Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Erklärung für die Abreise Ks. Maximilians aus Mainz und Speyer; [2.] Widerstand Venedigs gegen den ksl. Romzug; [3.] Antrag Ks. Maximilians auf eine Hilfe des Schwäbischen Bundes gegen Venedig; [4.] Einberufung der Mainzer Versammlung zu Beratungen über eine Kriegshilfe gegen Venedig; [5.] Beitrag der habsburgischen Erblande zur Verteidigung gegen Venedig und dessen Verbündete; [6.] Notwendigkeit zur Anwerbung eidgenössischer Söldner; [7.] kritische militärische Lage; [8.] Beratungen über eine Reichshilfe gegen Venedig außerhalb eines Reichstages; [9.] Bitte um Mitwirkung der Kff. bei Verhandlungen mit Hg. Heinrich I. von Braunschweig-Wolfenbüttel über seine Teilnahme am Krieg.

München, HStA, K.blau 103/4a, fol. 298–303’ (Kop. mit imit. Vermm. prps./amdip. und Gegenz. N. Ziegler) = Textvorlage A.2 Weimar, HStA, EGA, Reg. E, Nr. 55, fol. 13–16’ (Kop., wie A)3 = B. Würzburg, StA, WRTA 5, fol. 115’–118 (wie A) = C. Duisburg, NRW LA, JB II, Nr. 2268, fol. 468–472’ (Kop.).

[1.] /298/ Maximilian, von Gottes gnaden e[rwählter] romischer keyser etc.

Instruction, was der erwirdig Mathias bischof zu Gurk, unser furst, und die wolgeboren, ersamen, gelerten, unser andechtigen und lieben getreuen Adolf graf zu Nassau, /298’/ her zu Wiesbaden, Erasam Toppler, brobst zu sant Sebolt zu Nurnberg, und doctor Ulrich von Schellenberg, unser rete, mit unsern lieben neven und oheymen, den churfursten, die wir gein Meinz beschrieben haben, von unsern wegen handeln sollen.

Anfenglich sollen sie iren liebden sagen unsern gnedigen und fruntlichen willen.

Und darnach erzelen, wiewol wir genzlich der meynung gewesen, irer zukunft zu Speyer oder Meinz zu erwarten und mit inen des Reichs und teutscher nacion obliegenden sachen und notturften personlichen zu handeln, so sei uns doch dazwuschen glauplich kuntschaft und warnung zukomen, das der konig von Frankenreich, auch der von Arburg [Robert von der Marck] als anhenger desselben im anzug seyen, unser Nyederland zu uberziehen, zu verbronnen und zu verderben, auch die lande und Geldern haben einnemen wollen.4

Auß den und anderen merglichen ursachen sein wir bewegt, nur einen ritt in die nahende /299/ der ende, da solicher inzug bescheen solt, zu tun, damit ob wir solichen inzug und schaden verhuten mochten. Als wir aber hieher komen sein, erfinden wir, das sich der konig von Engelland, der unser partei ist, bei den Franzosen und Arburgischen so vil gehandelt, das sie wiederumb gewendt haben.5 Es ist auch ir versamlung nit so gross gewesen, als uns angezeigt worden ist, deshalben wir uns dem Rein auch wieder nehenen.

[2.] Nu wissen sie ungezwyfelt, das wir uf die hielf, so uns uf dem nechstgehalten Reichs tag zu Costenz von inen, auch fursten und stenden des Heiligen Reichs zu unserm romzug zugesagt ist6, denselben romzug von Tryent us durch der Venediger land, wie unser vorfaren am Reich getan, zu tun furgenommen. Daneben sein sie bericht, das wir einen freyen durchzug mit unser und des Reichs volk und rustung an die Venediger begert, den sie uns geweygert und abgeschlagen und sich des nit benugen /299’/ lassen, sonder, als wir den paß zu dem durchzuge irenthalb in ander wege unbeschedigt nemen wollen, unser land und leut mit hereßcraft angegriffen7, deshalben wir hinwiederumb gegen inen in offen vede und krieg zu kommen geursacht und getrungen worden sein.

