Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1./3.] Gegenstand der Unterredung zwischen Kg. Maximilian und dem päpstlichen Legaten Arianiti am 5. April; [2.] Spekulationen über die Ziele Arianitis; [4.] Nachrichten über französische Truppenbewegungen, Drängen Kg. Maximilians zum Erscheinen auf dem RT.

Straßburg, 10. April 1507.

Venedig, BM, Cod. marc. ital. VII/989 (= 9581), fol. 11’-12’ (ital. Kop.; Postverm.: Per postas regias in Hispruch et inde Venetias per proprium nuntium cum diligentia.) = Textvorlage A. Venedig, BFQS, Cl. IV, Cod. V (= 769), fol. 82’-83’ (ital. Kop.; Postverm. wie A) = B.

Auszugsweise referiert bei: Brunetti, Vigilia, S. 15–17.

[1.] Er konnte durch Gewährsmänner mehr über das Gespräch zwischen dem röm. Kg. und Arianiti in Erfahrung bringen. Im wesentlichen ging es um das, was er bereits am 6. April berichtet hatte [Nr. 36, Pkt. 6]. Ein Teil des Gesprächs fand allerdings unter vier Augen statt. Der röm. Kg. ist in wichtigen Dingen äußerst verschwiegen. Gleichwohl wird von kundiger Seite die Auffassung vertreten, daß es nur darum gehen könne, den Papst für ein Bündnis mit dem röm. Kg. zu gewinnen, um sich mit Unterstützung der Reichsfürsten gegen den frz. Kg. wenden zu können; dafür brauche der Kg. das Bündnis mit einer der italienischen Mächte. Der röm. Kg. wisse zwar um die guten Beziehungen des Papstes zu Frankreich, hege aber die Hoffnung, die Beendigung dieser Freundschaft bewirken zu können. Denn der Kg. glaube, aus der plötzlichen Abreise des Papstes aus Bologna ein gewisses Mißtrauen gegen den frz. Kg. ablesen zu können, mit dem eigentlich ein Treffen vereinbart gewesen sei. Konsequent versuche der röm. Kg., Arianiti von den üblen Absichten des frz. Kg. gegenüber dem Papst zu überzeugen. Er behaupte, daß dieser nach Italien komme, um sich mit Hilfe der Partei Giovanni Bentivoglios zum Herren über Bologna zu machen und weiter gegen den Papst vorzugehen, mit dem Ziel einer Vakanz des Hl. Stuhls und der Wahl des Kardinals von Rouen zum Papst, o per bontà o per forza.

[2.] Arianiti ist zwar klug, dem frz. Kg. gegenüber aber äußerst feindselig gesinnt, seit er aus seinem Statthalteramt in Montferrat vertrieben wurde.1 Es ist deshalb gut möglich, daß, obgleich er bislang in eine ganz andere Richtung verhandelt und auf einen Ausgleich zwischen dem röm. Kg. und Frankreich hingearbeitet hat, nunmehr auf die Linie des röm. Kg. eingeschwenkt ist, den Papst von der Notwendigkeit eines neuen Bündnisses mit diesem zu überzeugen. Arianiti hat sich gegenüber Personen, die wiederum ihm darüber berichtet haben, selbst in diese Richtung geäußert.

Als sie beide über die Ankunft Kg. Ludwigs in Italien mit einem so großen Heer sprachen, äußerte Arianiti, daß der Ausgleich zwischen Venedig und dem Papst eine heilige Pflicht sei und ein Bündnis dieser beiden Mächte mit dem röm. Kg. uneingeschränkt dem Wohl Italiens dienen würde. Er betonte in seiner Antwort die Verbundenheit Venedigs mit dem röm. Kg. und wies darauf hin, daß der Papst mehr als jeder seiner Vorgänger über Venedig verfügen könne, wenn er nur seine Zusagen einhalte2.

[3.] Weitere Informationen bestätigen die Korrektheit seiner Angaben über die Unterredung [zwischen Kg. Maximilian und Arianiti]. Er hat auch gelegentlich eines Gesprächs mit dem röm. Kg. versucht, eine Bestätigung dafür zu bekommen. Er verfährt dabei vorsichtig und umsichtig, wie es einem Orator Venedigs obliegt.

[4.] Der röm. Kg. drängt die Reichsfürsten weiter, so rasch wie möglich zum RT zu kommen. Nachdem er erfahren hat, daß der frz. Kg. beträchtliche Truppen unter dem Befehl von [Louis de] La Trémoille an die Grenze von Burgund und unter dem Befehl des H. von Piennes [Louis de Halwin] an die Grenze von Flandern und auch in die Champagne an die Grenze zu Metz verlegen ließ, forderte er alle Fürsten auf, wegen wichtiger Obliegenheiten des Reiches gerüstet zum RT zu kommen [Nr. 16]. Der Kg. will diese Sache als Angelegenheit des Reiches und nicht als seine eigene behandeln, um die Fürsten dadurch zu verpflichten. Man glaubt, daß dies der größte RT seit vielen Jahren sein wird. Der röm. Kg. ist der Meinung, daß die französischen Truppenbewegungen einzig den Zweck haben, ihn von seinem Zug nach Italien abzuhalten, bekräftigt aber, daß ihm nichts übrigbleibe, als seine Ziele weiterzuverfolgen, auch wenn er dafür seinen ganzen Besitz verpfänden und verkaufen müßte. Jeden Tag erscheint der Kg. erregter angesichts der Aussicht, bald verwirklichen zu können, woran er so lange Zeit gehindert war.

Er berichtet über dies alles nach bestem Gewissen.

Anmerkungen

1
 Arianiti war nach dem Tod Mgf. Bonifaz’ von Montferrat (1494) von dessen Witwe testamentarisch zum Statthalter und Vormund ihres Sohnes Wilhelm bestellt worden. Nach dem französischen Einzug in Mailand wurde Arianiti verhaftet. Seine Bemühungen um Rehabilitierung nach erfolgreicher Flucht blieben vergeblich (Babinger, Ende, bes. S. 35–38, 48f.; Stelzer, Arianiti, S. 31).
2
 Vgl. Nr. 29, Anm. 3.