Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Konflikt zwischen Mgf. Friedrich von Brandenburg-Ansbach und Nürnberg wegen Nürnberger Befestigungsanlagen; [2.] Konflikt zwischen Hans von Schellenberg und Gf. Johann von Sonnenberg; [3.] Forderung der Hegauer an den Schwäbischen Bund; [4.] Klage Nördlingens gegen Oswald von Weiler; [5.] Konflikt zwischen Nürnberg und Mgf. Friedrich von Brandenburg wegen strittiger Geleitrechte; [6.] Klage der Gff. von Werdenberg gegen den kgl. Landvogt in Schwaben.
Konstanz, 28. Juni 1507 (vigilia sancti Petri et Pauli).1
München, HStA, KÄA 2013, fol. 208–216’ (Kop., Datumverm.) = Textvorlage A. Memmingen, StdA, A Bd. 292, unfol. (Kop., Datumverm.) = B. Augsburg, StdA, Lit. 1505–1507, Fasz. [18], Schwäbischer Bund (Jan.-Dez. 1507), unfol. (Kop., Datumverm., Dorsalverm.: 1507. Pundstag auf dem reichstage zu Costenz.) = C. Augsburg, StA, Rst. Nördlingen, Mü. Best. Lit. 911, unfol. (Kop., Datumverm.). Stuttgart, HStA, H 53, Bü. 88, unfol. (Kop., Provenienz Esslingen).
(Knappes) Regest: Klüpfel, Urkunden II, S. 9.
[1.] Der ab dem 6. Januar (hl. dreier Kgg. tag) in Augsburg abgehaltene Bundestag hat im Streit zwischen Mgf. Friedrich von Brandenburg und der Stadt Nürnberg entschieden, daß Nürnberg die befestigten Gräben vor der Stadt binnen dreier Monate einzuebnen habe2, was jüngst aufgrund eines kgl. Befehls geschehen ist.3 Der Mgf. vertritt jedoch die Auffassung, daß Nürnberg diese Entscheidung und das kgl. Mandat unzureichend umgesetzt hat. Dies wird von Nürnberger Seite bestritten. Die Versammlung beschließt, eine Kommission zur Besichtigung vor Ort nach Nürnberg zu entsenden. Auf der Grundlage ihrer Ergebnisse soll auf dem nächsten Bundestag weiterverhandelt werden. Die Mitglieder der Kommission sind: für den Kg. Dr. Hans Schad, für die Kff. und Ff. Dr. Johann Küchenmeister und Hermann von Sachsenheim – alle drei waren als Bevollmächtigte des Kg. und der auf dem Augsburger RT versammelten Stände4 mit der Angelegenheit betraut –, für die Prälaten, die Gff. und den Adel: Gf. Wolfgang von Oettingen, für die Städte: Ulrich Strauß (Bürgermeister zu Nördlingen). Der röm. Kg., der Ebf. von Mainz und der Hg. von Württemberg sollen um die Freistellung ihrer Räte für die Mission ersucht werden. Falls Sachsenheim dafür nicht zu gewinnen ist, soll Württemberg an seiner Stelle einen anderen Rat abordnen.5 Dr. Küchenmeister wird den übrigen Verordneten den Termin der Mission ankündigen. Diese haben dann gemäß dem Beschluß des Bundes zu verfahren.6 Sollte der Vertreter des Kg., Dr. Schad, aus triftigen Gründen nicht erscheinen, wird die Kommission dennoch durchgeführt. Falls die Kommissare die mit der Niederlegung der Bauten betrauten Arbeiter oder andere Nürnberger verhören wollen, soll der Magistrat diese dafür von ihren Verpflichtungen entbinden und sie anhalten, ihr Wissen vollständig preiszugeben. Die Kommission hat zusätzlich den Auftrag, die zwischen den Parteien umstrittene neu gebaute Anlage vor der Stadt zu besichtigen und Erkundigungen über deren Erbauung einzuziehen, um der nächsten Bundesversammlung darüber berichten zu können.7
[2.] Bezüglich des Streits Hans von Schellenbergs und seiner Brüder8 mit Gf. Johann von Sonnenberg wurde aufgrund des Augsburger Abschieds9 beschlossen, daß der Abt von Minderau sowie Bürgermeister und Rat der Stadt Wangen die Anhörung der Schellenberger vornehmen sollen. Die nächste Bundesversammlung wird dann über den Streit befinden und sich ggf. gemäß der Bundessatzung für Schellenberg einsetzen.10