[3.] Nu ist der Venediger macht mit hielf und zuschub des konigs von Frankreich an gelt und leuten so groß und des Reichs hielf, sovil uns der zukomen, der nit uber zwytusent mann zu ross und fuss ist, mitsampt unserer fromen landleut darstrecken, die wir lang zeit her von des Reichs und der Teutschen ere und nutz wegen ganz ußgemergelt, so clein, das wir derselben veind macht keinen widerstand tun mogen. Und haben uns darumb ilends heruß zu der versamlung unsers punds zu Swaben gein Ulm gefugt und dieselben als unser pundsverwandten von wegen der grafschaft Tirol, die umb des Reichs willen itzo gegen den veinden in swerem last steet, ersucht /300/ und angelangt, uns mit einer somme gelts zu versoldung und underhaltung achttusent Eydgenossen, die wir mit swerem costen us grosser practica, muhe und arbeit dem konig von Frankenreich als helfer und anhenger der Venediger und als eins irrers und verhynderers der entpfahung unserer keyserlichen cron wider die sechstusent Eydgenossen, so ime zugezogen und noch bei ime sein, abgewendt und ganz uf unser seyten und partei bracht, zu hielf zu komen, darin wir guten trost von den bundischen entpfangen und gute hoffnung haben, das sie uns in demselben nit verlassen werden.8 Darin wir uns auch in sonderheit als ein furst zu Swaben mit unsern swebischen landen begeben haben, deshalben unser grafschaft Tirol als die nechsten an den veynden, desgleichen unser erblich landschaften und auch die vom Pund als mithelfer in diesem last uberflussig [= mehr als genug] beladen und gesattelt [= belastet] sein.

[4.] /300’/ Aber des alles ist noch vil zu wenig gegen einer solichen grossen macht der veind, wie obsteet. Darumb, auch dieweil diese sachen nyemand dan das Heilig Reich und teutsch nacion zu rettung irer ere und wirde berurt, so haben wir wyter bedacht, das not und gut sei, bei den churfursten als den, daruf das Reich gegrundfest ist, von des Reichs wegen in solichem auch rat und hielf zu suchen und daruf unser lieben neven und oheymen, die churfursten von Meinz, Coln, Tryer und Sachsen in eygener person, auch brandenburgischs botschaft, dieweil der dem handel zu ferr ist, gein Meinz zu komen bescheyden9 und in demselben des konigs von Beheym, der sich gegen dem Reich keiner gehorsam bekennet, desgleichen Pfalz, nachdem die in irsal steet10, geswiegen, alles der meynung, allenthalben so vil wege, rat und hielf zu suchen, damit frund und veind unseren moglichen fleiss, soweit sich unser leib und gut streckt, spur und nochmals wege gefunden, dardurch das Reich und teutsche nacion von welischen gezung, das doch, solang teutsche /301/ geret worden, uf dieselb teutsch nacion sorge und ufsehen gehapt, errettet und behalten und nit so elendlich zurstort, getrent und ganz in der welischen gehorsam und regirung, die allein uf tyrannei gegrundt ist, gebracht werden.

[5.] Und nemlich ist abzunemen, das wir hirin weder leib noch gut nit sparen bei dem. Wir haben uf diesen tag als ein erzherzog zu Ostereich in unserm sold und zu velde wider die Venediger ob zweinzigtusent mann zu ross und zu fuß. Darzu haben wir von stund nach ende des Reichs tags zu Costenz bißher bei achthundert gerusten pferden us dem land zu Swaben, auch so vil gereysiger pferde us Burgundi und darzu etwavil tusent fussknecht an den grenizen gegen Frankreich und den Eydgenossen uf unsern eygen costen gehapt, da sie auch noch liegen, ob Frankreich oder Eydgenossen uns in unserm abwesen /301’/ uf den rucken, es were in Swaben, Burgundi oder das Elsaß, fallen wolten, das inen widerstand bescheen mocht.

[6.] Aber wo wir mit hielf des Punds die achttusent Eydgenossen bezalen und underhalten, wie obsteet, so hoffen wir dardurch die sechstusent Eydgenossen von Frankreich zu bringen. Damit wer Swaben und Elsass und sonderlich unser land Tirol gegen den Eydgenossen versichert. Hirwiederumb, wo das nit beschee und das daruber die Eydgenossen den Franzosen und Venedigern zuziehen, so wurde sich derselben beiderteils kriegsvolk, darin wir Meyland auch rechen, wider das Reich biß in funfzigtusent mann strecken.

[7.] Wie groß gegen einer solichen uberswenglichen macht des Reichs hielf ist, mogen sie selbs gedenken, die nu auch ein ende hat und im /302/ abzuge ist. Nichtsdestomynder pleiben wir mit unsern erblanden im krieg allein mit dem landvolk, das zum krieg nit geschickt ist, dardurch dasselb landvolk ubereylet und uberwunden wurd, darumb wir teglichs on underlass land und leut verlieren.

Deshalber solicher obliegender last und verlust unserer erbland keinen Reichs tag erlyden mag, dan dazwuschen der merer teil unserer land verloren und dieselben durch einen verzug ustreglicher hielf in unlust fallen und getrungen wurden, uns und inen selbs mit einer rachtigung ein ewig smach anzulegen, die zu erstorung des Heiligen Reichs gedeyen wurde.

