Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Teilnehmer; [2.] verbotene Anwerbung von Knechten für Frankreich; [3.] Truppenhilfe für den Romzug Kg. Maximilians.

Zürich, 30. September 1507 (dornstags nach St. Michelstag). 

Solothurn, StA , Eidgenössische Abschiede 1507–1510, AG 1,5, pag. 143–148 (Kop., Datumverm.) = B. Zürich, StA, B VIII 84, fol. 202–205’ (Reinkonz./Kop., Datumverm.) = C. Basel, StA, Eidgenossenschaft E 1, fol. 178’-182, 182–187’ (Kop., Datumverm.). Bern, StA, A IV 10, pag. 228–233 (Kop., Datumverm.). Luzern, StA, TA 4, fol. 295–298 (Kop., Datumverm.). Schaffhausen, StA, Tagsatzung 1507, unfol. (verletzte Kop.).

(Differenzierteres) Regest/Druck: Eidgenössische Abschiede III/2, Nr. 287, S. 396–398 = Textvorlage A.

[1.] Teilnehmer: Zürich: Bürgermeister [Marx] Röist, Bürgermeister [Matthias] Wyss, Gerold Meyer [von Knonau], Jakob Hegnauer; Bern: Dr. Thüring Fricker, Venner Kaspar Wyler; Luzern: Ulrich1 Küng; Uri: [Hans] Schüeli, Vogt Heinrich Göltschi; Schwyz: Ammann [Hans] Wagner; Obwalden: Ammann [Peter] Wirz; Nidwalden: [nicht vertreten]; Zug: [Ulrich] Amrein; Glarus: Ulrich Landolt; Basel: Bürgermeister [Wilhelm] Zeigler, Venner [Walter] Harnescher; Fribourg: Seckelmeister Niklaus Reiff; Solothurn: Schultheiß [Niklaus] Conrad; Schaffhausen: Bürgermeister [Hans] Trüllerei; Abt von St. Gallen: Landvogt [Johann] Schenkli; Stadt St. Gallen: Bürgermeister [Hans] Ab der Rüti, Stadtschreiber2; Appenzell: Othmar Ronder.

[2.] [...]. aDer Landvogt im Thurgau [Melchior zur Gilgen] berichtete, daß eine Person aus Mailand Knechte anwerbe. Trotz des Verbots seien einige Knechte nach Mailand gezogen. Dem Landvogt wurde geschrieben, er solle abermals nachdrücklich verbieten, sich ohne Wissen und Willen der Eidgenossen in fremde Dienste zu begeben. Er solle auf die Aufwiegler achtgeben und diejenigen Knechte, die Geld angenommen hätten oder im Begriff stünden auszuziehen, gefangensetzen. An andere Vögte erging ein entsprechender Befehl. Die französischen Gesandten zum Luzerner Tag sollen nachdrücklich an das Werbungsverbot erinnert werden. Verstöße dagegen würden an ihrem Leib und Gut gestraft. [...].

[3.] Der röm. Kg. hat die zwölf eidgenössischen Orte schriftlich aufgefordert [Nr. 916], die von den neun Orten Zürich, Bern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Basel, Fribourg, Solothurn und Schaffhausen auf dem Züricher Tag bewilligte Truppenhilfe für den Romzug zu leisten oder wenigstens keinen Kriegsdienst für den frz. Kg. oder einen seiner anderen Feinde zu erlauben und sich diesbezüglich verbindlich zu erklären.

Bei den Beratungen kamen widersprüchliche Auffassungen zutage: Einige Orte vertraten die Meinung, daß man, wie im kgl. Schreiben gewünscht, stillsitzen und weder den röm. noch den frz. Kg. unterstützen solle.3 Einige Orte waren der Auffassung, daß man den Romzug gemäß dem Züricher Abschied unterstützen und dem röm. Kg. die Zusage durch Gesandte erläutern solle; man sei der Hoffnung, daß der Kg. sich damit begnügen und die Eidgenossen in dieser Angelegenheit nicht weiter behelligen werde.4 Die französischen Gesandten sollten ausgewiesen werden. Einige Gesandten bekundeten dabei, daß ihre Orte dem röm. Kg. die in Zürich gegebene Zusage halten wollten. Eine dritte Gruppe von Gesandten erklärte, daß sie lediglich auf Anhören und Hintersichbringen bevollmächtigt seien, angesechen, dz ir Hh. und obern vormals nützit zugesagt und geantwurt habent, das inen het gefallen, by unser nechsten verkomnuß, der pensionen und kriegsloufenden knechten halb ufgericht5, ze bliben und in craft derselben aller Ff. und Hh. müssig ze gand. 

