Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

Nr. 115 Gutachten von Nürnberger Ratskonsulenten – [Nürnberg, wohl kurz vor dem 23. Februar 1509]1

[1.] Durchführung eines Schiedsverfahrens; [2.1.] Beschwerden des Bf. von Bamberg gegen die Stadt Nürnberg: Streitigkeiten insbesondere um die Hochgerichtsbarkeit in der Hofmark Fürth, [2.2.] Übergriffe Nürnbergs, [2.3.] strittige Steuerrechte und [2.4.] strittige Gerichtsbarkeit im Landgericht Bamberg, [2.5.] strittige Ansprüche auf das Kloster Weißenohe; [3.1.] Beschwerden Nürnbergs gegen den Bf. von Bamberg: strittige Ansprüche auf Lonnerstadt, [3.2.] Anspruch Nürnbergs auf die Hochgerichtsbarkeit über Veldenstein, [3.3.] strittiger Wildbann in Velden, [3.4.] strittige Holznutzungsrechte Veldens und Betzensteins.

Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Ratschlagbücher, Nr. 1, fol. 4–7 (Kop.).

[1.] Nach Auffassung der Ratskonsulenten ist noch unsicher, ob und in welcher Weise die beiden Unterhändler2in Worms tätig werden wollen. Doch gilt es hinsichtlich der Instruierung der Gesandtschaft zu berücksichtigen, dass auf jeden Fall in gütlicher Form verhandelt werden wird.

[2.1.] Was die Bamberger Beschwerden, wie sie in der Abrede [vom 17.11.1508] fixiert wurden, und insbesondere die Hochgerichtsbarkeit in der Hofmark Fürth angeht, ist der den Nürnberger Vertretern in Schmalkalden unterbreitete Vorschlag in einigen Punkten unannehmbar.3

Ein möglicher Vermittlungsvorschlag könnte jedoch folgendermaßen lauten: Der Bf. von Bamberg verzichtet zugunsten Nürnbergs auf die Ausübung der Hochgerichtsbarkeit in Fürth (Furt)und in der Hofmark. Der Bf. wird jeweils dem vom Nürnberger Rat gewählten Richter den Blutbann leihen, der diesen dann gemäß dem Gemeinen Recht in der Hofmark ausübt. Eine Ausnahme sollen Totschlagsdelikte bilden, bei denen mit dem Nehmen des Freispfands4gemäß dem Landesgebrauch verfahren werden soll. Unter die Hochgerichtsbarkeit und die Freisstrafen fallen dabei alle Delikte, die mit Strafen an Leib und Leben zu ahnden sind. Die Ausübung der Hochgerichtsbarkeit soll der Bamberger Dompropstei an ihren übrigen Rechten nichts benehmen. Doch soll es mit dem Frevel, d. h. Taten, die nicht an Leib und Leben zu strafen sind, gemäß dem Herkommen gehalten werden: Den auf frischer Tat ertappten Verbrecher urteilt die für den Tatort zuständige Obrigkeit ab, andernfalls ist der Gerichtsort des Klägers maßgeblich. – Durch diese für Nürnberg vorteilhafte Regelung würden sich überdies weitere in Schmalkalden von der Gegenseite eingebrachte [im folgenden aufgelistete] Artikel bezüglich der Freis erledigen.

Eine zweite Möglichkeit wäre, dass Nürnberg die Hofmark samt allem Zubehör mit Ausnahme des Zehnten gegen andere, für Bamberg günstig gelegene Besitzungen, z. B. Sambach (Sanpach), eintauscht. Drittens könnte versucht werden, die Hofmark zu kaufen.

Die Nürnberger Vertreter sind gehalten, diese Vorschläge ausserhalb deß verzaichenten mittels nit anzeregen, die wurden dann selbs durch die Bambergischen angeregt. Dann es wurd ains das ander verhindern. Ist sich auch nit zu vermuten, das derhalben was werd angezaigt, zuvor dweil die hofmark mit irn gutern nit dem bischof, sonder tumbpropst zusteet.

