Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Zusammenfassung der ksl. Resolution vom 31. Mai; [2.] Rechtfertigung für die Verweigerung der Reichshilfe: finanzielle Überlastung der Stände und [3.] fehlende Verpflichtung zu deren Bewilligung und Leistung aus folgenden Gründen: [3.1.] unterbliebene Konsultation der Stände bei den Verhandlungen mit Frankreich und bei den ksl. Kriegsplanungen, [3.2.] Unsicherheit der Reichsstände hinsichtlich der Konsequenzen der in Cambrai geschlossenen Verträge für das Reich, [3.3.] Nutzlosigkeit früherer, insbesondere der auf den Reichstagen in Köln (1505) und Konstanz (1507) bewilligten Reichshilfen, [3.4.] mögliche Interpretation eines Reichshilfebeschlusses als nachträgliche Zustimmung der Stände zu den Verträgen von Cambrai, Widersprüchlichkeit der ksl. Frankreich-Politik, [3.5.] Kritik am übereilten ksl. Vorgehen bei der Reichshilfe; [4.] Unbegründetheit von Kritik an der ständischen Position; [5.] Empfehlung für das Procedere zur Vorbereitung eines Türkenkreuzzuges; [6.] Erwartung des Abschlusses der Reichshilfeverhandlungen, Bereitschaft zu Verhandlungen über Reichskammergericht, Landfrieden und Münzwesen.
Weimar, HStA, EGA, Reg. E, Nr. 56, fol. 102’–106 (Kop., Überschr.: Als churfursten, fursten und stende des Reichs auf ksl. Mt. ubergeben instruction [Nrr. 266, 268] antwurt in schriften [Nr. 275] geben und darauf von den ksl. reten widerschrift oder antwurt [Nr. 276]empfangen, haben dy stende ir meynung weyter auch in schriften, wie hernach volgt, stellen lassen etc. Irrtümlicher Datumvermerk: Montags nach trinitatis [4.6.]) = Textvorlage A. Würzburg, StA, WRTA 5, fol. 165–167 (wie A) = B. Dresden, HStA, Geheimer Rat, Loc. 10180/23, fol. 43–44’, 45–45’, 46 (Zwischenstufe zwischen Ausschussbedenken und ständischer Resolution, Überschr. wie A, Datumverm: Sampstag nach phingsten [2.6.]) = C. Wiesbaden, HStA, Abt. 131, IV a, Nr. 22, fol. 26–29 (dem ksl. RT-Protokoll [Nr. 259] inserierte Kop., Überschr. wie A, zusätzlich: [...] und ksl. Mt. reten auf sontag trinitatis, III. Junii, ubergeben laßen.) = D. Frankfurt, ISG, RTA 24, fol. 120’–125’ (dem reichsstädtischen RT-Protokoll [Nr. 260] inserierte Kop., Überschr. wie A) = E. Augsburg, StA, Rst. Nördlingen, Mü. Best. 29, unfol. (Kop.). Bamberg, StA, Hst. Bamberg, Geheime Kanzlei, Nr. 6, fol. 154’–157’ (Kop., Datumverm.: Sambstag nach dem pfingstag [2.6.] Ao. etc. VIIIIo.]). Berlin, GStA, I. HA, Repos. 10, Nr. ♃♆, Fasz. 2N, fol. 44–46 (wie A). Esslingen, StdA, F 283 RTA Worms 1509, fol. 14’–18’ (Kop.). Karlsruhe, GLA, Abt. 50, Nr. 7, unfol. (dem mgfl. badischen RT-Protokoll [Nr. 261] inserierte Kop.). Karlsruhe, GLA, Abt. 98 a, Nr. 930, unfol. (wie A). Lübeck, StdA, RTA, Vol. II, Fasz. 4, fol. 36–40 (wie E). Marburg, StA, Best. 2, Nr. 119, unfol. (wie A). Memmingen, StdA, A Bd. 292, unfol. (Kop., Überschr.: Antwurt der stende.). Mühlhausen, StdA, 10/C 1–8, Nr. 1, fol. 321–325’ (wie E). München, HStA, KÄA 3136, fol. 412–415’ (wie A; Datumverm.: Pronunctiatu[m] sab[ba]to in do[mini]cam trinitatis.). München, HStA, K.blau 103/4b, fol. 35’–37’ (wie A). Nordhausen, StdA, R, Ac 1, fol. 40–44’ (wie E). Ravensburg, StdA, RA, Bü. 9 b/1, unfol. (Kop., Überschr. wie Memminger Exemplar). Stuttgart, HStA, A 262, Bd. 4, fol. 98’–93’ (Abschrift von 1564, in falscher Reihenfolge abgelegt). Wien, HHStA, AUR [Est. Salzburg] 1509, fol. 14–16’ (Kop., Überschr. entsprechend A). Wolfenbüttel, StA, 1 Alt 1 A Fb. 1 Nr. 2, fol. 21–23 (wie E).