[3.] Die Hegauer (Gegenbera [!]) haben abermals den röm. Kg. mit ihrer aus dem Schweizerkrieg herrührenden vermeintlichen Forderung konfrontiert, worüber sich die Bundesstände der dreijährigen Einung11 befremdet zeigten. Aufgrund der bekannten Sachlage sind sie den Hegauern nichts schuldig. Sie haben sich dennoch in ein gütliches Verfahren vor Hg. Albrecht von Bayern eingelassen und ihnen zuletzt auch noch den Rechtsweg gemäß Bundessatzung angeboten, den anzunehmen die Hegauer gemäß der Einung verpflichtet sind. Dabei belassen sie es und bitten den Kg., zu bedenken, daß der Schweizerkrieg nicht vom Schwäbischen Bund, sondern vom röm. Kg. als Ehg. von Österreich begonnen wurde und daß die Bundesstände über die Wahrnehmung ihrer Bündnispflichten hinaus erheblich mehr Schäden erlitten haben als die Hegauer, die diese überdies größtenteils selbst verschuldet haben. Der Kg. soll deshalb die Forderung der Hegauer zurückweisen oder sie veranlassen, das Angebot der Bundesstände zu einem rechtlichen Verfahren anzunehmen. Insbesondere sind sie darüber irritiert, daß die Hegauer ihre vermeintliche Forderung ungeachtet der letzten schriftlichen Antwort der Bundesstände erneut vor den Kg. gebracht haben. [Wiederholen noch einmal ihre Argumente].
[4.] Die Stadt Nördlingen brachte vor, daß ihre Bürger Martin Altheimer und Melchior Hartmann vor vier Jahren auf dem Weg von Gunzenhausen nach Nördlingen bei Steinacker von Unbekannten beraubt und als Gefangene Tailackers und Henßlinschwerts (Heselwenzs) abgeführt worden seien. Die beiden Bürger seien verpflichtet worden, sich nach Aufforderung in Drachenfels zu stellen. Geraume Zeit später seien die beiden Bürger durch einen ungesiegelten und nicht unterzeichneten Zettel aufgefordert worden, sich im Wirtshaus zu Drachenfels einzufinden. Dem Folge zu leisten, hätten sich die beiden Bürger nicht verpflichtet gesehen. Dabei sei es bislang geblieben. Doch hätten sie jetzt zuverlässige Nachricht erhalten, daß Oswald von Weiler sich der Sache annehmen wolle und geäußert habe, Altheimer sei ein ehrloser Mann; wenn er seiner habhaft werde, wolle er nach seinem Gutdünken mit ihm verfahren. – Zum Schutz seiner Bürger bat Nördlingen kraft Bundessatzung um Hilfe und Rat. Weiler handelt eindeutig widerrechtlich; die Tailacker-Fehde wurde durch den röm. Kg. beigelegt, alle Gefangenen wurden freigelassen und die Schatzungen sind erledigt.12 Die Bundesversammlung hat deshalb beschlossen, daß jeder Bundesstand und insbesondere Mgf. Friedrich von Brandenburg als nächstgesessener Fürst gehalten ist, nach Weiler zu fahnden, ihn gefangenzunehmen und gegen ihn rechtlich zu verfahren, damit die Sicherheit der Nördlinger Bürger gewährleistet ist und der Bund durch Weiler mit dergleichen Händeln nicht mehr behelligt wird.
[5.] Mgf. Friedrich von Brandenburg brachte vor, daß er und seine Vorfahren bislang unbestritten das Geleitrecht nach Nürnberg innegehabt hätten. Auch der Augsburger Bundestag habe befunden, daß er befugt sei, dieses Geleitrecht weiterhin auszuüben.13 Dennoch habe der Nürnberger Magistrat den mgfl. Geleitsmann vor einiger Zeit vorgeladen und ihn davor gewarnt, sich mit seiner Geleitsbüchse weiterhin in Nürnberg aufzuhalten. – Der Mgf. bat den Bund um Hilfe. Man hat beschlossen, beide Parteien vor den nächsten Bundestag zu laden und sie anzuhören, um dann gemäß der Bundesordnung zu verfahren.
