug am 12. Dez. 1542 in Wasserburg am Inn.