Rezess von Wolmar 1546 als Verstoß gegen das freie Wahlrecht der Kapitel und Kollegien. Postulation Hg. Christophs von Mecklenburg als Koadjutor im Erzstift Riga. Anfechtung durch den Landmeister des Deutschen Ordens in Livland. Interzession der Kgg. von Polen und Dänemark sowie Hg. Albrechts von Preußen zugunsten des Koadjutors. Angriff auf das Erzstift, Inhaftierung von Ebf. und Koadjutor durch den Landmeister. Bitte um Interzession der Reichsstände: Beendigung des Konflikts, Freilassung und Restituierung von Ebf. und Koadjutor, Rücknahme des Rezesses von Wolmar.
Im RR mündlich vorgetragen am 23. 11. 1556. In der Mainzer Kanzlei schriftlich vorgelegt am 24. 11.1 Von den Reichsständen kopiert am 25. 11. Den Gesandten des Landmeisters in Livland übergeben am 1. 12.2
HHStA Wien, MEA RTA 43/II, fol. 31–36’ (Kop. Dorsv. Hd. Bagen: Lifflandt contra ertzbischofen zu Riga.) = Textvorlage.LHA Schwerin, RTA I SchwR 50 Fasz. 7, fol. 164–171’ (Konzeptkop.3 Dorsv.: A. Vortragen, so auß bevelich meines gn. fursten und hern, hertzog Johansen Albrechts zu Mecklenburgk etc., der ifflendischen [!] landtfriedtbruchigen handlung halber den Reichs stenden den 23. Novembris anno 56 geschehen etc.) = [B]. HStA München, K. blau 107/3a, unfol. (Kop. Dorsv.: Hertzog Johans Albrechts zu Meckelnburgs anbringen, den ertzbischoffen zu Riga betreffen, contra den meister zu Lieflandt. Zu Regenspurg den 23. Octobris anno 56 gemeinen stenden des Reichs mondtlichen fur- und angebracht.) = [C]. HStA Düsseldorf, JB II 2297, fol. 109–116’ (Kop. mit Randvermerken. Aufschr.: Lectum Ratisponae, 25. Novembris anno 56.). HStA Dresden, Loc. 10192/5, fol. 219–226’ (Kop.). GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. Y Fasz. F, fol. 13–19’ (Kop.).
/31 f./ Hg. Johann Albrecht von Mecklenburg lässt vortragen: Sie, die Reichsstände, sind in der Anzeige Kf. Joachims von Brandenburg4
über das ohnehin bekannte, landfriedbrüchige Vorgehen des Landmeisters des Deutschen Ordens in Livland gegen Ebf. Wilhelm von Riga informiert worden. Da die Gesandten des Landmeisters versuchen, den Überfall auf den Ebf. und auf [Koadjutor] Hg. Christoph von Mecklenburg, den Bruder Hg. Johann Albrechts, in ihrem Gegenbericht5
zu rechtfertigen, sieht der Hg. sich veranlasst, die Reichsstände gegen die irreführende Darstellung über den wahren Sachverhalt aufzuklären.
/31’ f./ Der damalige Landmeister des Deutschen Ordens in Livland hat 1546 den Ebf. und das Domkapitel von Riga, über das er keinerlei Rechte hat, zur Annahme eines Rezesses gezwungen, in dem sich das Kapitel verpflichten musste, künftig keine auswärtigen Ff. zu wählen6
. Dies verstößt gegen das von alters her gemäß den Privilegien geltende, freie Wahlrecht der Kapitel und Kollegien. Hingegen hat Hg. Johann Albrecht mit Empfehlungsschreiben Kg. Ferdinands I., der Kgg. von Polen und Dänemark sowie mehrerer Kff. und Ff. erreicht, dass der Ebf. und das Kapitel zu Riga seinen Bruder, Hg. Christoph, am 28. 1. 1556 als Koadjutor angenommen haben7.
/32–33/ Nachdem der Landmeister in Livland diese Wahl unter Berufung auf den unrechtmäßig erzwungenen Rezess von Wolmar anfocht8
, hat Hg. Johann Albrecht die Kff. und Ff. von Sachsen, Brandenburg, Braunschweig-Lüneburg und Pommern gebeten, eine Interzession der Kgg. von Polen und Dänemark als Konservatoren und Protektoren des Erzstifts Riga9
beim Landmeister dahingehend zu veranlassen, dass der Rezess, der allen Reichsff. den Zugang zu den Dignitäten in Livland verwehrt, zurückgenommen, die freie Wahl zugelassen und die Postulation Hg. Christophs anerkannt werde10
. Der Landmeister hat die Beantwortung der Interzession beider Kgg. verzögert, um zwischenzeitlich aufrüsten und im Reich Söldner anwerben zu können. Dabei wurde er von der Stadt Lübeck unterstützt11
. Ebf. Wilhelm wandte sich deswegen brieflich an seinen Bruder, Hg. Albrecht von Preußen, doch konnte der Landmeister die Briefe abfangen und sie als Vorwand für seine Rüstungen missbrauchen12
, obwohl er diese schon zuvor eingeleitet hatte13
. Das Vermittlungsangebot Hg. Albrechts von Preußen hat der Landmeister ebenso abgelehnt wie jenes des Kgs. von Polen, dessen Gesandter ohne Antwort zurückgeschickt wurde14
. Ein anderer Gesandter Kg. Sigismunds II. August an den Ebf. von Riga ist unterwegs von den ‚Livländern‘ ermordet worden15.
/34 f./ Vielmehr begann um Pfingsten 1556 der Angriff des Deutschen Ordens auf das Erzstift mit der Belagerung und Eroberung von Schloss Kokenhusen. Ebf. und Koadjutor wurden gefangen genommen und inhaftiert16.
Der Landfriedensbruch des Landmeisters ist allein auf die Postulation des Koadjutors zurückzuführen und kann nicht mit den abgefangenen Briefen und anderen Vorwendungen begründet werden. Dies zeigt auch der Rezess von Wolmar [1546], der dem Landmeister zur Hoheit über das Erzstift Riga und damit zur Alleinherrschaft in Livland verhelfen sollte. Dieses Ziel verfolgt der Landmeister nunmehr mit dem Krieg gegen den Ebf. Er verstößt damit gegen alle Rechte, die Reichsordnung und den Land- und Religionsfrieden von 1555.
/34’ f./ Deshalb bittet der Hg. die Reichsstände, dass sie den Landmeister schriftlich oder mittels einer Gesandtschaft auffordern, sein landfriedbrüchiges Vorgehen einzustellen, sich der Reichsordnung sowie dem Land- und Religionsfrieden gemäß zu verhalten, Ebf. und Koadjutor freizulassen und sie als gehorsame Stände des Reichs in ihren Rechten und Besitzungen zu restituieren. Seine vermeintlichen Ansprüche kann er auf ordentlichem Weg vorbringen. Lübeck und anderen Reichsständen, die den Landmeister unterstützen, möge man auftragen, dies künftig zu unterlassen und ihre in Livland dienenden Untertanen abzufordern. Da der Rezess von Wolmar gegen alle Rechte und gegen die Privilegien verstößt sowie Kff., Ff., Gff. und Hh. im Reich von der Wahl in Livland ausschließt, bittet man die Reichsstände um Fürsprache beim Kg., er möge den Rezess „ex plenitudine potestatis“ aufheben und damit die freie Wahl gewährleisten.
Schlussformel. [o. D., ohne Unterzeichnung].