Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

Heidelberg, UB, Cod. Pal. germ. 491, fol. 291’–294’ (spätere dt. Kop., um 1530; Nachweis über Unterz. Ambrosius Dietrich, Protonotar am RKG) = Textvorlage A.1

Lat. Druck: Lünig, Reichs-Archiv VI (Part. Spec. Cont. I, Kaiser), Nr. LIX, S. 134–136 = B; Ders., Codex Italiae II, Nr. XXVII, Sp. 1995–2000; Goldast, Collectio II, S. 117–119; Schoppe, Scaliger, pag. 396’–399.

Erklärt gegenüber allen Reichsangehörigen, dass es das höchste irdische Gut ist, adie Gerechtigkeit zu pflegen, seinem Nächsten nicht zu schaden und jedem das Seine zuteil werden zu lassen–a. Umgekehrt gefährdet nichts mehr den gemeinen Nutzen als die Aneignung fremden Besitzes unter Missachtung der gerichtlichen Obrigkeit und ihrer Gebote. Daraus entstehen Zwietracht und Krieg im Hl. Reich, was, wenn dem nicht rechtzeitig vorgebeugt wird, schließlich zu dessen Zerstörung führt.

Er, der Ks., und seine Amtsvorgänger haben die vom Reich lehnbaren Städte Verona (Bern)und Vicenza (Vinzenz)an die Vikare Johann d. Ä. und Johann d. J. von der Leiter bzw. an deren Vorfahren verliehen. Diese beiden Städte wurden allerdings von einem Vorgänger [Michele Steno] des jetzigen Dogen [Leonardo Loredan] widerrechtlich und gewaltsam eingenommen. Loredan hält sie weiterhin besetzt, dies unter Missachtung eines kammergerichtlichen Urteils, wonach die beiden Städte mit allem Zubehör den Reichsvikaren zurückgegeben werden müssen. Ebenso ignorierte er zwei ksl. Vorladungen. Die zweite, dem Dogen [am 10. Oktober 1508] persönlich zugestellte Zitation drohte ihm bei weiterem Ungehorsam die Reichsacht an. Er wurde nach dessen Feststellung in einem ordentlichen Verfahren öffentlich in die Acht erklärt, wie dies die ausgegangenen ksl. Urteilsbriefe [Nr. 301] besagen.2

Erklärt den Dogen in Vollstreckung des Urteils gegenüber allen Reichsangehörigen zum Reichsächter und gebietet, ihn als solchen zu behandeln, ihn nicht zu dulden, zu beherbergen oder zu verpflegen noch sonst mit ihm zu verkehren und dies auch nicht zu erlauben, sondern gegen dessen Person und seinen Besitz vorzugehen. Insbesondere sollen sie dies den Klägern und ihren Helfern gestatten und sie auf deren Bitte dabei auch unterstützen, bis der Ächter von seinem Ungehorsam absteht und aus der Acht gelöst wird. Erklärt jegliches Vorgehen gegen die Ächter für rechtmäßig und nicht ahndungsfähig. Davor schützen auch weder ksl. und kgl. Freiheiten, Privilegien und Rechte noch der ksl. Landfrieden, Burgfrieden, Bündnisse oder Einungen. Wer die Achterklärung missachtet, verfällt selbst der Reichsacht und der schweren Ungnade von Ks. und Reich.3

Anmerkungen

1
 Lutz, Peutinger, S. 368 Anm. 53, weist ein weiteres Exemplar in den Archives Nationales Françaises Paris (J 922, Nr. 5) nach. Ein Bestellversuch mit dieser Signatur scheiterte allerdings.
a
–a die ... lassen] In B: justitiam colere, alterum non laedere et denique suum cuique tribuere – in Anlehnung an die bekannte Sentenz des röm. Juristen Ulpian: „Honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere“ (Institutionen 1.1.3.; Digesten 1.1.10.1; Druck: Mommsen/Krueger, Corpus I, S. 1, 29; Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus I, S. 2; ebd. II, S. 94).
2
 Tatsächlich unterblieb vorläufig die Verkündigung der Acht. Als Augsburg im Dezember 1509 von deren drohender Publikation erfuhr, versuchte es, über die Tiroler Landstände eine einjährige Suspension zu erwirken. Erst im Oktober 1510 gelang es den Hh. von der Leiter, die Bekanntmachung des Achturteils in Augsburg durchzusetzen (Böhm, Reichsstadt, S. 70, 74; Lutz, Peutinger, S. 87f.).
3
 Laut Crailsheim(Hofmarch, S. 8) legte der ksl. Reichsherold und bayerische Ehrenknecht Jörg Jerusalem [= Georg Rixner] den Achtbrief am 13.6. den versammelten Reichsständen vor. Eine Involvierung der noch in Worms anwesenden Deputierten ist indessen auszuschließen. Bereits in dem politisch weit weniger heiklen Fall des Befehders Hans Melchior von Rosenberg überließen Kommissare und Reichsversammlung die Achterklärung dem Kaiser [Nr. 417, Pkt. 7].