Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Verhandlungen mit Kg. Maximilian über die pfälzischen Verluste im Landshuter Erbfolgekrieg; [2.] württembergische Initiative zu einem Ausgleich mit Kurpfalz; [3.] Antwort der kurpfälzischen Gesandten; [4.] Anregung Württembergs zu Vermittlungsverhandlungen und Erwägung einer dynastischen Verbindung; [5.] Bewertung der württembergischen Initiative durch die kurpfälzischen Gesandten; [6.] Bewertung des RT; [7.] Festveranstaltung am 30. Juni, Vorbereitungen für Reichsbelehnungen, bevorstehende Abreise des Kg. und der Reichsfürsten; [8.] Empfehlung zu einer baldigen Entscheidung Kf. Philipps insbesondere über die württembergischen Initiative und eine mögliche Vermittlung Kursachsens zwischen Kurpfalz und Nürnberg.
[Konstanz], 29. Juni 1507 (dinstags St. Peter und Pauls der hl. zwolfboten tag) ; präs. Heidelberg, 3. Juli.
München, HStA, Fürstensachen 963, fol. 179–180’ (Or. Hd. Venningen); ebd., Fürstensachen 217/II, fol. 184–188 (Nachschrift Hd. Venningen).
[1.] Sie wurden in den letzten acht bis zehn Tagen fünfzehn- bis zwanzigmal vom Kg. selbst, durch den kgl. Kanzler oder durch Paul [von Liechtenstein] vorgeladen und mußten dann jeweils vergeblich warten. Obwohl dafür verschiedentlich triftige Gründe bestanden haben mögen, haben sie sich doch über die Verzögerung beschwert und den Verdacht geäußert, es könnten dafür noch andere als die ihnen zur Kenntnis gebrachten Ursachen verantwortlich sein. Über ihre Geduld wunderte sich auch der Kg. schon. Indessen haben alle Zusagen bisher nichts gebracht, sie werden mit guten Worten abgespeist. Liechtenstein, der für glaubwürdiger gehalten wird als die anderen [kgl. Räte], hat ihnen für heute oder morgen die Fortsetzung der Verhandlungen angekündigt. In Übereinstimmung mit der kfl. Weisung1 haben sie beschlossen, den Kg. in drei oder vier Tagen um ihre Verabschiedung zu bitten, wenn bis dahin keine Fortschritte erkennbar sind, und nach Hause zu reisen, sobald dies die übrigen Angelegenheiten zulassen. Sie haben am Sonntag [27.6.] erfahren, daß der Grund für die Verzögerung darin bestehe, daß man nicht wisse, wann und wie man das Geld, gleich ob 50 000 fl. oder mehr, aufbringen oder worauf man es anweisen könne, da der größte Teil der Eroberungen und der daraus fließenden Einkünfte verkauft oder verpfändet worden sei bzw. Abgaben [an Kg. Maximilian] auch erlassen worden seien. Eine Barzahlung könne der Kg. keinesfalls leisten. Dies wolle man nicht publik werden lassen und schiebe deshalb andere Gründe vor.
Sie haben inzwischen vorbehaltlich seiner Zustimmung beschlossen, in einen Vertrag einzuwilligen, ungeachtet der Tatsache, daß eine sofortige Zahlung oder ausreichende Versicherung über die Summe nicht möglich ist. Voraussetzungen für einen Abschluß sind ihres Erachtens die Einigung auf eine für beide Seiten akzeptable Summe, die Rückgabe des kfl. Titels an ihn, seine Lösung und die seiner Gefolgsleute aus der vermeintlichen Acht sowie ihre Restituierung – vorbehaltlich des Kölner Abschieds – und die Bezahlung des Geldes in absehbarer Zeit bzw. eine Bürgschaft über die Bezahlung, wie sie im Reich üblich ist. Die Übergabe der Verzichtserklärung, der Pfandbriefe und anderer Urkunden soll allerdings erst dann vor sich gehen, wenn ihm das Geld bezahlt wurde oder regelmäßige Zahlungen aus Einkünften gesichert sind. Falls der Kg. oder seine Erben nicht bezahlen oder die Zahlung nicht sichern können, so hat er doch seinen kfl. Titel zurück, ist aus der Acht gelöst und hält die Verzichtserklärung und alle übrigen Urkunden noch in Händen. Zudem könnte er gemäß dem Vertrag Forderungen wegen des erlittenen Schadens und der vorenthaltenen Einkünfte erheben. Dies wäre in jedem Fall besser, als auf einer gesicherten Finanzierung zu bestehen und damit die ebenso mühseligen wie kostspieligen Verhandlungen vielleicht zum Scheitern zu bringen und ohne Titel, dafür jedoch in der Acht zu bleiben. Bitten um diesbezügliche Weisungen.