[2.2.] Hinsichtlich der Beschwerde Bambergs wegen des Nürnberger Vorgehens in Weisendorf sowie in der Gegend zwischen Pretzfeld (Bretfeld)und Kirchehrenbach (Erenbach)sollen die Gesandten die Vermittler ersuchen, diesen Punkt bis zur Erledigung des zentralen Streitpunkts, der dieses Vorgehen veranlasst hat, zurückzustellen, und sich dann um eine Aufrechnung mit Übergriffen [der Gegenseite] bemühen.

[2.3.] Bezüglich Steuer und Heeresfolge ist der in Schmalkalden gemachte Vermittlungsvorschlag bei Berücksichtigung der von den Nürnberger Vertretern vorgeschlagenen Ergänzung akzeptabel: Bamberg nimmt die Steuer an denjenigen Orten ein, wo es dies auch bisher getan hat, ungeachtet, ob Nürnberger Bürger dort begütert sind. Nürnberg hingegen darf diese Besitzungen nicht mit Abgaben belegen. Die im Landgericht gelegenen und bislang nicht von Bamberg besteuerten Nürnberger Güter sind der Stadt steuerpflichtig. Umgekehrt darf Nürnberg an Angehörige des Hochstifts veräußerte Güter weiterhin besteuern, sofern es auch bislang dazu berechtigt war.

[2.4.] Bezüglich der Gerichtsbarkeit über diese Güter haben die Nürnberger Vertreter [in Schmalkalden]5einen Vorschlag unterbreitet, der von der Gegenseite billigerweise angenommen werden muss, da es in allen Landgerichten so gehalten wird und der Artikel auch mit der Bamberger Landgerichtsordnung [vom 26.6.1503] in Einklang steht. Der Vorschlag lautete, wie folgt: Ob die von Nurnberg guter erkauft hetten oder hienach erkaufen wurden, die doch im bambergischen landgericht gelegen seind, und die armen derselben gutere von andern umb sachen, personlich spruch betreffend, an solch landgericht gezogen werden, so soll der landrichter uf begern und anrufen irer aigenherrn die armen fur sie, ire aigenherrn, als ir ordenliche richter solher sachen zu recht weisen. Aber umb ander sachen ausserhalb personlicher spruch söll es mit den armen sölcher nurmbergischen gütere gehalten werden wie mit der edelleut gutern und armen, im landgricht deß stifts Bamberg gelegen, und auch also, das ainem yeden aigenherrn soll vorbehalten sein, seine erbleut umb verfallen zins und gult on vorgeende rechtfertigung zu yedem mal zu pfenden. – Eine andere Regelung wäre für den Nürnberger Rat nicht akzeptabel.

[2.5.] Bezüglich Weißenohes (Weissenach)kann die Lösung nur darin bestehen, dass es im Besitz Nürnbergs bleibt. Die Nürnberger Vertreter sollen sich auch in keine Erörterung über die kgl. Begnadung6einlassen, sondern lediglich erklären, dass die Stadt, wie vordem die Hgg. von Bayern, das Schutz- und Schirmrecht samt anderen weltlichen obrigkeitlichen Rechten über das Kloster legal und für geraume Zeit auch unwidersprochen innehatte und -hat.

[3.]1.] Was die Beschwerdepunkte Nürnbergs angeht, so ist hinsichtlich Lonnerstadts wohl keine Verständigung möglich, da Bamberg Nürnberg keinesfalls die dortige Hochgerichtsbarkeit überlassen wird. Dennoch sollte die Frage der Rechte des Rates und der Bürger in Lonnerstadt zur Sprache kommen. Im Rat wurde folgender Kompromiss erörtert: Wo ain rate yemand als ain ubelteter betret, das er sy daselbst zu Lonerstatt in dem schloß und dem kirchhof underschlaifen und nachmaln hereinfurn, aber im dorf dem stift sonst die fraiß zusteen. Darauf könnte man sich bei den Verhandlungen einlassen.

