Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

Argumente für den Widerruf der auf dem Züricher Tag (Juni 1507) gemachten Zusage von Söldnern für den Romzug.

s.l., s.d., jedoch vermutlich auf der Luzerner Tagsatzung (5.-7. August 1507) vorgelegt.1 

Bern, StA, A IV 10, pag. 213–218 (Kop., Überschr.: Dis ist ein meynung und vergriff der artikeln, durch weliche die großmächtigen Hh., die Eydgnossen, sich tougentlich und erlich mit lob entschuldigen und abträten mögen von dem beschluß, ze Zürich uf gehaltnen tag des manetz Juny nächst verschinen, dem röm. Kg. lut ze geben zu sinen romzug, die ksl. kron zu erholen.) = Textvorlage A. Solothurn, StA , Eidgenössische Abschiede 1507–1510, A,G 1,5, pag. 89–94 (Kop., Überschr. wie A) = B.

Druck: Eidgenössische Abschiede III/2, S. 392–394; Anshelm, Chronik III, S. 35–38.

1. Der Abschied [zu Zürich; Nr. 234] beruht auf den Verhandlungen in Schaffhausen und Konstanz. Dort wurde in Gegenwart des röm. Kg. und durch ihn selbst erklärt, seine Absicht sei, die ihm zustehende Kaiserkrone zu erlangen. Wahr ist, daß die Eidgenossen inzwischen von einer anderen Zielsetzung des Zuges erfahren haben. Deshalb ist die aufgrund falscher Angaben auf dem Züricher Tag zustandegekommene Zusage nichtig.

2. Der röm. Kg. sollte seinen vorgeblichen Romzug zur Erlangung der Kaiserkrone mit friedlichen Mitteln durchführen. Statt dessen ist offenkundig, und die Eidgenossen haben davon zuverlässige Kenntnis, daß er sich mit einem merklichen zug und grosser macht als ein uberkomer der cristen ertrichs mit buchsen und geschütz, ouch andern schinbaren tiranischen kriegsrustongen, so wider die in befellen und ouch wider die er Gottes, sich erzöigt. Auch deshalb ist die Zusage berechtigterweise nichtig.

3. Diese Zusage wurde zu Ehren des Reiches und zur Erlangung der Kaiserkrone gemacht, und nicht, um einem anderen Herrscher Schaden zuzufügen. Dies wäre für die Eidgenossen und für das Reich unehrenhaft und nachteilig und gilt es zu verhindern.

4. Die Kaiserkrone wird verliehen als Gleichnis und zu Ehren der Krone Jesu Christi. Sie ist gesegnet gegen die Ungläubigen zum Wohl der Christenheit. Falls der röm. Kg. sie mit Christenblut befleckt, würde es als Verstoß gegen den christlichen Glauben der Eidgenossen angesehen, wenn sie ihn dabei begleiten. Deshalb ist die Zusage berechtigterweise zu widerrufen.

5. Die Eidgenossen wissen, daß die Kss., insbesondere Ks. Friedrich (III.), aus gutem Grund darauf verzichtet haben, mit einem großen Truppenkontingent nach Rom zu ziehen, weshalb sie dies auch nicht unterstützen sollten. Dies wäre gegen ihre Ehre und die Ehre der ganzen Christenheit wie auch zum Nachteil des Reiches. Deshalb ist der Beschluß berechtigterweise zurückzuziehen.

6. Der Papst wird die Kaiserkrone nur jemandem geben, der sie in Andacht und ohne Vergießen christlichen Blutes holt. Andernfalls wird er nicht auf den röm. Kg. warten, sondern sich in die Engelsburg zurückziehen. Dies wäre für die Christenheit schädlich und für alle, die den Kg. dabei begleiten, schändlich.

7. Die Eidgenossen sind informiert, daß der röm. Kg. den Kg. von Frankreich, ihren Freund und Bundesgenossen, angreifen und das Hm. Mailand an sich bringen will. Würde die bewilligte Hilfe geleistet, verstieße dies als Bruch des Bündnisses gegen die Ehre der Eidgenossenschaft.