Druck: Janssen, Reichscorrespondenz II, Nr. 970, S. 768–771.
[1.] /102’/Kurfursten, fursten und stend des Reichs haben der ksl. Mt. rete ubergeben schrift [Nr. 276]horen lesen und daraus vermerkt, das sy sich der stende gegeben antwurt auf ksl. Mt. instruction merklich befrombden und beschweren, dera sich ksl. Mt. ader sie, dy reteb, nit versehen hetten, angesehen, das dy sach der hilf dy heilig cristenhait, kirchn und Reich merklich und hoch antreffen, auch wie beschwerlich were, wo ksl. Mt. an begerter hilf, die sy bebstlicher heiligkait in obligendem furnemen erzaigen wolt, verlassen wurd, mit weyter anzaig, darin begriffen.
[2.] Nu setzen dy stende in kaynen zweivel, es werd aus irer negst gegebner antwurt lauter verstanden, das die stende des Reichs allezitc in und zu dem, das zu ere, wolfart und aufnemen ksl. Mt. und des Heiligen Reichs gedinet oder fruchtbar gewest oder noch sein solt und in irem vermogen stunde, willig gewest, das sey noch ir d–wille und gemut–d. Aber di stende hetten auf dy begerten /103/ hilf nach irer gelegenhait und notturft ain antwurt geben der ursache, nemlich dy unvermoglichkait, das sy beschwerts gemuts anzaigen, offentlich vor augen stehe, des dy ksl. rete selbs gut wissen tragen. Darumbf dy stende sichg nit klain tun verwundern, das von den ksl. reten sich solcher der stend warer, gegrunter antwurt sol befrombdet und beschwert werden. Wan offentlich und unverborgen sey, was merklichen last, beschwerung und costens das Heilig Reich in kurz vergangen jaren bey zeiten ksl. Mt. durch vilfeltig reichsteg mit zerungen, nachraisen, krieg und hilf erlitten hab. Daraus und andern ursachen und zugefallen unrat, zum tail in neher antwurt angezaigt, dy stend und dy iren in yren kemern und seckeln dermassen erschopft und entplosseth sein, das nu zur zeit nit mer in irem vermogen stehe, i–also zu helfen–i, wie dan dy jungst antwurt zu erkennen gebe.
[3.]j–Darzu, so ermessen dy stend, das sy aus vorangezaigten und nachfolgenden ursachen diser hilf zu tun nit schuldig sein: [3.1.] Erstlich darumb, das dise irk ksl. Mt. eynung, vertrege, krieg und furnemen an rat, wissen und willen churfursten, fursten und andererl stend des Heiligen Reichs furgenomen und aufgericht seyn, wie dan /103’/ notturft des Heiligen Reichs in solchen grossen, schweren und dapfern sachen hohlich tet erfordern, auch also im Reich, wo irer hilf begert, loblich herkomen und gebraucht ist.
[3.2.] Zum andern, das dy stend nit wissen mogen, was nutzs oder schadens, vorteils oder nachtails dem Heiligen Reich aus solchen eynungen und vertregen entstehn mogen, des sy doch billich, weyl irer hilf begert wurd, mitwissens empfangen hetten.
[3.3.] Zum dritten, so sey zu besorgen, wie aus vorergangen hilfen sich ereuget, wo der ksl. Mt. dy begert hilf von stenden zu tun moglich, das dannoch ir Mt. und das Heilig Reich ehr und mer in vertifung und unrat wan in erhehung oder aufnemen dardurch gelaitet oder gefurt werden mocht. Wan wiewol dy jungsten zwo hilf [der] gehalten reichstege zu Koln und Costenz uber wol vermogen der stende bewilligt, etwas weyt uber ain merklich suma goldes, so darauf ergangen, im anschlag getroffen, so sey doch ksl. Mt. und dem Heiligen Reich kain nutz, /104/ sonder allain nachtail, schimpf und schaden deshalben erwachsen und komen. Sy geschweygen darbey ander grosser hilf, davor gescheen. Das alles dy stende nit unbillich hochlich beschwert und in betrachtung erwegenm.