Unsere rete sollen iren liebden auch anzeygen, das die veind unsere leut ganz ubereylet, nemlich das sie unversehener ding ein teyl kriegsvolks mit des konigs von Frankenreichs und irem geschutz zu wasser /302’/ und lande uf unser schloß und steet in Virgul [= Friaul], Isterrich [= Istrien], Karst und Crain geschickt, dardurch zu besorgen ist, das sie den merer teil derselben erobern werden, nachdem der meyst haufen unsers kriegsvolks zu und umb Trient pleiben mussen uß sorgen gegen den veinden und Eydgenossen.

[8.] Dem allem nach ist unser hoch begeren an die gemelten unsere lieben neven und churfursten, das sie uns iren getreuen rat anzeygen, wie wir ein dapfere, ustregliche, werende hielf usserhalb des Swebischen Bunds, dieweil der mit bezalung der Eydgenossen, wie vorsteet, belestigt ist, auch sonder oder on einen Reichs tag von dem Heiligen Reich wieder die gemelten unsere veind erlangen und ufbringen mogen.

Und nemlich wer unser beger und gutbedunken, das dieselben unsere /303/ oheymen, die churfursten, von stund einen platz am Rein furnemen und uns den bei diesem boten anzeygen und sie gestracks daselbst hinziehen. So wollen wir uns befleissigen, personlich auch dahin zu komen, damit uf itzt angezeigt meynung das nutzest und best gehandelt moge werden. Und nemlich gefiel uns die stat Frankfurt.

[9.] Ferner ist unser beger, das unsere oheymen, die churfursten, mit und neben unserm rat, doctor Ulrichen von Schellenberg, zu unserm oheym herzog Heinrichen von Brunsweig, den elteren, schicken und an inen begeren lassen, das er mit seiner rustung von stund an zu uns anziehe uf die abrede, so wir mit ime gemacht haben.11 Und das daruf dieselben churfursten neben uns schreiben und handeln, wie wir inen das kurzlich durch unser rete anzeygen werden.

/303’/ Und was unsern reten darin bege[g]net, das sollen sie uns alwegen uf der post, so wir itzt zu inen legen werden, berichten. Geben zu sant Wendel, am lezsten tag Aprilis anno etc. octavo, unsers Reichs im dreiundzwenzigsten jar.

