Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Frage der persönlichen Teilnahme Hg. Albrechts am RT; [2.] Verzögerung des Schwäbischen Bundestages in Überlingen; vorübergehende Abreise Kg. Maximilians sowie Hg. Ulrichs von Württemberg aus Konstanz; [3.] Streit um das niederbayerische Erbe: Unterredungen Plieningens mit Ebf. Ernst von Magdeburg, Kf. Jakob von Mainz, Bf. Lorenz von Würzburg und Bf. Heinrich von Augsburg; [4.] Streit um das niederbayerische Erbe: Frage der persönlichen Teilnahme Hg. Albrechts am RT.

Überlingen, 10. Mai 1507 (montag nach vocem jocunditatis); präs. München, 12. Mai.

München, HStA, KÄA 3136, fol. 270–273’ (eh. Or., Postverm.: Zu aygner ftl. hande.).

[1.] Bestätigt für den Vortag (sontag vocem jocunditatis) den Empfang eines hgl. Schreibens [Nr. 586] und referiert dessen Inhalt. Er konnte nicht feststellen, daß der Kg. die in Konstanz versammelten Stände ersucht hat, ihn durch Gesandte zum persönlichen Erscheinen auf dem RT aufzufordern. Es hieß, der Kg. wolle Hans Kaspar von Laubenberg deshalb zu ihm abfertigen; die Instruktion sei allerdings bislang nicht erstellt worden, und vielleicht werde dies auch unterbleiben. Doch wurden die Schwäbischen Bundesstände heute morgen bei Eisenreich und ihm selbst vorstellig, was ihrem gemeinsamen Bericht [Nr. 588, Pkt. 8] zu entnehmen ist.

[2.] Die Bundesstände haben nach der Abreise Hg. Albrechts aus Augsburg beschlossen, am 9. Mai (sontag vocem jocunditatis) in Überlingen zusammenzukommen. Etliche Teilnehmer sind allerdings erst heute morgen hier eingetroffen, Hg. Ulrich von Württemberg wird ebenfalls für heute erwartet. Deshalb hat der Bund in den Angelegenheiten Hg. Albrechts bislang nicht mit dem Kg. verhandelt.

Er selbst traf am 3. Mai (montag nach dem sontag cantate) um zwei Uhr nachmittags per Schiff in Konstanz ein. Und ist kgl. Mt. in derselben stund meiner zukunft in maynung, etlich puchsen abzuschiessen, in die Maynau mit etlichen Kff. und Ff. gefarn. Und do sye die buchsen abgeschossen, urplupflingen1 von den Kff. und Ff. urlaub genomen, in irer Mt. schiffung gen Unterzell zu Undersee gefarn, morgens fru gen Rotweyl, die stat einzunemen, geritten mit ganz wenig folks. Hg. Ulrich von Württemberg ist einige Tage zuvor nach Stuttgart geritten, um dann am Bundestag teilzunehmen, wo er also erwartet wird. Da sie Weisung haben, gemeinsam mit den Bundesständen beim Kg. vorstellig zu werden, dieser aber nicht da ist und die Bundesstände erst gestern spät abends eingetroffen sind oder noch heute eintreffen werden, konnten er und die übrigen hgl. Räte bislang nichts unternehmen.

Georg von Emershofen hat ihnen mitgeteilt, daß der Kg. gestern von Rottweil aufgebrochen und nach Tuttlingen geritten sei. Der Kg. habe die Bundesstände nach Mühlheim (Mulhan) beschieden, das von Tuttlingen eine halbe Meile und von Überlingen drei Meilen entfernt liege. Ein Reiter benötige für die Strecke acht Stunden. Was die Bundesstände zu tun gedenken, steht in seinem und Eisenreichs Bericht. Er konnte aus dem angezeigten Grund noch nicht mit Hg. Ulrich von Württemberg selbst sprechen, aber der Propst von Backnang [Dr. Peter Jakobi] rät zum persönlichen Erscheinen auf dem RT.

[3.] Da die Gegenseite gegenüber den Ständen schamlos die Wahrheit nach ihrem Gutdünken beugt, begab er sich zum Ebf. von Magdeburg, um diesem ausführlich den wahren Sachverhalt darzustellen. Der Ebf. erklärte daraufhin, daß er Hg. Albrecht angesichts der Vielzahl der bisher geschlossenen Verträge nicht dazu raten könne, sich in eine weitere begrenzte Regelung einzulassen; er wünschte aber, der Hg. würde ungeachtet dessen, was er und seine Landstände entschieden hätten, nach Konstanz kommen. Dies würde ihm gegenüber den Ständen und dem Kg. im Sinne eines abschließenden Vertrags über den Streit zweifellos von Nutzen sein. Er und andere Ff. wollten das Ihre dazu tun, daß dem Hg. zu seinem Recht verholfen werde. Er wisse, daß der Kg. sehr erzürnt darüber sei, daß der Hg. nicht selbst kommen wolle. Es könne gut sein, daß der Kg. in seiner Abwesenheit zu Mitteln greifen werde, die man sonst verhindern könne. Die Gegenseite versäume in dieser Hinsicht nichts. Er, Plieningen, solle dies als Ratschlag des Ebf. schreiben. Dann yetzt ursachen vorhanden, dadurch kgl. Mt. zu furderung rechts und fridens gedrungen mochte werden. So könne auch Hg. Albrecht durch einen verbindlichen Vertrag zu seinem Recht kommen.

