Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Fehde Heinz Baums gegen Nürnberg, Ulm und Isny; [2.] Konflikt des Augsburger Domkapitels, Abt Johanns von Elchingen und der Stadt Ulm mit dem Kirchberger Pfleger Philipp vom Stein; [3.] Streit Abt Hartmanns von Weingarten mit dem ksl. Landvogt Jakob von Landau; [4.] Bedrohung bfl. Augsburger Untertanen durch die Gff. von Montfort; [5.] Bitte der Marschälle von Pappenheim um Hilfe gegen die Hh. von Rothenstein; [6.] Streit zwischen Mgf. Friedrich von Brandenburg-Ansbach und Gf. Wolfgang von Oettingen; [7.] Einschaltung Neithards von Thüngen in einen Streit zwischen Franz und Hans Hefelin.

Stuttgart, HStA, H 53, Bü. 8, fol. 2–6’, 7’ (Kop., Überschr.: Abschid des gemainen Punds versamlungtags, so auf sanct Jörgen des heiligen ritters tag [23.4.] anno etc. nono gen Eßlingen furgenomen worden ist.2) = Textvorlage A. München, HStA, KÄA 2013, fol. 262–267 (wie A) = B. Augsburg, StdA Lit. 1509, Fasz. April, unfol. (wie A) = C. Augsburg, StA, Rst. Nördlingen, Mü. Best. 913, Stück-Nr. I.2 (wie A). Bamberg, StA, A 85, Lade 329, Nr. 190 (wie A). Straßburg, AV, AA 353, fol. 57–61’ (wie A).

[1.] Wegen des Konflikts der Städte Nürnberg, Ulm und Isny (Eyßin)mit Heinz Baum wurde gemäß dem letzten Augsburger Bundesabschied3und aufgrund der Beratungen der bei der Seelenmesse für Hg. Albrecht von Bayern in München anwesenden Bundesstände dieser Bundestag nach Esslingen anberaumt. Außerdem war [in Augsburg] beschlossen worden, beim Ks. um Hilfe zur Bestrafung der Übeltäter vorstellig zu werden sowie den Kg. von Böhmen, Kf. Ludwig von der Pfalz, Pfgf. Friedrich und die böhmischen Stände über das geplante Vorgehen des Bundes gegen Baum und seine Helfer als offene Landfriedensbrecher zu informieren und ihre um Unterstützung zu bitten. Bei den Beratungen des Bundestages über eine Supplikation der drei Städte um Festsetzung der bereits zuerkannten Bundeshilfe wurde erneut festgestellt, dass die Angelegenheit für den Bund und alle seine Mitglieder große Bedeutung hat und eine Eskalation zu befürchten ist. Es wäre deshalb ratsam und obliegt dem Bund auch gemäß seiner Ordnung, in dieser Sache mit Nachdruck zu verfahren. Wegen des vom Ks. nach Worms ausgeschriebenen Reichstages konnten die dem Bund angehörigen Kff. und Ff. jedoch nicht persönlich am Bundestag teilnehmen. Ebenso sind die geplanten Anfragen bislang unterblieben. Es wurde deshalb beschlossen, den Ks. jetzt auf dem Reichstag zu Worms durch die dort anwesenden und vertretenen Bundesstände über die Umstände dieser Angelegenheit und deren Bedeutung für den Bund zu unterrichten und ihn als liebhaber der gerechtigkeit, handhaber und volstrecker des landfridenqua röm. Ks., Ehg. von Österreich und Bundesstand um eine Stellungnahme zu ersuchen, wie gegen Baum und seine Unterstützer vorzugehen sei. Anschließend soll nach Lage der Dinge und aufgrund des ksl. Bedenkens weiter verfahren werden, entweder indem man bei den genannten Adressaten vorstellig wird oder in anderer Weise.

Es heißt, der Ks. werde sich auf seiner Weiterreise voraussichtlich auch kurz in Augsburg aufhalten. Zur Beförderung der Angelegenheit wurde für gut befunden, dort oder an einem anderen geeigneten Ort durch Gesandte in der beschriebenen Weise vorstellig zu werden. Dessen ungeachtet sollen auch die Bundesstände auf dem Reichstag in Worms die Sache betreiben. Die Gesandten zum Ks. sind gehalten, diese schriftlich über das Ergebnis ihrer Mission zu informieren. In Worms soll dann nach Lage der Dinge und gemäß dem Bundesabschied vorgegangen werden. Zu Gesandten zum Ks. wurden bestimmt: für die Kff. und Ff. Hauptmann Wilhelm Güss von Güssenberg, für die Prälaten, die Gff. und den übrigen Adel Hauptmann Adam von Frundsberg und für die Städte der Esslinger Bürgermeister Hans Ungelter.