Anmerkungen

1
 Vortrag und Übergabe von Abschriften durch die in der Instruktion genannten ksl. Gesandten an die in Mainz versammelten Kff. Jakob von Mainz, Jakob von Trier und Friedrich von Sachsen, an Bf. Lorenz von Würzburg, den kurbrandenburgischen Gesandten Eitelwolf vom Stein, den Jülicher Gesandten [Friedrich von] Brambach und den hessischen Gesandten Peter von Treisbach am 5.5. (freitag nach dem sontag quasimodogeniti)(HStA München, K.blau 103/4a, fol. 298; StA Würzburg, WRTA 5, fol. 115).
2
 Wenngleich Kurpfalz nicht auf dem Mainzer Tag vertreten war, dient dennoch dessen Überlieferung als Textgrundlage. Sie weist gegenüber der kursächsischen und der Würzburger Tradition eine signifikant geringere Fehlerquote auf.
3
 Eine weitere Abschrift befindet sich auf fol. 45–50’.
4
 Ks. Maximilian informierte seine Tochter Ehgin. Margarethe am 29.4.1508, dass er aufgrund von Warnungen vor einem bevorstehenden Einfall Roberts von Arenberg in das Bm. Lüttich eilends nach Luxemburg habe aufbrechen wollen. Da Arenbergs Vorbereitungen nach neueren Nachrichten jedoch noch nicht abgeschlossen seien, habe er diese Reise verschoben und beabsichtige, mit den rheinischen Ff. über eine Hilfe gegen Frankreich und Venedig zu verhandeln (Druck: Marneffe, Principauté I, Nr. CCII, S. 331f.).
5
 Die niederländische Statthalterin Ehgin. Margarethe hatte zwar bereits im Januar 1508 einen Gesandten zu Kg. Heinrich VII. beordert, unter anderem mit dem Auftrag, diesen um Vermittlung im Geldernkrieg zu bitten. Anscheinend unterbreitete dieser aber erst im Juni, also nach dem Mainzer Tag, einen diesbezüglichen Vorschlag (Skriwan, Kaiser, S. 217f.; Kooperberg, Margaretha, S. 279f.). Von englischen Initiativen bei Kg. Ludwig XII. und Hg. Karl von Egmond ist nichts bekannt.
6
 Konstanzer RAb vom 26.7.1507, §§ 1–12 (Druck: Heil, RTA-MR IX/1, Nr. 268, S. 527–529), und Reichsanschlag vom 21.7. (Druck: ebd., Nr. 271, S. 552–565).
7
 Dies trifft so nicht zu. Die Aggression ging eindeutig von Maximilian aus. Vgl. Guicciardini, Storia II, S. 770–776;Wolff, Beziehungen, S. 97–99; Seneca, Venezia, S. 100f.; Pernthaller, Bestrebungen, S. 127–134; Skriwan, Maximilian, S. 31, 34–41, 52–55; Wiesflecker, Maximilian IV, S. 5f., 12, 15f.
8
 Dem Stück liegen der offensichtlich auch in Mainz vorgelegte Antrag der ksl. Gesandten an die Schwäbische Bundesversammlung (Kop.; act. Ulm, aftermontags nach Philippi et Jacobi[2.5.]1508; HStA München, K.blau, 103/4a, fol. 304–304’, 307; StA Würzburg, WRTA 5, fol. 136’–137’) und der Abschied des am 30.4.1508 eröffneten Bundestages bei. Der Bescheid auf die vom Ks. geforderte Geldhilfe zur Finanzierung der eidgenössischen Söldner war jedoch nicht geeignet, die oben geäußerten Erwartungen zu nähren: Sie erfinden aber bij inen nach ermessung und gelegenheit aller sachen, daz irer ksl. Mt. angezeigt beger in des Bunds vermogen, auch laut der aynung in der versammelung macht nit sij; zudem, daz solichs dannocht gegen den mechtigen und grossen widerstanden, so vor augen sin, nichts erschiessen und im handel, so sich der ferrer ereugen, glich so pald schaden und nachteil als nutz und guts pringen und geberen wurd. Die Versammlung verwies deshalb auf die Notwendigkeit einer vom ganzen Reich zu beschließenden Hilfe. Die Bundesstände baten, in dieser Angelegenheit nicht mehr behelligt zu werden und stattdessen einen RT einzuberufen, stellten jedoch in Aussicht: Waz dan die vom Bund als des Richs stende mit und neben andern stenden des Richs zum pesten furdern und erschiessen mogen, wollen sie irs teils in aller undertenigkait getruwlich und gern tun als gehorsam undertan irer ksl. Mt. und des Heiligen Richs. An dieser Entscheidung änderte auch ein nochmaliger Antrag der ksl. Gesandten nichts mehr. Ebenso wurde die – nur für den Fall einer negativen Antwort der Versammlung auszusprechende – ksl. Einladung an die Bundesstände zum Mainzer Tag als beswerlich, auch nach gestalt und gelegenheit dißes handels unfruchtbar und unerschießlichausgeschlagen (Kop.; HStA München, K.blau 103/4a, fol. 305–306’; StA Würzburg, WRTA 5, fol. 134–136; StA Augsburg, Rst. Nördlingen, Mü. Best. 912, unfol.; StA Bamberg, A 85, Lade 329, Nr. 187, unfol.; StdA Augsburg, Lit. 1508, Fasz. Schwäbischer Bund, Jan.-Dez. 1508, unfol.; StdA Memmingen, A Bd. 292, unfol.; HStA München, KÄA 2013, fol. 238–241; StdA Straßburg, AA 353, fol. 15–16’; HStA Stuttgart, H 53, Bü. 157, Fasz. 47, unfol.; HStA Stuttgart, J 9, Nr. 25, Stück-Nr. 77. Regest: Klüpfel, Urkunden, S. 21f.). Laut Bericht des bayerischen Gesandten Georg Eisenreich an Hg. Wilhelm vom 7.5.äußerten die ksl. Vertreter auf dem Bundestag nach dem ablehnenden Bescheid der Versammlung Bedenken, den Ks. darüber zu informieren, und deuteten an, dass dieser den Bund möglicherweise auflösen wolle. Eisenreich bestritt aber dessen Berechtigung dazu (Or. Ulm, sonntag misericordia Domini; HStA München, KÄA 2017, fol. 420–420’).
9
 Eine schriftliche Einladung an die Kff. war nicht auffindbar. Vgl. jedoch Nr. 9.
10
Spielt auf die nach ksl. Auffassung seit 1504 bestehende Reichsacht gegen Kurpfalz (Wiesflecker, Regesten IV/1, Nr. 18876, S. 521) an.
11
Vgl. die ksl. Instruktion für Wolfgang von Zülnhart als Gesandten zu den Hgg. Heinrich d. Ä. und Heinrich d. M. von Braunschweig (Regest: Heil, RTA-MR IX/2, Nr. 810, S. 1180f., Pkt. 1).