8. Die Eidgenossen haben den Anspruch des frz. Kg. auf das Hm. Mailand anerkannt, ihm bei dessen Eroberung geholfen und sich verpflichtet, ihn ggf. bei dessen Verteidigung zu unterstützen.

9. Man ist über das Angebot des frz. Kg. zu einem friedlichen Durchzug Kg. Maximilians durch das Hm. Mailand mit Verpflegung seines Gefolges und in allen Ehren, sofern dieser ohne Waffen kommt, unterrichtet. Der röm. Kg. benötigt also einen großen Heereszug und die Hilfe der Eidgenossen nicht für einen Zug nach Rom zur Erlangung der Kaiserkrone, sondern für einen Betrug, der die Ehre der Eidgenossenschaft befleckt, wenn sie ihm dabei hilft. Denn die Eidgenossen wissen, daß ein Krieg unvermeidlich ist, wenn der röm. Kg. mit Heeresmacht und mit ihrer Unterstützung seinen Zug unternimmt. Sie würden dadurch wortbrüchig. Denn sie kennen die bösen Absichten des röm. Kg.

10. Die christlichen Eide sind das Fundament allen Friedens. Wenn sie nicht gehalten werden, sind kein Fürst und keine Obrigkeit mehr sicher. Da die Eidgenossen dem frz. Kg. einen christlichen Eid geschworen haben, müssen sie ihn auch halten.

11. Die Eidgenossen haben ihre Eide anfangs alle fünf Jahre erneuert, und damit ihre Freundschaft, wodurch sie sich ihrer Feinde erwehren konnten. Aus dieser Treue und gegenseitigen Hilfe ist ein fruchtbarer Baum mit vielen Ästen und Früchten erwachsen. Entsprechend sollen die Eidgenossen auch den Vertrag mit dem frz. Kg. halten und nicht Brief und Siegel brechen. Für die Dauer des Bündnisses ist der frz. Kg. ein Mitglied der Eidgenossenschaft, der ihnen viel Gutes erwiesen hat und es von seiner Seite an nichts fehlen ließ. Also offenbar, wo die Hh. Eydgnossen dawider handleten, reichte zu ir kindz kinden schand und laster.

12. Wenn der röm. Kg. den Eidgenossen so wohlgesonnen wäre, wie er behauptet, würde er sie nicht bedrängen, durch den Bruch des beschworenen Bündnisses mit Frankreich gegen ihre Ehre zu verstoßen. Sie würden für wortbrüchige Leute gehalten, denen weder er noch andere vertrauen könnten. Der frz. Kg. würde auf ewig ihr Feind, mit dem Ziel, die Eidgenossenschaft zu zerstören. In Anbetracht dieser Aspekte muß die in Zürich gemachte Zusage widerrufen werden.

13. Dis obgenanten zwölf artikel sind gemacht und gesetzt in der er und figur der zwölf stucken cristenlichs globens, die da hand die zwölf boten zusamengefügt. Wie diese zum Seelenheil der Christen dienen, werden durch die obigen Artikel die Ehre und der gute Namen der Eidgenossen gefestigt. Er, der Verfasser, ruft Gott zum Zeugen, daß diese Artikel gegen niemandes Recht verstoßen, sondern allein der Wahrheit dienen.

Anmerkungen

1
 Anshelm (Chronik III, S. 35), bemerkt einleitend zu diesem Stück: Es wurden ouch zuͦ hindrung des Romzugs volgend artikel in abscheid [irrtümlich gemeint ist der Luzerner Abschied vom 4.10.1507] genommen – ful oͤpfel mit gulden rinden verdekt; wan d’Franzosen spareten gar nuͤt, weder wort noch gelt, d’Eidgnossen, ouch wider aller êrberkeit missvallen, von Roͤmschen kuͤng ab- und inen zuͦzeziehen. In der Berner Überlieferung ist das Stück unter die Akten zum Luzerner Tag Anfang Aug. 1507, in der Solothurner Überlieferung – wegen des inhaltlichen Bezugs darauf – beim Züricher Tag (Juni 1507) eingeordnet. Die Eidgenössischen Abschiede reihen es unter die Beilagen zum Züricher Tagsatzungsabschied vom 16.8.1507 ein.