Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Hinzuziehung Bf. Lorenz’ von Würzburg zu den Beratungen der Kurpfälzer Gesandten; [2.] Beschwerde Bf. Georgs von Bamberg über Angriffe von kurpfälzischem Territorium aus; Beschwerde Bf. Lorenz’ von Würzburg über den Kurpfälzer Landrichter Balthasar von Seckendorff; [3.] Bemühungen um den Regensburger Bischofsstuhl für Pfgf. Johann; [4.] Bemühungen um die Lösung Heinz Kerlings aus der Reichsacht; [5.] in Konstanz anwesende Reichsfürsten; Reichshilfe als wichtigste Verhandlungsmaterie; Gerüchte bezüglich des Zuges Kg. Ludwigs von Frankreich gegen Genua; [6.] Empfehlung zur Anfertigung von Abschriften für die Verhandlungen über die Landvogteien im Elsaß und Ortenau; [7.] Maßnahmen der Gesandten zur Kostenersparnis.

[Konstanz], 5. Mai 1507 (mittwuchs nach cantate).

München, HStA, Fürstensachen 963, fol. 122–128 (Or., Dorsalverm.: Ret by kgl. Mt., das sie den Bf. von Wurzpurg bruchen. Item den Bf. von Bamberg antreffend. Item etlich brief betreffend zu registrieren. Item myn gn. H., Hg. Johanß, berurn. Item, wes fur Ff. uf dem tag gwest. Item, das sie etlich pferde von ine schicken. Item Hainz Kerlingen antreffend.).

[1.] Sie haben bereits vor Eintreffen der kfl. Weisung [vom 20.4.; Nr. 61] den Bf. von Würzburg in ihre Beratungen einbezogen. Der Bf. stand ihnen mit Wort und Tat zur Seite. Sie haben ihn dennoch über die Weisung informiert.

[2.] Der Bf. von Bamberg kam vor wenigen Tagen zu ihm, Landschad, in die Herberge Pfgf. Friedrichs und beschwerte sich in Anwesenheit Adams von Törring (Deringer) darüber, daß seine Feinde ihn von kurpfälzischem Boden aus angriffen. Statt gemäß kgl. Landfrieden ihm zu helfen, würden diese unterstützt. Dies entspreche sicherlich nicht dem Willen Kf. Philipps, doch reiche dies nicht aus. Denn wenn der bfl. Hofmeister oder Marschall gegen seinen Willen etwas gegen die Pfalz unternähmen und er sähe nur untätig zu, so wäre dies auch nicht genug. Er bitte, daß er, Landschad, sich beim Kf. um eine Weisung an seine Amtleute und Untertanen bemühe, weitere Übergriffe gegen das Hst. zu unterbinden bzw. zu unterlassen. Andernfalls sei er zu Gegenmaßnahmen genötigt.

Ähnliches mußten sie sich vom Bf. von Würzburg in Anwesenheit des kgl. Kanzlers Serntein wegen H. Balthasars1 anhören. Sie versuchten dies wie gegenüber dem Bf. von Bamberg damit zu entschuldigen, daß dies gegen den Willen Kf. Philipps geschehe. Sie erklärten auch, dem Statthalter der Oberpfalz, Ritter Ludwig von Eyb, und anderen Personen entsprechende Weisungen geschickt zu haben. Zweifellos werde der Kf. weitere Schritte unternehmen, um gute Nachbarschaft zu wahren.

[3.] Sie haben bereits vor Eintreffen der kfl. Weisung wegen Pfgf. Johanns [Nr. 63, Pkt. 4] aufgrund eines Berichts Georgs von Wispeck an Pfgf. Friedrich2 mit dem Kg. verhandelt und ein Fürschreiben an Dechant und Kapitel zu Regensburg3 erwirkt, das bereits zugestellt wurde. Auf die kfl. Weisung hin haben sie ein weiteres, nachhaltigeres Fürschreiben erbeten, das sie morgen abschicken wollen. Helfen, sovil sie mogen, und verhoffen, wiewole viel mengel da sin. Wenn die Angelegenheit anders als bisher zielstrebig verfolgt wird, wird Pfgf. Johann im Hochstift bleiben können. Doch sollte man nicht desinteressierte Dritte einschalten, noch darf man jedem vertrauen. Er, der Kf., sollte seinem Sohn möglichst bald eine erfahrene geistliche Person zur Seite stellen, die ihn beraten und bei den Domkapitularen unterstützen kann und auch für Verhandlungen in Rom geeignet ist. Ansonsten könnte schließlich alle Mühe umsonst gewesen sein. Am kgl. Fürschreiben an das Domkapitel und an den Papst wird es nach ihrem eigenen Eindruck und aufgrund der erfolgten Zusagen nicht fehlen. Auf die Fugger aber kann man sich in dieser Angelegenheit nicht verlassen, da eines ihrer Familienmitglieder Dompropst in Regensburg ist4 und vielleicht selbst Ambitionen auf die Bischofswürde verfolgt.

