Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

Nr. 97 Weisung der Nürnberger Hh. Älteren an Dr. Erasmus Topler

[1.] Bestätigen den Empfang seines Schreibens.1 Sie sind nicht bereit, für das zu erlangende [Appellations-]Privileg wie die Straßburger 2500 fl. auszugeben, da die beiden Fälle nicht vergleichbar sind. Das Straßburger Privileg beläuft sich auf einen Streitwert bis in Höhe von 200 fl. jährlichem Zins, was einer Hauptsumme von 4000 fl. entspricht. Das von ihnen gewünschte Privileg hingegen soll lediglich auf 200 fl. Hauptsumme und nicht jährlichen Ertrag verstanden werden. Sie sind bereit, für die gewünschten Privilegien und die Konfirmation der böhmischen Belehnung2 bis zu 1200 fl. auszugeben.

[2.] Die Bemühungen um eine kgl. Kommission in der Lentersheimischen Sache soll er vorläufig zurückstellen, da Wilhelm von Lentersheim angeboten hat, seinen Sohn Christoph davon zu überzeugen, den Streit um die Kleider und Kleinodien seiner Frau [Christina] am Nürnberger Stadtgericht anhängig zu machen. Falls dies gelingt, ist die Kommission unnötig.3

[3.] Es ist nötig, auf die gegen Nürnberg gerichteten kurpfälzischen Intrigen am kgl. Hof achtzugeben. Falls sich Hg. Albrecht von Bayern, Hg. Ulrich von Württemberg, Lgf. Wilhelm von Hessen und Pfgf. Alexander von Zweibrücken oder deren Gesandte auf dem RT einfinden, soll er gemeinsam mit ihnen den Kg. ersuchen, ungeachtet aller Bemühungen der Gegenseite die Zusagen und Verschreibungen an die Verbündeten4 einzuhalten. Im gleichen Sinne soll er sich auch bei Gelegenheit allein beim Kg. einsetzen und dabei darauf hinweisen, daß der Gehorsam gegenüber dem Kg. der Stadt erhebliche Kosten verursacht habe.

Nürnberg, 9. April 1507 (freytag nach pasce); präs. Straßburg, 15. April.

Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Briefbücher 59, fol. 8’-10 (Kop.).

Regest: Gümbel, Berichte, S. 285 Anm. 5.

Nr. 98 Bericht Dr. Erasmus Toplers an die Nürnberger Hh. Älteren

[1.] Bestätigt den Empfang ihrer durch den Boten Peter Leupold überbrachten Weisung vom 9. April (freitag nach pasce) [Nr. 97] für den Vortag [15.4.]. Tatsächlich gilt das Straßburger Appellationsprivileg nur bis zu einem Streitwert von 200 fl. Er versteht ihre Weisung dahingehend, daß er für die Konfirmation der böhmischen Belehnung und die gewünschte Gerichtsfreiheit in Höhe von 200 fl. 1200 fl. ausgeben kann. Die Gerichtsfreiheit betrifft allerdings vier unterschiedliche Materien: Kaufmannshändel, Streitsachen um Gebäude, Ratsdekrete und Gerichtssachen allgemein. Er bittet um Anweisung, ob sich die Begrenzung auf die 200 fl. Streitwert tatsächlich unterschiedslos auf diese vier Materien beziehen soll. Denn selbst ein Appellationswert von 600 fl. wäre unter Umständen nachteilig, da die Appellationsfreiheit der Stadt in Gebäude betreffenden Angelegenheiten seit Menschengedenken unbegrenzt ist. Er empfiehlt deshalb, sich um zwei Gerichtsfreiheiten zu bemühen: eine in unbegrenzter Höhe bezüglich der Gebäude und eine zweite in Höhe von 200 fl. für die übrigen Angelegenheiten. Was die von Straßburg für ihr Gerichtsprivileg bezahlten 2500 fl. angeht, verhält es sich so, daß der röm. Kg. ihnen diese Summe noch schuldig war. Da der Kg. auch noch Schulden bei der Stadt Nürnberg hat und eine Begleichung kaum zu erwarten ist, könnte für die gewünschte Konfirmation und die Privilegien – vielleicht mit einem Wert von bis zu 600 fl., mindestens aber 200 fl. – die Verrechnung von bis zu 1300 fl. angeboten werden. Die 600 fl. kann Nürnberg gegenüber künftigen röm. Kgg. als der Reichshoheit abträglich möglicherweise nicht behaupten. Keine Reichsstadt besitzt ein so hohes Appellationsprivileg; so erstreckt sich das Augsburger Privileg nur auf 40 fl. Streitwert.