[3.4.] Zum virten, so sey auch zu besorgen, wo dy begert hilf den stenden moglich und sy dy teten, das solchs angesehen und geacht werden mocht, als ob sy in dy angezaigten, doch inen unwissent vertreg, und wie die gescheen, als ob die gleich dem Hl. [Reich] nachtailig weren, gewilligt und darein gehollen hetten; zusambt dem, das solchs der handlung negst gehalten reichstags zu Costenz, dy mit hoer vernunft und betrachtung bewogen worden, nit gemeß, da sich churfursten, fursten und ander stend guter meynung erboten gehabt, ire treffentliche potschaft zu kgl. wirde zu Frankreich zu schicken, mit derselben des herzogtumbs Maylant und ander sachen halben, das Heilig Reich und dy cron zu Frankreich betreffent, zu handeln und unrat zufurkomen, /104’/ mit hoem erbieten der stend, wo sich der konig nit gleicher ding gegen röm. ksl. Mt. weysen lassen wolt etc. Das ynen aber von ksl. Mt. desmals abgeschlagen und nit verfolgt ist2, nit an nachtail und beschwerung des Reichs, als dy stend besorgen.
[3.5.] Zum funften, das bisher nie mer im Reich gehort, das ain soliche treffentliche, eylende und stumpfe [= plötzliche, unerwartete] hilf zuvor unberatslagt, auch zu ungelegner zeit zu schicken sey gefordert oder begert worden–j.
[4.] n–Darumb, aus angezaigten und andern ursachen, der auch wol mer zu erzeln weren, so sey der stend vertrauen und hoffen, das sich solicher irer gegeben notturftigen, warer antwurt weder die ksl. Mt. rete noch ymants anders mit billigkait zu befrombden oder zu beschwern haben sol–n.
o–Het aber ksl. Mt. in solchem irem schwern furnemen der churfursten, fursten und stend rat gebraucht, wie ym Reich herkomen, dy notturft erfordert und billich bescheen were, was dan dy stend seiner Mt. geraten, darin wolten si sich als dy getreuen /105/ und gehorsamen ungezweivelt mer, wanp ir vermogen gewest, erzaigt und gehalten haben–o.
Dy stend zweiveln auch nit, wo dy bebstlich heiligkait herkomen [und] gelegenhait der stend und sachen teutzscher nacion, wie zum tail oben angezaigt, auch wie und zu welcher zeit dy sachen an dy stend gelangt sein, bericht were oder wurde, ir bebstlich heiligkait wurde der gegeben antwurt kain misfallen tragen, sonder der stend gelegenhait und notturft in solchem gnediglich bedenken.
[5.] Wo auch wider dy unglaubigen oder Turken mit ainer statlichen expedicion oder zug solt gehandelt werden, als dan notturft derselbn sachn wol tet erfordern, oder so dy bebstlich heiligkait oder kristenlich kirchen von ymant beschwert oder benotigt were oder wurd, so wolt sich zum forderisten q–nach ermessung der stende in solicher schweren, grossen sachen–q geburen, das zuvor vil cristglaubiger gezunge und gewelt zusamen erfordert, mit irer aller rat von sachen der notturft zuvor gehandelt, geratschlagt und ermessen wurd, wie und welcher- /105’/ massen solcher zug und handlung zum besten und geschicktesten solt und mocht furgenomen werden, domit dy hilf in solchem allenthalb auf mogliche zeit gleichmessig und auf alle stend und glider, hoch und nyder, gleichr außgetailt und nit allain auf den gehorsamen klainen tail des Reichs gelegt, auch zuvor cruciat3 und anders geben wurd, wie dan vormals in solchen fellen mer gebraucht und geubt ist. Darin wurden sich an zweivels allet stend des Reichs als frome, christglaubige glider gegen ireru heiligkait und dem kristenlichen glauben nach irem vermogen zu aller gehorsam erzaigen. Der meynung wellen sich auch dy churfursten mitsambt gemeinen stenden auf dy bebstlich ausgangen brevia [Nr. 272] und anders, derhalb furgehalten, verantwurt habenv.
[6.] w–Darumb und aus angezaigten ursachen dy stend des Reichs auf yrer gegeben antwurt bestehn und wissen der yrer notturft und gelegenheitx nach nit zu endern, der zuversicht, ksl. Mt. werd in solchem der stend notturft und gelegenhait ermessen, der gegeben antwurt gesettigt sein und darab kain ungnady empfahen. Und das dy ksl./106/ rete dy stend des Reichs daruber witerz nit wurden anhengen oder beschweren–w.
aa–Wo ab–aber den ksl. reten–ab von den andern artikeln der instruction zu handelnac gemeint were, als von underhaltung des camergericht, fridens und ordenung derad munz, als die stend merklich, nutz und notturftig bedunken, darzu wolten dy stend auch gernae verordnenaf und zum besten handlen lassenag, wie sy sich dan vormals auch erboten haben–aa.4