Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Verzögerung des zum 1. November ausgeschriebenen Reichstages; [2.] Einzug Ks. Maximilians in Worms (21. April); [3./5./7./10.] Streit der Stadt Worms mit den Kämmerern von Dalberg; [4.] Abreise Ks. Maximilians (24. April); [6.] Übersiedlung des Reichskammergerichts nach Worms (7. Mai); [8.] Ankunft Kf. Friedrichs von Sachsen in Worms (21. Mai); [9.] Schiedsverhandlungen zwischen der Stadt und dem Wormser Stiftsklerus.
Worms, StdA, 1 B, Nr. 10, hier pag. 459–461, 469–481 (Abschrift von 1714 durch J.G. Schrumpf) = Textvorlage A.
Druck: Boos, Quellen III/2, hier S. 535, 538–541; Soldan, Beiträge, hier S. 196, 198–201 (unter Übertragung in das Neuhochdeutsche).
[1.] /459/ November. Nachdem die kgl. [!] Mt. einen reichstag hie gehn Wormbß außengeschrieben hat, uf allerseelen tag [2.11.]2 zu erscheinen, verfingen viel churfürsten, an- /460/ dere fürsten, geistlich und weltliche, auch von den stätten herberge, erschienen auch hie etzliche große parteyen, so uf allerheiligen tag [1.11.] auf diesen fürgenohmenen tag verdacht [= vertagt] waren. Aber die kgl. [!] Mt. erschiene noch nit. So und wann dieselbe erschienen sey, findestu hernach geschrieben.
Uf dienstag [7.11.] hernach, ehe die pforten eröffnet wurden, waß ein postbot [= Brief] ksl. Mt., vor acht tagen zu Antorff ausgangen, mit seiner Mt. hand underschrieben, dz der reichstag seinen fürgang haben und sei- [461] ner Mt. ohnverzüglich herzuschicken und sich in aigener person auch forderen zu erscheinen, solche alle[n] churf[ürsten], fürsten und stände[n] zu verkunden, seiner Mt. kurzlich hie zu warten.3 Dz also geschahe. [...].
/469/ Zu dieser zeit umb Catherinae [25.11.] lagen hie etzlich potschaft der ständ, fürsten und anderen deß reichstags und ksl. Mt. wartende, auch der kgl. [!] Mt. vor ihrer herberg verfangende und wappen angeschlagen. Und sagt man, die kgl. [!] Mt. wurde kurzlichen hie erscheinen. Waß darauß werde, findestu hernach geschrieben.
[2.] April begande nach siner art kalt, mit schne, schloßregen [= Hagel] und /470/ wind, aber in seiner mitte fast warm, also daß es blitzt und donnerte. a–Und uf sambstag nach quasimodogeniti, den XX.4 tag deß monats, zeit [= zog] herin umb 6 uhren deß abends der röm. Ks. Maximilian zu des Reichs tag, so sein Mt. lang davor gehn Wormbß ußgeschrieben hat. Und rut gerüst im ganzen kuerest [= Kürass] b–umb die acht mit–b pferd mitsampt den churf[ürsten], der zeit [Uriel von Gemmingen]5, erzbischof zu Meenz, Jacoben marggrafen zu Baden, erzbischof zu Trier, und [Gf. Philipp] von Oberstein, herren zu Thuen, /471/ erzbischofen zu Cöln, und Ludwigen, pfalzgrafen bey Rein, der zeit der alter sohne, aber dazumahl noch nit churfürst6, und Friedrich, marggraf zu Brandenburg der alter, und mit ihme sein sohn Casimirus und viel Reutzen7 und andere seltzame volk von rüstung und fernen landen her mit gar grosser pracht, trummeten und trücken [= Trinken] und hoiflichkeit–a.
[3.] /471–473/ Am 22. April (sontag darnach misericordia)begannen die Kämmerer von Dalberg ungeachtet des anhängigen Austrags, im obersten Hof8unrechtmäßig Wein auszuschenken. Den am Montag [23.4.] erhobenen Einspruch des städtischen Rates ignorierten sie. Wolt sich doch der rat ksl. Mt., auch churfürsten, fürsten und dem reichstag zu ehren mit tätlicher handlung nichts dargegen fürnehmen, sondern schuf der rat an allen pforten, daß man ihnen kein wein oder anders in diese statt kommen ließ.9
[4.] Item des dienstags [24.4.] hernach zu mittag erhub sich die kgl. [!] Mt. von hinnen gehn Speyr, dahin viel botschaften von königen nachfolgten, auch der bischof von Trier und viele andere fürsten, grafen und herren. Und wuste niemands, wohin oder was ksl./474/ Mt. wölle oder fürnehmen wehre. Doch plieben hie liegen Meenz, Trier und Pfalz und viel andere fürsten und herren, geistlich und weltlich, und rieden [= ritten] alle tag zu von allen stenden des Reichs. Wie es sich werde enden, findestu hernacher.