[6.] Der Bund brachte in Konstanz die Angelegenheit der Gff. von Werdenberg schriftlich dem Kg. vor14, der das Anliegen des Bundes jedoch zurückwies. Deshalb haben Kff. und Ff. persönlich gemeinsam mit der Bundesversammlung erneut über die Angelegenheit beraten und Gf. Christoph zu einem Austrag geraten.
Dies lehnte der Gf. jedoch ab und verlangte die vorherige Aufhebung des Hochgerichts und anderer durch den kgl. Landvogt [Jakob von Landau] eingeführter Neuerungen. Außerdem solle der Abt von Kempten als Kommissar fungieren und seine Beisitzer selbst auswählen dürfen. Die Aufhebung des Urteils der Stadt Konstanz solle noch einmal geklärt werden. Und schließlich sei das Verfahren binnen eines halben Jahres abzuschließen; andernfalls solle die gehorsame Partei ein Urteil erhalten und die säumige Partei ihrer Ansprüche verlustig gehen.
Die Bundesstände wiesen diese Forderungen als unangemessen und beim Kg. und seinen Räten nicht durchsetzbar zurück und erneuerten ihren vorherigen Vorschlag. Diesen lehnte Werdenberg zweimal ab und beharrte darauf, daß seine Forderungen dem Kg. vorgetragen werden sollten. Die Versammlung legte schließlich einen schriftlichen Beschluß nieder: Demnach fällt die bereits auf mehreren Bundestagen auch im Namen seiner Vetter und Brüder vorgetragene Beschwerde Gf. Christophs über den Landvogt zu Schwaben und seine Forderung, dessen Neuerungen abzustellen und ein Urteil der Stadt Konstanz zu vollziehen, satzungsgemäß nicht in die Zuständigkeit des Bundes. Diese Entscheidung basiert auf Verhandlungen mit dem röm. Kg. und auf der Erwägung, daß der Hauptpunkt des Streits, das Urteil, vor der Bundesgründung erging. Hinsichtlich der beanstandeten Neuerungen bestreitet die Gegenpartei eine Verletzung von Rechten der Gff. von Werdenberg. Der Gf. soll deshalb den Bundesrichtern darlegen, welche unrechtmäßigen Maßnahmen der Landvogt zu seinem Nachteil seit der Bundesgründung durchgeführt hat. Danach wird die Bundesversammlung gemäß Bundesordnung verfahren.
Gf. Christoph, der am Nachmittag wieder vor die Versammlung berufen wurde, beharrte auf seinem Standpunkt, was jedoch aus den bereits angezeigten Gründen abgelehnt wurde. Auf seine anschließende Rede hin verfaßte die Bundesversammlung eine schriftliche Erklärung: In seiner Rede stellte der Gf. fest, daß er einen Vermittlungsvorschlag der Bundesversammlung abgelehnt habe, woraufhin sich die Bundesstände ihrerseits geweigert hätten, die von Gf. Christoph und seinem Bruder vorgebrachte Forderung dem röm. Kg. zu übermitteln. Er könne demnach ermessen, welche Hilfe ihm der Bund bieten werde, und fordere deshalb, in der Sache nichts weiter zu unternehmen, ihnen, den Gff. von Werdenberg, irs vaters und vetters15 insigl vom bund herauszegeben und sy besehen lassen, wie sy irn sachen furan tun mochten etc. Die Versammlung hat darüber beraten und bekundet ihr Mißfallen an dieser Rede. Die Ablehnung seiner Forderung ist wohlbegründet. Deren Übermittlung an den Kg. hätte dem Bund wie auch den Gff. von Werdenberg geschadet. Keinesfalls wollte die Versammlung verweigern, was diesen laut Bundessatzung zusteht. Die Versammlung hätte erwartet, daß der Gf. ihren Bescheid akzeptiert und seine verächtliche Rede unterläßt. Auf seinen jüngsten Antrag hin haben Kff. und Ff. persönlich mit den übrigen Bundesständen beraten und nach bestem Wissen und Gewissen entschieden. Der röm. Kg., Kff., Ff. und andere Stände haben bislang zustimmende wie ablehnende Bescheide des Bundes akzeptiert; man geht davon aus, daß dies auch künftig so bleibt. Falls er dies wünscht, wird man ihm den Beschluß des Bundes schriftlich mitteilen. Man erwartet auf jeden Fall, daß er seinen Bündnispflichten weiterhin nachkommen wird.
Nach Verlesung des Bundesbeschlusses erbat der Gf. eine Abschrift und verließ die Versammlungb.