[3.2.] Die Anspruch Nürnbergs auf die Hochgerichtsbarkeit über Veldenstein ist unbestreitbar, die Gegenseite hat selbst die Unsicherheit ihrer diesbezüglichen Position eingeräumt. Und darumb mocht es derhalb also gemacht [werden], das mit dem hohen gericht im schloß und markt Veldenstain die fraiß in [der] hofmark Furt vergleicht wurd, aber nit nachzugeben die herren und hofe, die auch die bambergischen haben begert.

[3.3.] Der Wildbann zu Velden könnte so geregelt werden, dass der Pfleger in Veldenstein den von Nürnberg eingesetzten Richter jeweils um Genehmigung für das niedere Waidwerk bittet und dem dann um guter Nachbarschaft willen, jedoch nicht aufgrund eines etwaigen Rechtsanspruches stattgegeben wird. So wurde es auch bislang gehalten.

[3.4.] Über die strittigen Holznutzungsrechte der Einwohner von Velden und Betzenstein muss eine Kommission vor Ort befinden.7

Anmerkungen

1
 An diesem Tag sandte Nürnberg gemäß dem Schmalkaldener Abschied seine Beschwerden an den Würzburger Kanzler [Dr. Kilian Münch; Reuschling, Regierung, S. 175; Merz, Fürst, S. 64 Anm. 74] (Nürnberg an Bf. Lorenz von Würzburg, Kop., freitag nach Petri ad kathedram; StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Briefbücher des Inneren Rates, Nr. 63, fol. 112’–113).
2
 Es handelte sich gemäß einer [in Haßfurt getroffenen] Vereinbarung zwischen Bf. und Stadt vom 17.11.1508 (freytag nach St. Martins tag)um Kf. Friedrich von Sachsen und Bf. Lorenz von Würzburg (Or. Perg. m. 3 Ss. [Bf., Domkapitel und Stadt]; StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Päpstl. und ftl. Privilegien, Nr. 465; StA Bamberg, A 86, Lade 353, Nr. 179).
3
 Die Verhandlungen in Schmalkalden endeten ergebnislos. Der Abschied vom 30.1. (Or. m. 2 Ss.; StA Bamberg, A 86, Lade 353, Nr. 180) regelte deshalb nur das weitere Verfahren. Die oben wiedergegebenen gegenseitigen Beschwerden Bambergs und Nürnbergs waren bereits im Haßfurter Kompromissvertrag vom 17.11. aufgelistet.
4
 = Beweisstück in einem die Hochgerichtsbarkeit betreffenden Fall. Vgl. Deutsches Rechtswörterbuch III, Sp. 820f.; Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch II, Ndr. 1970, Sp. 263f.
5
 Vollmacht Nürnbergs für den Ratsschreiber Lazarus Spengler vom 17.1.1509 (Kop., mitwoch St. Antonien tag; StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Briefbücher des Inneren Rates, Nr. 63, fol. 65–65’).
6
 Kg. Maximilian hatte Nürnberg während des Landshuter Erbfolgekrieges unter anderem das im Vollzug der Reichsacht gegen Pfgf. Ruprecht und Kf. Philipp von der Pfalz erlangte Schutz- und Schirmrecht über das Kloster Weißenohe übertragen (Augsburg, 7.7.1504; Druck: Wölckern, Historia, Nr. CCCCXIV, S. 763–765; Ay, Altbayern, S. 149f. Regest: Wiesflecker, Regesten IV/1, Nr. 18936, S. 529f.). Vgl. Müllner, Annalen III, S. 317f.; Reicke, Geschichte, S. 521f.
7
 Am Textende ist der Beschluss des Nürnberger Rates verzeichnet: Item in den andern stucken – gemeint sind die oben wiedergegebenen Streitpunkte mit Bamberg –, wo es furfellt, laut der verzeichenten fertigung zu handeln (Kop., sexta post invocavit[2.3.]1509; StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Ratschlagbücher, Nr. 1, fol. 7).