[2.] aDas Augsburger Domkapitel, Abt [Johann] von Elchingen und die Stadt Ulm haben gegen den Pfleger zu Kirchberg, Philipp vom Stein, Klage erhoben, weil er ihre Untertanen in Niederhausen mit Reissteuern4 belegt.5 Es wurde beschlossen, Stein als Bundesangehörigen zur Rücknahme dieser Neuerung aufzufordern und ihm einen rechtlichen Austrag anzubieten. Um dem Schreiben mehr Nachdruck zu verleihen, soll Adam von Frundsberg außerdem im Namen des Bundes mit ihm verhandeln. Des weiteren sollen die auf dem Wormser Reichstag anwesenden Bundesstände den Ks. informieren und ihn ersuchen, das Vorgehen Steins abzustellen oder unparteiische Kommissare mit einer Entscheidung zu beauftragen. Der Bundesrichter [Heinrich Winckelhofer] wurde angewiesen, das Verfahren ungeachtet der Berufung Steins auf den Ks. und etwaiger ksl. Mandate fortzusetzen–a.

[3.] Abt [Hartmann] von Weingarten ließ auf dem Bundestag durch Dr. [Johann] Lupfdich und den Propst von Hofen [Jos Neukomm] seine Beschwerden gegen den ksl. Landvogt Jakob von Landau vortragen. Es wurde beschlossen, den Ks. durch die auf dem Wormser Reichstag anwesenden Bundesstände um Abstellung der Beschwerden oder die Bewilligung eines rechtlichen Austrags zu bitten. Dem Abt wird empfohlen, die Bundesstände in Worms durch eigene Gesandte über den Vorgang zu unterrichten.6

[4.] Der Bf. von Augsburg erhielt eine glaubwürdige Warnung vor einem bevorstehenden Überfall der Gff. von Montfort-Rothenfels auf seine Untertanen im Allgäu. Der Bund wird dem Bf. satzungsgemäß beistehen, falls die Gff. von Montfort oder andere Feinde ihn angreifen sollten. Entsprechend dem Antrag des Bf. werden alle benachbarten Bundesstände aufgefordert, ihn im Verteidigungsfall zu unterstützen.

[5.] Auf das Schreiben der Marschälle von Pappenheim an die Bundesversammlung hin wurde beschlossen, dass die angeschriebenen Bundesstände auch ihnen im Ernstfall [gegen die Hh. von Rothenstein] zu Hilfe eilen sollen.

[6.] Im Streit zwischen Mgf. Friedrich von Brandenburg und Gf. Wolfgang von Oettingen wegen gefangen genommener mgfl. Untertanen und anderer Punkte wurde gemäß dem letzten Augsburger Bundesabschied [vom 10. Januar] in Verhandlungen mit den brandenburgischen Vertretern Sigmund von Lentersheim und Dr. Lupfdich sowie mit Gf. Wolfgang erreicht, dass das Verfahren vor dem Bundesgericht ausgesetzt wird und auf dem nächsten Bundestag Schiedsverhandlungen stattfinden sollen. Sollten diese scheitern, werden unverzüglich Beschlüsse über das weitere Vorgehen gefasst.

[7.] Wegen des Schreiben Neithards von Thüngen an die Stadt Nördlingen als Fürsprechers in Sachen Franz Hefelin gegen seinen Bruder Hans Hefelin wird der Bund gemäß den vorliegenden Entwürfen an den Bf. von Würzburg und Thüngen schreiben.

[bAbrechnung des Bundeshauptmanns Wilhelm Güss von Güssenberg und Veranschlagung der Ff. zur Finanzierung der Bundesausgaben–b].

