Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Die Adressaten, Bf. Heinrich von Augsburg und die übrigen sechs Deputierten von Kg. und Reichsständen1, haben ihnen, den bfl. Prokuratoren, am vergangenen Mittwoch (goedensdach) [2.6.] die sächsische Replik zugestellt, mit der Aufforderung, bis heute ihre Duplik einzureichen. Sie erscheinen demgemäß heute zur Vorlage der Duplik, erneuern allerdings zugleich ihren schon früher eingelegten Protest [Nr. 371, Pkt. 3]. Sie haben vier gelehrte Drr., zwei davon in Konstanz wohnhaft, beauftragt, die Replik, die sie – wie bereits den Deputierten gegenüber erklärt – nicht verstanden haben oder übersetzen konnten, in das Lateinische zu übertragen. Diese mußten jedoch einräumen, nicht alle Artikel begriffen zu haben. Ihre Bitte an die Deputierten, ihnen auf ihre Kosten einen Rechtsgelehrten für die Übersetzung zur Verfügung zu stellen, wurde zwar abschlägig beschieden. Sie wiederholen jedoch diesen Antrag. Nur so ist zu gewährleisten, daß ihre Duplik nicht auf einem irrtümlichen Verständnis der Replik basiert.

[2.] Sie bekräftigen angesichts der sächsischen Replik noch einmal ihren früheren Protest und ihre Exzeption und erklären, daß ihr Stillschweigen zu einzelnen Punkten keinesfalls als Zustimmung gelten darf. Sie anerkennen diese Replik im übrigen nicht als solche, da sie nicht den Anforderungen eines rechtlichen Verfahrens genügt. Sie erneuern ebenso ihren Protest, daß sie den röm. Kg. nicht als den für diesen Fall zuständigen Richter anerkennen. In diesem Verfahren kann es ausschließlich um die Feststellung der Tatsache gehen, daß Bf. Friedrich durch die Besetzung Groningens um sein rechtmäßiges Eigentum gebracht wurde.

[3.] Sie bestreiten die Behauptung der sächsischen Replik, wonach der Bf. ungehorsam gegen die kgl. Zitation war, als er seine Prokuratoren in ihrer Exzeption protestieren ließ, daß ihr Erscheinen keineswegs eine Anerkennung der kgl. Gerichtsbarkeit in diesem Fall impliziere. Sie erneuern vielmehr ihren in der Exzeption geltend gemachten Vorbehalt bezüglich dieses Verfahrens.

[4.] Es ist ebenfalls unzutreffend, daß Bf. Friedrich vorgeladen worden sei, um seine Rechte bzgl. Groningens zu beweisen. Vielmehr genügt die in der Exzeption gemachte und hiermit in dieser Duplik erneuerte Feststellung, daß diese Rechte seit Menschengedenken nicht in Frage gestellt wurden, und das damit verbundene Angebot, eventuellen Forderungen auf dem Rechtsweg zu begegnen, sobald das Eigentumsrecht Bf. Friedrichs an Groningen wiederhergestellt ist. Wenngleich in der bfl. Vollmacht ihre Befugnisse für ein Rechtsverfahren definiert wurden, so sind sie doch nicht verpflichtet, davon Gebrauch zu machen, bevor nicht die Voraussetzungen für ein solches Verfahren hergestellt sind.

[5.] Bezüglich des in der Replik geltend gemachten Arguments, daß der Bf. aufgrund der Zitation hätte wissen müssen, daß eine Klage gegen ihn anhängig gemacht werde, da zwischen Hg. Georg und Bf. Friedrich kein anderer Streit als um Groningen und die ihm als Statthalter aufgrund der Politik Utrechts entstandenen Kosten und Schäden bestehe, wenden sie ein, daß der Bf. nicht verpflichtet war, die Zitation in dieser für ihn nachteiligen Weise auszulegen; von einer Forderung über 500.000 fl. stand darin nichts. Ebenso darf dem Bf. der Umstand, daß er Hg. Georg wegen der Aneignung Groningens noch nicht rechtlich belangt hat, nachteilig als Arglist ausgelegt werden. aDer Bf. hat – wie bereits in der Exzeption dargelegt – dem Hg. jederzeit alle notwendige Hilfe geleistet, außer gegenüber der Stadt Groningen, wo er zur Verteidigung des Eigentums der Utrechter Kirche verpflichtet war.