Er bat auch den Ebf. von Mainz, nach Überlingen zu kommen. Dieser riet ebenfalls zum persönlichen Erscheinen Hg. Albrechts in Konstanz, wo er und andere Stände die Angelegenheit zu einem Abschluß bringen wollten. Und wo kgl. Mt. ine des Reychs hendels halben von Costenz wolt lassen abreiten, erpot sich sein Gn., willig sein, zu bliben. 

Ebenso bemühte er sich, dem Bf. von Würzburg den wahren Sachverhalt darzulegen, und bat ihn, anderslautenden Darstellungen keinen Glauben zu schenken. Dieser zeigte sich freundlich und erklärte, daß das Scheitern seiner Vermittlungsverhandlungen in München und Landshut auf die Haltung der Gegenpartei zurückzuführen gewesen sei.2 Er hoffe deshalb, Hg. Albrecht werde persönlich nach Konstanz kommen, wo man den Konflikt zweifellos in für den Hg. akzeptabler Weise werde beilegen können. Falls Pfgf. Friedrich abermals nicht kompromißbereit sein sollte, so wäre dies zum Schaden seiner Mündel [Ottheinrich und Philipp]. Da der Kg. so hartnäckig auf dem Erscheinen Hg. Albrechts insistiere, rate er, dieser Forderung nachzukommen. Sämtliche Stände, auch er, der Bf., selbst, würden zur Beilegung des Streits beitragen – und dies vor Eintritt in andere Verhandlungen. Trotz seiner Erkrankung würde er gerne 100 Meilen Weges auf sich nehmen, um die Sache zu einem Ende zu bringen. Aus der Darstellung des Sachverhaltes könne er entnehmen, daß von seiten Hg. Albrechts nichts unterlassen worden sei. Die Gegenpartei müsse einlenken oder die Konsequenzen tragen; sie könne dabei weder auf ihn selbst noch auf andere Stände bauen.

Auch der Bf. von Augsburg rät ihm, zu kommen.

[4.] Auch wenn Wasserburg militärisch gewonnen würde, so blieben doch noch viele Punkte ungeklärt. Konrad von Schellenberg, der beim Kg. war, teilte ihm mit, daß dieser auf dem persönlichen Erscheinen Hg. Albrechts auf dem RT beharre; andernfalls habe er große Ungnade zu gewärtigen. Im gleichen Sinne äußerten sich viele andere wohlgesinnte Personen, so auch Georg von Emershofen. Der Kg. habe diesem und anderen gegenüber wortreich lamentiert, daß Hg. Albrecht keinen anderen Freund habe als ihn, daß dieser ihm jedoch nicht vertraue und mit seiner Haltung seine Geringschätzung des Kg. und der Reichsangelegenheiten bekunde. Die Gegenseite gründe alle ihre Erwartungen auf das Ausbleiben Hg. Albrechts.

In Anbetracht dessen glaubt er nicht an einen Erfolg der Verhandlungen, die sie und die Bundesstände mit dem Kg. führen sollen. Dieser wird weiterhin auf seinem persönlichen Erscheinen beharren. Auch steht zu befürchten, daß die Gegenpartei im Falle seines Ausbleibens eine für ihn nachteilige Entscheidung des Kg. erreichen wird. Seiner Meinung nach kann durch die Einnahme des Unterpfands der Streit nicht beendet werden. Auf Dauer wären die negativen Folgen wohl größer. Auch gilt es zu bedenken, ob man das hartnäckige Drängen des Kg. und so bedeutender Reichs- und Bundesstände ignorieren kann. So hat er zwischen zwei Übeln zu wählen. Doch könnte man problemlos Gründe für seine vorzeitige Abreise finden, falls der RT sich in die Länge ziehen sollte. Sollte wider Erwarten keine annehmbare Verhandlungslösung zu erreichen sein, kann man das Unterpfand mit Hilfe des Schwäbischen Bundes immer noch innerhalb von sechs Wochen einnehmen.

Bittet, seine flüchtige Handschrift zu entschuldigen. Der Bundesbote hat gedrängt. Für ihre weitere Berichterstattung behalten sie den hgl. Boten Asmus [Lotte] bei sich.

Anmerkungen

1
 = urplötzlich (Schmeller, Bayerisches Wörterbuch I/1, Sp. 460).
2
 Spielt auf die von Bf. Lorenz von Würzburg und anderen kgl. Kommissaren von Januar bis März 1505 geführten Vermittlungsverhandlungen zwischen Hg. Albrecht von Bayern und Pfgf. Friedrich an. Vgl. dazu Heil, RTA-MR VIII/1, S. 91–95.