Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Konflikt mit Regensburg wegen der Verhaftung Christoph Gießers; [2.] Belehnung des neuen Regensburger Schultheißen mit dem Blutbann.
München, HStA, KÄA 1575, fol. 51–55 (Kop., am abent korporiß Cristi) = Textvorlage. Ebd., fol. 45–48’ (Konz.) = B.
[1.] Die bayerischen Regenten haben den Ks. nach seiner Abreise aus Worms gebeten, in ihrem Konflikt mit Regensburg auf Ersuchen der Stadt kein Mandat zu bewilligen, ohne zuvor ihren Bericht angehört zu haben. Dieser hat daraufhin Hg. Wilhelm zu sich nach Kaufbeuren beschieden und unter anderem mitgeteilt, dass er aufgrund einer Supplikation Regensburgs1die Überstellung Gießers in ksl. Gewahrsam angeordnet habe und mit dem Hg. über die Angelegenheit verhandeln wolle [Nr. 148]. Nach der Ankunft des Hg. in Kaufbeuren teilte der ksl. Kanzler Serntein ihm sowie den ihn begleitenden Vormündern und Räten mit, dass der Ks. sich um den Vorgang nicht selbst kümmern könne, jedoch eine Kommission nach Augsburg einberufen habe. Gießer werde für die Anhörung dorthin überstellt. Die bayerische Seite nahm den Vorschlag an, ließ entsprechende Schreiben – eine ksl. Weisung an Sigmund von Rorbach zu Verhandlungen mit der Stadt [Nr. 434, Anm. 3] und Vorladungen an die Parteien zum Schiedstag nach Augsburg2– aufsetzen und in der ksl. Kanzlei ausfertigen. Die Regenten haben sämtliche Regensburger Gefangenen mit der Auflage entlassen, sich nach Abschluss des Verhörs wieder einzustellen, und, anders als die Stadt, ihre Anwälte nach Augsburg geschickt, wie aus dem beiliegenden Schreiben der Kommissare3zu entnehmen ist. Am 6. Juni übergab der Regensburger Schultheiß [Hans Portner] indessen ein Mandat4, das ganz im Widerspruch zum bisherigen Vorgehen des Ks. steht.
Hg. Wilhelm und seine Vormünder beschweren sich darüber, dass die Regensburger Gesandten ein solches Mandat erwirken konnten, ohne dass Bayern vorher Gelegenheit zu einer Stellungnahme erhalten hat. Sie haben wiederholt ihr Einverständnis erklärt, und tun dies noch, in dieser Angelegenheit eine Anhörung vor dem Ks. oder den in Worms versammelten Reichsständen, dem Kammergericht oder anderen Bevollmächtigten durchzuführen. Sie messen die Schuld an diesem Mandat nicht dem mit wichtigen Angelegenheiten des Reiches und der ganzen Christenheit beschäftigten Ks. zu, sondern machen dafür das Drängen der Regensburger Gesandten verantwortlich, die die angesetzte Anhörung vor den Kommissaren verhindern wollten. Sie wollen darauf aber nicht verzichten. Die Affäre ist im ganzen Reich bekannt. Es könnte der Eindruck entstehen, als hätten sie gegen Regensburg ein Unrecht begangen. Feinde Bayerns könnten dies als Vorwand nehmen, um gegen das Hm. vorzugehen. Sie bitten, das Mandat zu widerrufen, die Kommission durchzuführen und Gießer nach Augsburg in ksl. Gewahrsam überstellen zu lassen.
[2.] Sie haben erfahren, dass der Ks. Hans Portner mit dem Blutbann belehnt hat. Dies obliegt jedoch gemäß dem von ihm bestätigten Vertrag derzeit der Vormundschaft und künftig Hg. Wilhelm. Zwar heißt es darin, dass Ks. oder Kg. im Falle einer Verweigerung durch Bayern die Belehnung durchführen sollen.5Dies war jedoch nicht der Fall. Sie haben zugesagt, Portner zu belehnen, sobald eine verbindliche Zusage Regensburgs vorliegt, Gießer bis zur Klärung der Angelegenheit nicht mehr zu foltern. Doch hat Regensburg dies abgelehnt. Die Regensburger Gesandten verunglimpfen den jungen Hg. und seine Vormünder beim Ks. Bitten ihn, dafür zu sorgen, dass sie dem Hg. mehr Achtung entgegenbringen. Die Stadt liegt inmitten des Hm. Bayern und ist wirtschaftlich davon abhängig. Bitten den Ks., in allen vorgebrachten Punkten wohlwollend zu entscheiden.6