[6.] Die sächsische Replik argumentiert, daß kein Unterschied bestehe, ob die kgl. Zitation von Amts wegen oder aufgrund der Klage einer interessierten Partei ausgegangen sei, und fordert deshalb, aufgrund der sächsischen Klage in ein Rechtsverfahren einzutreten. Sie machen hingegen darin einen erheblichen Unterschied aus. Diesen zu beachten, ist die Pflicht des Richters, um Nachteile für eine Partei auszuschließen, wenn nicht zu erkennen ist, ob eine Zitation aufgrund einer Klage ausgegangen ist. Daß die kgl. Zitation an den Bf. ex officio erging, räumte die Gegenseite in ihrer Replik selbst ein, wenn es heißt, daß es dem röm. Kg. darum ging, Streit zwischen den beiden Parteien um die Stadt Groningen zu verhüten, was ja die Aufgabe des Kg. ist.

[7.] Die sächsische Replik macht geltend, daß die Spoliation nicht durch Hg. Georg, sondern durch einen Dritten, Gf. Edzard von Emden, und ohne sein Wissen erfolgt sei, weshalb das Hauptverfahren fortgesetzt werden müsse. Dabei sei es auch ohne Bedeutung, daß der Gf. zu dieser Zeit in sächsischen Diensten gestanden habe. Doch war damals in den Niederlanden allgemein bekannt, daß das Vorgehen gegen Groningen dazu diente, die Stadt in die Gewalt Hg. Georgs zu bringen und daß Gf. Edzard dabei als dessen oberster Feldhauptmann fungierte. Unbestreitbar ist, daß Hg. Georg seine Truppen vor der Stadt beließ – und nicht etwa abgezogen hat –, bis diese schließlich gewaltsam eingenommen wurde. Angesichts dieser Faktenlage hat die Replik gegenüber dem Interdikt „Unde vi“2 keinen Bestand. Die Exzeption ist dadurch rechtlich unangreifbar, die Restitution des Spoliierten hat jeglicher Klage Dritter voranzugehen, auch wenn diese nicht im Besitz des Spoliums sind. Bf. Friedrich ist nicht verpflichtet, sich in ein Rechtsverfahren gegen Hg. Georg einzulassen, solange ihm Groningen nicht zurückgegeben wurde.

[8.] Das Argument der gegnerischen Replik, daß die Exzeption ungültig sei, da die Spoliation vor der kgl. Zitation datiere, ist nicht zulässig. Entscheidend ist, daß die Exzeption vor Eintritt in das rechtliche Verfahren stattfindet. Es bleibt dabei, daß vor Eintritt in die Hauptverhandlungen Groningen an den Bf. zurückgegeben werden muß.

[9.] Gegen das Argument, Hg. Georg habe in Vollzug des kgl. Achturteils gegen die Stadt kein Unrecht begehen können und Bf. Friedrich habe auch kein Unrecht gegen sich geltend gemacht, wenden sie ein, daß der Bf. auch dann nicht in seinen Rechten beeinträchtigt werden darf, wenn seine Untertanen ohne seine Mitwirkung ein Unrecht begangen haben sollten.

[10.] Hinsichtlich der Erklärung Hg. Georgs, die Rechte des Hst. Utrecht nicht schmälern zu wollen, bitten sie, es auch so zu halten.

[11.] Stellen fest, daß Bf. Friedrich der ausgegangenen Zitation in ausreichendem Maße nachgekommen ist, so daß nicht gegen ihn als Ungehorsamen prozessiert werden darf. Ebensowenig darf die Klage Hg. Georgs gegen den Bf. zugelassen werden, solange dieser nicht Groningen zurückerhalten hat.

In Konstanz am 7. Juni 1507 an die Deputierten des Kg. und der Reichsstände übergeben.3 

Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 8194/10, fol. 32–41’ (niederdt. Kop. mit lateinischen Randvermerken, vermutlich Hd. H. Goede, die teils den Inhalt kennzeichnen, teils Argumente für die sächsische Gegendarstellung enthalten; Präsentatvermerk).

Anmerkungen

1
 = Dr. Ludwig Vergenhans und Hans Imber zu Gilgenberg als Vertreter Kg. Maximilians sowie je ein Kurmainzer, ebfl. Magdeburger, Württemberger und bayerischer Rat. Vgl. Nrr. 369 [Pkt. 6], 378 [Pkt. 1].
a
–a Der ... geleistet] Notazeichen neben dem Randverm.: Quod praestitit nobis opem etc.
2
 CICivilis, Codex Iustinianus 8,4; Digesta 43,16,3 (Krueger, Corpus II, S. 333; I, S. 737). Vgl. zu dem Interdikt Müller, Besitzschutz, S. 14.
3
 Bei dem Datumvermerk (7.7.) auf dem Stück (fol. 32) handelt es sich um ein Versehen; danach auch die irrtümliche Datierung bei Baks, Inventaris, Nr. 2120, S. 429.