[2.] [PS] Bestätigen den Empfang seiner Weisung bezüglich Württembergs.2 Obwohl einige wohlmeinende Personen, die einen Ausgleich zwischen Kurpfalz und Württemberg befürworten, viele Gespräche führten, ist seither nichts Berichtenswertes mehr geschehen. Die Gründe benannte die württembergische Seite gegenüber einem guten Freund: Hg. Ulrich habe sich gegenüber Kurpfalz immer gutwillig und freundlich erzeigt. Die Gründe für sein, überdies vom Kg. befohlenes Vorgehen im Landshuter Erbfolgekrieg hätten auf pfälzischer Seite gelegen. Er habe sich danach mit Kf. Philipp wieder in ein freundliches Einvernehmen setzen und die nötigen Schritte dafür [während des RT] in Köln unternehmen wollen. Dieser habe Hg. Ulrich jedoch abgewiesen, was beim Hg., seinen Räten und den württembergischen Landständen einen gewissen Unwillen erzeugt habe. Doch sei Hg. Ulrich weiterhin zu einem bestimmten Entgegenkommen, wenn auch nicht so weitgehend wie in Köln, bereit gewesen und habe die Vermittlungsbemühungen gemeinsamer Freunde angenommen und seine Räte zu einem anberaumten Tag abgeordnet. Diese Haltung sei jedoch auf pfälzischer Seite nicht erwidert worden; bei den Verhandlungen hätten die Räte Kf. Philipps jede Nachgiebigkeit von seiner Seite mit noch höheren Forderungen beantwortet. Vom Willen zu einem Übereinkommen habe man nichts feststellen können. Der Hg. habe deshalb mit seinen Landständen beraten, wie man sich künftig gegenüber Kurpfalz stellen solle. Auf dem Landtag sei in Anbetracht der kompromißlosen kurpfälzischen Haltung beschlossen worden, anders als bis dahin angeboten, keine Eroberungen zurückzugeben und sich gleichzeitig gegen Kurpfalz abzusichern. Aufgrunddessen seien weitere Verhandlungen und die Rückgabe von Eroberungen schwierig. Dennoch wolle es Hg. Ulrich von seiner Seite an nichts fehlen lassen, sofern er feststelle, daß auf der Gegenseite der ernsthafte Wille zu einem Ausgleich vorhanden sei. Die Rückgabe Neuenstadts und Möckmühls sowie der Besitzungen Gf. Ludwigs von Löwenstein sei durchaus möglich. Weinsberg könne ein Problem werden, es sei denn, die pfälzische Seite wäre mit einer Geldzahlung einverstanden. Eine solche Regelung wäre mit dem Landtagsbeschluß vereinbar. Schließlich habe Hg. Ulrich auch erhebliche Kosten gehabt. Vielleicht eröffneten sich auf einem gütlichen Tag noch andere Auswege, die man jetzt noch nicht sehe. In jedem Fall sei Hg. Ulrich zur Aufnahme von Vermittlungsverhandlungen erst bereit, wenn er die Position der Gegenseite kenne und ihren ernsthaften Willen zu einer vertraglichen Einigung habe feststellen können.
[3.] Sie haben in ihrer Erwiderung die kurpfälzische Position gerechtfertigt und neben vielen anderen Aspekten, die wiederzugeben hier nicht der Raum ist, den Wunsch nach einem gutnachbarlichen Verhältnis zu Württemberg bekundet, einen Verzicht auf die eroberten Gebiete ohne Gegenleistung jedoch abgelehnt. Sie ersuchten ihre Gesprächspartner, Hg. Ulrich von zu harten Forderungen abzubringen und seine Zustimmung zu einem gütlichen Tag zu erlangen.
[4.] Ihre Gesprächspartner hörten ihre Darlegungen nicht ungern. Diese gaben ihrerseits vertrauliche Äußerungen ihrer Kontaktleute auf württembergischer Seite wieder, daß Hg. Ulrich keine große Neigung habe, die Tochter Hg. Albrechts [Sabine] zu heiraten und man unter der Voraussetzung der Wiederherstellung guter Beziehungen durchaus über eine Eheverbindung zwischen Württemberg und Kurpfalz sowie über eine Einung unter Einbeziehung von Kurmainz und Würzburg sprechen könne. Dies könne die Rückgabe von Eroberungen [Württembergs] an Kurpfalz mit Zustimmung der Landstände erleichtern. – Sie haben daraufhin gebeten, die Bemühungen fortzusetzen.
[5.] Das kürzliche Eintreffen des württembergischen Kanzlers [Gregor Lamparter] interpretieren sie als Hinweis auf weitere diesbezügliche Beratungen auf württembergischer Seite. Aus hier nicht im einzelnen darzulegenden Gründen halten sie es indessen für unwahrscheinlich, daß es in Konstanz zu einem abschließenden Ergebnis kommt, sondern lediglich ein Termin für einen Vermittlungstag vereinbart werden kann. Es liegt im Interesse beider Seiten, besonders aber Kf. Philipps, daß dieser stattfindet.