[5.] /474–475/ Der Ebf. von Trier kehrte nach drei Tagen [28.4.] nach Worms zurück und übermittelte dem Magistrat die ksl. Anordnung, die Dalberg nicht am Weinausschank zu hindern. Die Stadt schickte daraufhin Gesandte zum Ks. nach Ulm, die einen neuen Bescheid erwirken konnten.10
[6.] Des cammergerichts acta mitsamt den doctoren, advocaten, procuratoren, prothonotarien und andere zugehorde kame von Regenspurg gehn Wormbß uf montag nach cantate, den siebenden tag Maii.
[7.] /475–476/ Am Morgen des 25. Mai (freytag zu morgen vor pfingsten St. Urbans tag)verweigerte der Rat den Dalberg am Mainzer Tor die Einfahrt eines aus Herrnsheim kommenden, angeblich für die Witwe Friedrichs von Dalberg, [Katharina] von Gemmingen, bestimmten Wagens mit Wein, sodass diese an Pfingsten in ihren Höfen keinen Wein ausschenken konnten.
[8.] Uf montag nach dem sontag exaudi, den 21. tag, quame hereingeritten herzog Friederich von Sachsen, churf[ürst]. Und /477/ ritten im entgegen Meenz, Trier, Pfalz; der bischof von Cöln was denselben tag nit zu Worms. Auch viel andere fürsten, grafen und herrn, geistlich und weltlich, ritten im entgegen für die statt und mit im herein. Er kame nit prächtiglich, aber alle erbarkeit waß seiner zukunft begierig gewesen und fro, und sonderlich die von Wormbß, nachdem er was ein arbiter oder schiedrichter mit dem von Trier der ihrtumb zwischen der pfaffheit und der statt Wormbß.
[9.] Alßbald schickt der rat /478/ sein freunde zu beeden fürsten Trier und Sachsen, untertäniglich bittende, die sache der ihrtumben sich so fürderlichst zu unternehmen zu handlen. Dan auch beyder gnaden also zusagten und auch teten. Und schrieben von stund an den beyden auditoribus11 gehn Meenz, angesicht ihrer schrift zu erscheinen hie zu Wormbß und die notarien, acta und was zum handel dienstlich, fürderlich mitzupringen. Dz also geschahe. Und von stund an verordnet mein gnediger herr von Trier 3 doctores, ihrer gnaden /479/ räte, nehmlich Dr. Doengen12, canzler, den dechant zu St. Simeon zu Trier13, auch Dr., und Dr. Deterich Lutri [= Lautern], ein beysitzer am ksl. cammergericht, von seiner gnaden wegen. Darneben mein gnediger herr von Sachsen, churf[ürst], verordnet von seinen raten die hochgelehrte[n] herren Johann Ludwig [= Lupfdich] und Georg Beßeren von Ravensberg, der rechten doctores und ksl. cammergerichts beysitzer, welche rät und doctores den handel vor sich nahmen und ohn underlaß uf die 14 tag vor- und nachmittag mit dem höch- /480/ sten fleiß darüber sassen und nach manigfaltiger handelung eines teils der ihrtum und puncten gütlich und mit wissen und willen beyder parteyen gütlich verdrugen, die übrigen in kraft des obgemelten anlaß durch ihren spruch [...]14, eines teils darnach uf begehr der geistlichen declarirten und erklärten, wie solches die rachtungsbrief [Nr. 329, Pkt. 3–6], darüber ausgangen, bey beyden teilen behalten, clärlicher ausweisen, ohnnot, alles hierbey zu schreiben.
[10.] Junius, brachmonat, was schon /481/ und warm. Die Kämmerer von Dalberg verklagten die Stadt vor den ksl. Kommissaren. Nach der Gegendarstellung durch den Magistrat geschah in dieser Angelegenheit weiter nichts. Doch erlangte der Rat ein kammergerichtliches Zitationsmandat an die Kämmerer auf den 3. September.