[2.] Hinsichtlich ihrer Weisung, den Fall Christoph von Lentersheim hinhaltend zu behandeln, ist zu bemerken, daß am kgl. Hof keine den Wünschen Nürnbergs entsprechende Kommission bewilligt werden wird. Zur Verzögerungstaktik gibt es deshalb keine Alternative.

[3.] Sagt zu, wirkungsvoll gegen die kurpfälzischen Intrigen angehen zu wollen. Die pfelzischen stocheren heimlichen seer auf mich, doch so spricht mir Pfgf. Fridrich gn[ädig] zue. Aber es ist bedes sit zu hove.1

Straßburg, 16. April 1507.

Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, D-Laden-Akten 219, Stück-Nr. 42 (eh. Or.).

Druck: Gümbel, Berichte, Nr. 9, S. 285–288, hier 285–287.

Anmerkungen

1
 Laut Weisung der Nürnberger Hh. Älteren vom 20.3. sollte Topler zum einen die kgl. Konfirmation für die Belehnung Kg. Wladislaws von Böhmen mit den im Landshuter Erbfolgekrieg erworbenen Gütern [s.u. Anm. 2] erwirken. Die Hh. Älteren übersandten ihrem Gesandten auf dessen Bitte hin [Schreiben vom 14.3.1507; Druck: Gümbel, Berichte, Nr. 6, S. 277–280, hier 278] einen Entwurf der Konfirmation, der die Auslassung der von der kgl. Kanzlei gewünschten Passage über den Vorbehalt der Rechte von Kg. und Reich vorsah. Gleichwohl zeigten sich die Nürnberger auch in diesem Punkt flexibel. Zum anderen erklärten sich die Hh. Älteren mit einer Beschränkung der angestrebten Appellationsfreiheit auf einen Streitwert von 200 fl. einverstanden. Topler sollte sich in der kgl. Kanzlei vertraulich über die Kosten erkundigen und die Verleihung der Freiheit als zeitlich unbegrenztes Statut (Wir ordnen und setzen etc.) und nicht als widerrufbares Privileg erwirken. Bezüglich des Streits zwischen Lentersheim und Marschalk [s.u. Anm. 3] wurde die [von den kgl. Räten favorisierte] Verweisung an das kgl. Kammergericht anstatt der gewünschten kgl. Kommission [auf Mgf. Friedrich von Brandenburg] abgelehnt (vgl. den Bericht Toplers vom 14.3.1507; Druck: Gümbel, Berichte, Nr. 7, S. 280–282), da die beiden Parteien nicht dem Kammergericht unterstanden (Kop., samstag nach letare;StA Nürnberg, Nürnberger Briefbücher 58, fol. 212’-214). Topler brachte in Erfahrung, daß Straßburg vor zwei Jahren 2500 fl. für sein Appellationsprivileg bezahlt hatte [vgl. Heil, RTA-MR VIII/1, Nr. 244, S. 381f.]. Da der Kg. das Privileg gegen den Widerstand seiner Räte bewilligt hatte, hielt Topler es für geraten, diskret vorzugehen und eine günstige Gelegenheit abzuwarten, etwa die nächste Geldverlegenheit am kgl. Hof auszunutzen, um eine Appellationsfreiheit in Höhe von 300 oder 400 fl. für die gleichen Kosten wie Straßburg zu erlangen. Ähnlich verhielt es sich mit der kgl. Bestätigung für die böhmische Belehnung. Topler befürchtete Kosten in Höhe von 10 000 fl., falls sich die Einschaltung des kgl. Hofrates nicht umgehen ließ, in dem die Mgff. von Brandenburg und Baden sowie