[4.] Der Kg. wird bedrängt, Heinz Kerling5, einen abgesagten Feind Kf. Philipps, aus der Acht zu lösen oder diese wenigstens bis zu einem Verhör vor dem Kg. oder dem Kf. auszusetzen. Auch an sie hat man sich diesbezüglich gewandt. Da sie jedoch nicht gewußt haben, wie der Stand der Dinge ist oder was darüber auf dem [Schwäbischen] Bundestag in Augsburg verhandelt wurde, wollten sie sich in nichts einlassen. Sie erwarten aber, daß es zu einer einstweiligen Aussetzung der Acht kommen wird. Darüber soll auch der Viztum in der Oberpfalz [Ludwig von Eyb] informiert und er oder sie ggf. diesbezüglich instruiert werden.

[5.] Die Kff. von Mainz und Trier sowie Gesandte der Kff. von Köln und Brandenburg sind angekommen. Man erwartet täglich die drei Hh. [Kf. Friedrich, Hg. Johann und Hg. Georg] aus Sachsen und den Hg. von Württemberg, der bereits hier war, jedoch wieder abgereist ist.6 Von den Ff. sind der Ebf. von Magdeburg, die Bff. von Würzburg, Bamberg, Eichstätt, Augsburg, Konstanz, Chur, Trient und Freising anwesend, außerdem Pfgf. Friedrich, der Hg. von Liegnitz [Hg. Georg von Brieg], Hg. Erich von Braunschweig [-Calenberg], der junge Hg. [Albrecht] von Mecklenburg, Mgf. Kasimir [von Brandenburg-Ansbach] und die Gesandtschaft des Bf. von Speyer. Vertreter der Städte sind nur wenige anwesend. Und wurd am maysten nach gelt gehandelt, doch auch anderer dinge halben, die euwern ftl. Gn. on zweyfel unverhalten bliben werden. Und die sage, wie die zu Jenua dem Kg. von Frankrich etlich tusent Franzosen erschlagen haben sollen, das unser H. Kg. und die sin nit ser erschrecken. Etliche sagen eben den widersin, nemlich dz Jenua erobert sij etc. 

[6.] Empfehlen, von allen Schriftstücken, die im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Landvogteien voraussichtlich an den Kg. übergeben werden müssen, beglaubigte Abschriften anzufertigen, um für künftige Eventualitäten vorbereitet zu sein. Nach dem Vertragsabschluß bliebe dafür möglicherweise keine Zeit mehr oder es könnte Mißtrauen erregen.

[7.] Da sich die Verhandlungen in die Länge ziehen, schicken sie fünf Pferde und drei Knechte zurück. Jeder von ihnen behält zwei Pferde und zwei Knechte für den Fall bei sich, daß sie dem Kg. nachreisen müssen. Außerdem kommen sie so am kostengünstigsten wieder nach Hause.

