Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Hg. Georg von Sachsen bringt vor Kg. Maximilian und den versammelten Kff., Ff. und Ständen folgende Klage gegen Bf. Friedrich von Utrecht vor: Der röm. Kg. hat mit Zustimmung von sechs Kff. und der [Freiburger] Reichsversammlung seinen Vater Hg. Albrecht von Sachsen und dessen Erben zu Statthaltern über das zum Reich gehörige Friesland eingesetzt1, wozu auch die Stadt Groningen mit ihren Einwohnern zählt. Den friesischen Ständen wurde durch mehrere kgl. Mandate geboten, Hg. Albrecht und seine männlichen Erben als kgl. und Reichsstatthalter anzuerkennen und ihnen zu huldigen.2 Hg. Albrecht und nach ihm Hg. Georg, der als rechtmäßiger Erbe und kraft der kgl. Verfügung die Statthalterwürde angetreten hat, konnten einen Großteil Frieslands in Besitz nehmen. Die ungehorsame Stadt Groningen wurde mitsamt ihren Helfern in die Reichsacht und Aberacht erklärt.3 An die benachbarten Stände und insbesondere auch an Bf. Friedrich von Utrecht gingen entsprechende Exekutionsmandate aus.4 Der röm. Kg. befahl dem Bf. auch mündlich, den Geächteten gegen den mit Vollmacht von Kg. und Reich gegen Groningen vorgehenden Statthalter keinerlei Unterstützung zu gewähren. Auch das gemeine ksl. Recht besagt eindeutig, daß die Stadt dem röm. Kg. und somit auch dessen Statthalter untersteht. Dies belegen auch die vom Kg. ausgestellten Schriftstücke. Hg. Georg als Statthalter belagerte die Stadt unter hohen Kosten mit seinem Heer, so daß sie sich ohne fremde Hilfe nicht länger hätte halten können. Bf. Friedrich jedoch nahm sich Groningens an und unterstützte die Stadt in ihrem Ungehorsam. Er behauptete öffentlich, daß die Stadt nicht reichsunmittelbar sei, sondern ihm und dem Hst. Utrecht unterstehe. Obwohl er, Hg. Georg, diesen Anspruch nicht akzeptierte und auch davon überzeugt ist, daß er nicht belegt werden kann, hat der Bf. ihn dennoch daran gehindert, dem ihm von Kg. und Reich erteilten Auftrag nachzukommen und die Stadt seiner Regierung zu unterwerfen, und ist somit als Helfer Groningens ebenfalls der gegen die Stadt verhängten Strafe verfallen. Er wurde dadurch um über 500 000 fl. geschädigt. Das Vorgehen des Bf. entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage.

[2.] Er bittet deshalb den Kg. und die versammelten Stände, rechtsverbindlich festzustellen, daß die Stadt Groningen unmittelbar dem Reich und somit ihm als dessen Statthalter untersteht, daß er zum gewaltsamen Vorgehen gegen die Stadt befugt und Bf. Friedrich nicht berechtigt war, ihn daran zu hindern, sondern dadurch ebenfalls der gegen Groningen verhängten Strafe verfallen ist. Dem Bf. soll geboten werden, von seinen Ansprüchen bezüglich Groningens zurückzutreten und ihm als Statthalter gegenüber zu gewährleisten, daß er in dieser Sache nichts weiter unternimmt. Außerdem soll ihm die Ersetzung der geltend gemachten Schäden und Unkosten auferlegt werden. An den Bf. soll eine Aufforderung ergehen, sich gegenüber dieser Klage zu verantworten. Er bietet an, für die gemachten Behauptungen Beweise vorzulegen.

In Konstanz am 21. Mai 1507 dem röm. Kg. und den Reichsständen vorgelegt.5 

Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 18–23 (Reinkonz., Aufschr.: Clag wider den Bf. zu Utrich etc.).

Anmerkungen

1
 Ernennungsurkunde Kg. Maximilians für Hg. Albrecht von Sachsen vom 20.7.1498 (Regest: Gross/Lacroix, Urkunden I, Nr. 75, S. 35–37; Wiesflecker, Regesten II/1, Nr. 6436, S. 400). Vgl. Mayer, Beziehungen, S. 74f.; Gross, Geschichte, S. 34f.; Vries, Rijk, S. 182–184; Baks, Modernisierung, S. 139f.
2
 Z. B. Mandate Kg. Maximilians an Friesland vom 16.7. (Wiesflecker, Regesten II/1, Nr. 6416, S. 395) und 20.7.1498 (ebd., Nr. 6438, S. 400; Gollwitzer, RTA-MR VI, S. 669f.; Baks, Inventaris, Nr. 342, S. 103); Mandat Kg. Maximilians an Friesland vom 27.3.1499 (Möhlmann, Urkundenbuch III, Nr. 715, S. 196); Mandate Kg. Maximilians (Reichskanzlei) an Groningen vom 4.7.1499 und 17.1.1500 (Wiesflecker, Regesten III/2, Nr. 13514, S. 732; Nr. 13907, S. 820; Baks, Inventaris, Nr. 2319, S. 468).
3
 Mitteilung der Reichskanzlei an Groningen über die erfolgte Achterklärung vom 6.3.1500 (Baks, Inventaris, Nr. 52, S. 45; Nr. 2321, S. 468f.; Wiesflecker, Regesten III/2, Nr. 13977, S. 831); kgl. Achtmandat gegen Groningen vom 6.3.1505 (Berns, Verslag, Nr. 284, S. 43; Mayer, Beziehungen, S. 128).
4
 Mandat Kg. Maximilians (Reichskanzlei) unter anderem an Bf. Friedrich von Utrecht vom 17.1.1500 (Wiesflecker, Regesten III/2, Nr. 13906, S. 820 Anm.); Mandat Kg. Maximilians (Reichsregiment) an Bf. Friedrich vom 11.8.1501 (Baks, Inventaris, Nr. 443, S. 124); kgl. Achtexekutionsmandat vom 25.4.1505 (Heil, RTA-MR VIII/1, Nr. 230, S. 370f.); Mandat Kg. Maximilians an Bf. Friedrich vom 23.7.1505 (ebd., Nr. 503, S. 820).
5
 Laut Nr. 369 [Pkt. 2, fol. 5’].