außerdem zwei Söhne Kf. Philipps von der Pfalz saßen. Trotz des Drängens Toplers lehnte Kg. Maximilian die erbetene Kommission für die Lentersheimer Angelegenheit ab. Der Gesandte erklärte dies mit dem grundsätzlichen Widerstand der kgl. Hofräte gegen Kommissionen und der Anwesenheit Veits von Lentersheim im Hofrat (Dr. Erasmus Topler an die Nürnberger Hh. Älteren, eh. Or. m. S., Straßburg, mittichen in der hl. wochen [31.3.]1507;StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, A-Laden-Akten 83, Nr. 10, unfol.).
2
 Gemeint ist die Belehnung Nürnbergs durch Kg. Wladislaw von Böhmen mit den im Landshuter Erbfolgekrieg eroberten pfälzischen Besitzungen Lauf, Hersbruck, Reicheneck, Hohenstein, Stierberg, Betzenstein, Velden und Haimburg (Or. Perg. m. S. Ofen, am tag des hl. zwelfboten und ewangelisten St. Matheus [21.9.]1506; Verm.: Ad relacionem magnifici domini, domini Alberti de Colwrat et in Lybsstein, supremi cancellarii regni Boemiae; StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Päpstl. und ftl. Privilegien, Nr. 452a. Lehnsrevers der Stadt Nürnberg vom gleichen Datum; Kop., montag St. Matheus tag des hl. zwolfboten und ewangelisten; ebd., Nr. 453). Vgl. Gümbel, Berichte, S. 260f.; Franz, Nürnberg, S. 67f.; Reicke, Geschichte, S. 523.
3
 Christina von Lentersheim hatte dem inzwischen verstorbenen Nürnberger Bürger Jobst Haller d. Ä. eine mit Kleinodien, Kleidern und Schriftstücken gefüllte Truhe zur Aufbewahrung übergeben. Nach ihrem Tod forderten sowohl ihr Ehemann Christoph von Lentersheim als auch Heinz Marschalck [von Raueneck] als nächster Blutsverwandter die Aushändigung der Truhe. Letzterer machte geltend, daß Christina mit eevogt [Christoph] ain verdingte hairat hab und one gescheft und eelich leibs erben von dieser welt geschieden sei, Lentersheim habe deshalb nur Anspruch auf ihm gemäß Ehevertrag zustehende Güter. Der Nürnberger Magistrat, der die Truhe inzwischen in Verwahrung genommen hatte, ersuchte die Parteien, sich zu einigen oder sich wenigstens über einen neuen Aufbewahrungsort zu verständigen. Dies geschah jedoch nicht. Mit dem Argument, die Kleider Christinas könnten bei einem längeren Streit durch die Lagerung Schaden nehmen und daraus Regreßansprüche an die Stadt entstehen, ersuchten die Nürnberger Kg. Maximilian, Mgf. Friedrich von Brandenburg mit einer Kommission zur Klärung der Ansprüche zu betrauen (Kop., s.d., jedoch 5.3.1507 (freitag nach reminiscere);StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Briefbücher 58, fol. 176’-177’. Gümbel, Berichte, S. 280 Anm. 5).
4
 Zu den während des Landshuter Erbfolgekrieges ausgestellten Verschreibungen Kg. Maximilians für Pfalz-Zweibrücken, Württemberg, Hessen und Nürnberg vgl. Heil, RTA-MR VIII, S. 542 Anm. 4, 792 Anm. 6, S. 1015 Anm. 6.
1
 Zu den weiteren Punkten des Schreibens s. Nrr. 53, 59.