Anmerkungen

1
 Gemeint ist Balthasar von Seckendorff, kurpfälzischer Landrichter zu Auerbach (Rechter, Seckendorff II, S. 53–56; Ders., Klientel, S. 213, Nr. 193).
2
 Wispeck hatte Pfgf. Friedrich mit Schreiben vom 21.4. empfohlen, unverzüglich in Verhandlungen mit Kg. Maximilian einzutreten, dank dessen Förderung Pfgf. Johann bereits die Koadjutorie erhalten hatte. Der Kg. sollte zum einen das Domkapitel mit Nachdruck ermahnen, nichts zu unternehmen, was eine Bestätigung der Koadjutorie gefährden könnte, zum anderen Ulrich und Jakob Fugger auffordern, die Verhandlungen in Rom rasch voranzutreiben, und sich schließlich schriftlich bei Papst Julius für Pfgf. Johann einsetzen. Als möglichen Gegenspieler machte Wispeck den Regensburger Domdekan und Kanzler Hg. Albrechts [Dr. Johann Neuhauser] aus (Or. Neuburg, mitwochen nach sonntag misericordia Domini; HStA München, Fürstensachen 972, fol. 14–15’). Am 5.5. antwortete Kf. Philipp auf einen Bericht seines Sohnes Friedrich über Verhandlungen mit Kg. Maximilian wegen Pfgf. Johanns und informierte ihn über seine Unterredung mit den Gesandten des Domkapitels [Nr. 63, Anm. 1]. Er wies ihn an, gemeinsam mit Bf. Lorenz von Würzburg und den kurpfälzischen RT-Gesandten den Kg. und andere um Unterstützung beim Papst zu bitten (Or. Heidelberg, mittwoch nach cantate; ebd., fol. 17, 16’). Friedrich war erfolgreich. Pfgf. Johann bestätigte am 16.5. gegenüber Wispeck den Empfang eines kgl. Interzessionsschreibens an das Regensburger Domkapitel, konstatierte aber auch Abweichungen zwischen dessen Inhalt und dem Vorgehen seines Vaters. Er zeigte sich überzeugt, daß die inzwischen nach Rom abgeordneten Gesandten bei der Bestätigung der Koadjutorie erfolgreich sein würden, machte aber auch darauf aufmerksam, daß das Kapitel aufgrund des Berichts der aus Heidelberg zurückgekehrten Gesandten der Auffassung sei, daß Kf. Philipp gegen die Wahl eines neuen Bf. nichts einwenden könne, falls die Bestätigung bis zum Wahltermin nicht erlangt sei. Aber wes uns die kgl. Mt. bey unserm hl. vater, dem babst, uf furgenomene handlung mit furdernus erspriessen mocht, das haben wir hiebey unserm brueder Hg. Friderichen entdecken und schreiben lassen, solhes bey kgl. Mt. zu handlen und zu erlangen (Or. m. S. Regensburg, sonntag exaudi; ebd., fol. 3, 2). Ulrich Fugger teilte Kf. Philipp am 16.5. mit, daß sein Bevollmächtigter in Rom hoffe, die Koadjutorie und alle Pfründen Pfgf. Johanns für 5000–5500 fl. zu erlangen, sich aber um eine weitere Kostensenkung bemühe. Für die Verhandlungen würden außerdem Angaben über das Jahreseinkommen des Stifts Klingenmünster benötigt (Kop. Augsburg, sontag exaudi; ebd., fol. 4–4’). Kf. Philipp ermahnte Fugger am 22.5., seine Leute in Rom zu intensiven Bemühungen insbesondere auch hinsichtlich der Senkung der Forderungen der Kurie zu veranlassen, sagte aber zugleich die Bezahlung des geforderten Preises zu (Kop. Heidelberg, hl. pfingstabent; ebd., fol. 6). Am gleichen Tag informierte er Wispeck über das Schreiben an Ulrich Fugger und seine Weisung an die RT-Gesandten, sich beim Kg. und den versammelten Reichsständen um weitere Unterstützung beim Papst und beim Kardinalskolleg zu bemühen (Or. Heidelberg, sambstag nach exaudi; ebd., fol. 5–5’).
3
 Liegt nicht vor.
4
 = Markus Fugger (Schulte, Fugger, S. 28 Anm. 2).
5
 Kerling, ehemaliger kurpfälzischer Richter in Velden, schilderte in einer vermutlich Anfang Mai Kg. Maximilian übergebenen Supplikation seinen Fall (Verweigerung der Herausgabe von während des Landshuter Erbfolgekrieges bei Ludwig von Eyb deponierten Wertsachen und Bargeld im Wert von 500 fl., widerrechtliche Enteignung seiner Mühle zu Engelthal durch Balthasar von Seckendorff, Fehdeabsage Kerlings an Eyb und Seckendorff nach forgesetzter Rechtsverweigerung, Achterklärung Kg. Maximilians gegen Kerling aufgrund von Angaben Kf. Philipps von der Pfalz) und bat um Absolution von der Acht oder wenigstens um deren Aussetzung für ein Jahr sowie um Bewilligung einer auf den Abt von St. Egidien/Nürnberg und Balthasar Wolf von Wolfsthal lautenden Schiedskommission (Konz., s.d.;StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei, A-Laden Akten, A 84, Nr. 7, unfol.; Chroniken der deutschen Städte XI, S. 703; Reicke/Reimann, Briefwechsel I, S. 407). Laut einem Schreiben Kerlings an Sixtus Ölhafen setzte der Kg. daraufhin einen Gerichtstag auf den 24.6. (St. Johannis baptiste) an und gewährte bis dahin den Aufschub der Acht (Kop., mentag nach trinitatis [31.5.]1507; ebd., unfol.). In einer zweiten Supplikation bat Kerling den Kg. unter Hinweis auf einen von Abt Friedrich von Michelfeld anberaumten Schiedstag um Verschiebung des Gerichtstages und weitere Suspension der Acht (Kop., s.d., jedoch 1.6.1507;StA Nürnberg, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei, A-Laden Akten, A 84, Nr. 7, unfol.). Ölhafen berichtete am 10.6. an Jakob Hofmann, den Schwager Kerlings, daß er die Supplikation erhalten und in der Sache verhandelt habe; das Ergebnis werde sein Bruder Leonhard Ölhafen mitteilen (Kop., s.d.; ebd., unfol.). Anscheinend hatte Kg. Maximilian dem Anliegen Kerlings willfahren. Im Entscheid Abt Friedrichs wurde noch einmal auf die Suspension der Acht durch den Kg. hingewiesen. Demnach sollte Kf. Philipp die Schadenersatzforderung Kerlings erfüllen. Alle sonstigen gegenseitigen Ansprüche wurden aufgehoben. Der Kf. sollte auf die Geltendmachung des Achturteils gegen Kerling und seine Helfer verzichten (Kop., s.d.; ebd., unfol.).
6
 Vgl. den Bericht Georg Eisenreichs vom 17.5.1507 [Nr. 591, Pkt. 4].