Anmerkungen

1
 Gemäß Bericht des Nürnberger Bundesgesandten Kaspar Nützel vom gleichen Datum, worin er ankündigte, noch an diesem Tag gemeinsam mit anderen Gesandten nach Worms aufzubrechen (Or. m. S., Esslingen, freitag nach St. Marx tag; StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei, A-Laden Akten, A 118, Nr. 6 [alt S I L 61, Nr. 3], fol. 53–54’).
2
 Entsprechende Ladungsschreiben des Bundeshauptmanns der Ff. und Prälaten, Wilhelm Güss von Güssenberg, an Mgf. Friedrich von Brandenburg vom 16.3.1509 (Or. Dillingen, freytag nach oculi; StA Bamberg, Mgftm. Brandenburg-Bayreuth, Geheime Landesregierung, Nr. 1314, fol. 150–150’) und des Städtehauptmannes Matthäus Neithart vom 26.3. (Or. [Ulm], mentag nach judica; AV Straßburg, AA 353, fol. 52–52’; StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei, A-Laden Akten, A 118, Nr. 6 [alt S I L 61, Nr. 3], fol. 47–47’; HStA Stuttgart, H 53, Bü. 88 (Fasz. 6), unfol. [Adressat: Esslingen]). Demnach sollten sich die Gesandten am Abend des 23.4. in Esslingen einfinden.
3
 Schwäbischer Bundesabschied vom 10.1.1509 (Kop., uf sonntag nach der hailigen dreyer konig tag [7.1.] anno nono gen Augspurg furgenomen; StA Augsburg, Rst. Nördlingen, Mü. Best. 913, Stück-Nr. I.1; StdA Augsburg, Lit. 1509, Fasz. Januar, unfol.; StdA Memmingen, A Bd. 292, unfol.; HStA München, KÄA 2013, fol. 257–261’; HStA Stuttgart, J 9, Nr. 25, Stück-Nr. 81. Regest: Klüpfel, Urkunden II, S. 26f.). Vgl. zu dem Konflikt Wenko, Kaiser, S. 240–243; Toifl, Friede, S. 257–260; Ritzmann, Plackerey, S. 76–87.
a
–a Das … fortzusetzen] Fehlt in B. C wie A.
4
 = Steuer für die Finanzierung von Kriegszügen (Deutsches Rechtswörterbuch XI, Sp. 791f.).
5
 Schreiben des Augsburger Domkapitels an Bf. Heinrich von Augsburg vom 26.3.1509 (Kop., montags nach judica; HStA München, KÄA 2013, fol. 86–86’; AV Straßburg, AA 353, fol. 51–51’); Mitteilung Bf. Heinrichs darüber an den Bundeshauptmann Wilhelm Güss von Güssenberg, Dillingen, 28.3.1509 (Kop., quarta post judica; HStA München, KÄA 2013, fol. 85–85’); Schreiben Abt Johanns von Elchingen an den Bundeshauptmann Adam von Frundsberg vom 2.4.1509 (Kop., montags nach dem hailigen palmtag; AV Straßburg, AA 353, fol. 53–53’); Schreiben der Stadt Ulm an den Bundeshauptmann Matthäus Neithart vom 3.4.1509 (Kop., aftermontags nach palmarum; HStA München, KÄA 2013, fol. 88–89; AV Straßburg, AA 353, fol. 54–54’); Mitteilung Neitharts darüber an Güss von Güssenberg vom 6.4.1509 mit der Bitte um Weiterleitung (Kop., an dem hailigen karfreytag; HStA München, KÄA 2013, fol. 88); Mitteilung Güss’ vom gleichen Tag an Hg. Wolfgang von Bayern und die übrigen Vormünder Hg. Wilhelms mit der Bitte zur vorbereitenden Beratung darüber für den Esslinger Bundestag (Or., an dem heiligen karfreytag; ebd., fol. 87–87’). Vgl. Düvel, Gütererwerbungen, S. 111–113.
6
 Lupfdich übergab den in Worms versammelten Reichsständen am 7.6. eine Supplikation, worin der Abt die Beanspruchung sämtlicher obrigkeitlicher Rechte (all gewaltsami)über das reichsunmittelbare Kloster seitens des ksl. Landvogts Jakob von Landau beklagte. Die Fähigkeit des Klosters, weiterhin Reichssteuern zu bezahlen, sah er etwa durch die Heranziehung seiner Untertanen zu Reissteuern und anderen Diensten für die Landvogtei in Frage gestellt. Ungeachtet des Angebots, die Angelegenheit vor dem RKG, den Bundesständen oder einem Fürstengericht auszutragen, bestand der Ks. darauf, dem aus seiner Sicht zuständigen Innsbrucker Regiment die Urteilsfindung zu überlassen. Diese Instanz musste der Abt als zwangsläufig parteilich zugunsten des Landvogts ablehnen. Er bat die Reichsstände um Beistand gegen das offenbare Unrecht, um die Bewahrung der Reichsunmittelbarkeit des Klosters und um Gewährleistung eines ordentlichen Gerichtsverfahrens vor einer zuständigen Instanz (spätere Kop./Konz.; HStA Stuttgart, B 515 III, fol. 331’–332’; 357–358’). Die daraufhin von den Reichsständen offenbar zur Stellungnahme aufgeforderte Tiroler Regierung begnügte sich mit der Zusicherung, dem Abt zu seinem Recht zu verhelfen und etwaige Eingriffe des Landvogts in Rechte des Klosters abzustellen (undat. Zettel; ebd., nach fol. 332’).
b
–b Abrechnung … Bundesausgaben] Fehlt in C.