[6.] Dan wir wollen euern ftl. Gn. kainswegs ains, dz uns in hohem vertruwen eroffnet worden, bergen, daß diser deß Hl. Röm. Richs tag der Kff. und Ff. personen halben balde zergee und sin entschaft nemen wirdet und, als viel wir vermerken, on ends oder besonder groß außrichtung, daß auch viel dinge und mit etwas ungeschicklicheyt furgnommen und gehandelt worden, on rat, darzu wider der Kff., Ff. und stenden /186’/ deß Richs willen oder gefallen. Und wiewole ein anlegen gemacht und bewilligt, dorin euer ftl. Gn. wie ein Kf. (als wir bericht) auch begriffen und angelegt sin sol, die sie vlicht dar zu volzihen furhaben mogen, so laßt man sich doch sere bedunken, die anschlage und dz furgnommen wil warden, kunde uber lang oder kurz zu keinem guten ende wagßen. Und wirt der und ander sachen halber ein yder, wer der ehe sie, hie abwychen ader kurz darnach gedenken, wo und wie er bliben moge.
[7.] Es wirt auch, als die sage, uf morgen, mittwochs [30.6.], die röm. kgl. Mt. ein schiessen und darzu ain trefflich, schons banket halten, darzu dan ydem F., wieviel tisch und essen er haben, ufgelegt, verzeichnet zugeschickt und uf nachgeenden dornstags [1.7.] die lehen vor der statt uf einer wißen mit zugerichtem stul oder tabernakel mit großem bracht etlichen Ff. lyhen und, als man sich versiecht, wir auch in der geheim vernemen, darafter sins blibens nit lenger sin. Hg. Albrecht an nesten fritag [2.7.] oder samßtags [3.7.] abzuryten oder die pferd zu treffen willens. So haben Meynz und Wurzburg, derglich etlich ander in irn stiften und ander sachen außzurichten, konden nit wole pliben. Wollen aber ir ret doch gern hie laßen, zu ferner notturft zu ratschlagen. Dermaß unßerer achtung die uberigen auch tun werden, alzo daß in summa daruf stet, daß uber acht oder X tage ufs lengst nit viel Ff. hie gefunden werden, den nesten heimtrachten und yder, waß er im selbs schuldig und sin aygen sachen und nucz, bedenken.
[8.] Dies sollte auch er, Kf. Philipp, beizeiten tun. Dan solt euer ftl. Gn. also pliben siczen, der Kg. teuschen /187/ landen den ruck kern und vlicht auch ander zufell zusten oder wagßen, nichtdestweniger der Swabisch Bund besteen und in weßen pliben, darzu die andern euer ftl. Gn. widerwertigen nit etlichermaß zerdrent oder im nach nit abe [nach Italien] gezogen sin werden, waß sorglicheyt und fare euer ftl. Gn. zu besteen hett, sampt den sweren obliegenden schulden, auch der boheimschen und ander sachen halben e. ftl. Gn. landen und leuten zuwagßen mocht, haben euer ftl. Gn. selbs wole zu ermeßen. Er sollte sich also bald entscheiden, was er in seinen Angelegenheiten und insbesondere auch in bezug auf Württemberg zu tun gedenkt, damit man vor Abreise der Ff. den Termin für einen Vermittlungstag vereinbaren kann. Sie befürchten, daß Württemberg sich sonst mit den Eidgenossen und anderen einläßt und die jetzige Gelegenheit nicht mehr wiederkehrt. Sie sind wie der Bf. von Würzburg der Meinung, daß keiner seiner Kriegsgegner Kurpfalz mehr nützen oder schaden kann als der Hg. von Württemberg. Die Trennung der Kriegsgegner und die Verhütung künftigen Schadens kann jetzt und hier eher ins Werk gesetzt werden als zu einer anderen Gelegenheit. Falls er noch in Konstanz eine Vermittlung Kf. Friedrichs von Sachsen mit Nürnberg zulassen würde, was er, Landschad, schon vor Jahren vorgeschlagen hat, so bestünde die Möglichkeit, bald zu einer vertraglichen Einigung zu kommen. Sie könnten, sein Einverständnis vorausgesetzt, durch Vermittler den Termin für einen Tag vereinbaren lassen. Der Abschluß eines Vertrages noch in Konstanz ist wohl nicht möglich. Ersuchen ihn, sein eigenes Wohl wie das seiner Söhne, Lande und Untertanen zu bedenken und sie so bald wie möglich über seine Entscheidung zu informieren, ehe die riegel furgeschoben werden und die Gelegenheit vertan ist.