Und nach enteckung eines jeden bevelch durch uns boten vilerley meinungen angezöigt sind und besonder treffenlich davon geredt ist, wo wir dem röm. Kg. zusagen sölten, stillzusitzen, dz dagegen swer und gar nach unmüglich sige, unser knecht daheim zu behalten; wenn sy sich dann erheben und dem Kg. von Frankrich zuziechend, das wir on alles mittel gegen dem röm. Kg. den krieg an der hand habent und zudem uns eben verachtlich sye, das wir unserm vorigen zusag, den romzug nach lut des nechsten abscheids hie [zu] Zürich [Nr. 911, Pkt. 3] helfen zu volstrecken, abzutreten und davon zu fallen. Ist zuletst under uns boten mitsampt unsers gn. H. von St. Gallen, ouch unser getrüwen, lb. Eidgnossen der statt St. Gallen und des lands von Appenzell botschaften, die zu disem handel ouch beschriben sind, gemeret, dis meinung an die hand zu nemen und uf gefallen unser aller Hh. und obern davon zu reden: Also, diewil der fürgenomen romzug ein erlich, götlich fürnemen und dagegen der zusag, so wir nün ort obgemelt röm. kgl. Mt. getan habent, namlich dz wir ir den romzug wellent helfen volbringen und doch weder dem Kg. von Frankrich noch jemands anderm dz sin innemen, ob aber jemands die röm. kgl. Mt. daran irren und verhindern wölte, das wir dero wider den und dieselben mit unserm lib und gut hilf und bestand tun wölten nach aller billicheit, wie dann derselb nechst abscheid dz in buchstaben inhalt, ouch erlich und gnugsam und wol ze hoffen sye, wo der röm. kgl. Mt. dz also were erscheint, dz die daran gut benügen gehept und ir obangezöigt so dapfer schicken erspart het, das wir dann nochmals bi demselben unserm zusag und nechsten abscheid bliben und die röm. kgl. Mt. durch unser treffenlich botschaft denselben unsern zusag und abscheid muntlich fürbringen und erlütern söllen, in hoffnung, wenn dz beschehe, die kgl. Mt. werd des benügen und gegen uns wol zufriden sin.

So werden ouch in mittlerzit etlich Ff. und Hh. zuriten. Dieselben bericht man des ouch, der zuversicht, dz dieselben daran ouch benügen haben und nit geneigt sin werden, uns darüber zu bekriegen. Wölt aber die kgl. Mt. oder einig F. des Richs an obangezöigter unserer zusag und erlichem erpieten nit benügen, das man dann den handel, und wie und was wir zugesagt habend, den stenden des Richs, desglichen den richstetten besonders ouch erlütre und zuschribe, guter zuversicht, wenn dz bescheche, es werde sich endern und niemands geneigt sin, uns wider das anzufechten und trengen ze tunde, dz unsern eren abbrüchig und nit gemäß syg, uns daruf zu erwarten, was uns harwiderumb zu antwurt begegne.

Und als offenlich am tag lit, dz die französischen boten mit irem umbriten und geltußgeben in jungen und alten in unser Eidgnosschaft anders nüts dann alle widerwertikeit und ungehorsami stiftent und, wiewol sy des nit wort haben wellend, in geswindikeit und betrugenlich praticierent, unser knecht zu bewegen, zu irem Kg. zu ziechen, dz da deßhalb ouch geratschlaget, damit unser knecht enthalten und die gemelten französischen boten uß unsern landen zu irem Kg. gevertiget werden.

Da die Angelegenheit eilt, wird ein weiterer Tag nach Zürich anberaumt. Die Gesandten sollen sich am 12. Oktober (zinstag vor St. Gallentag) in ihren Herbergen einfinden. Jeder Gesandte soll zu Hause über diesen Tag Bericht erstatten und sich um eine Entscheidung seines Ortes bemühen, damit auf der nächsten Versammlung ein einhelliger Beschluß herbeigeführt werden kann.

An den röm. Kg. wurde geschrieben, daß auf diesem Tag wegen der unvereinbaren Instruktionen für die Gesandten6 kein einhelliger Beschluß möglich gewesen, jedoch ein weiterer Tag anberaumt worden sei, um zu einer verbindlichen Entscheidung zu gelangen.

Die Gesandten aus Luzern, Zug und Glarus wurden ersucht, über die Angelegenheit zu Hause zu berichten und dafür einzutreten, daß diese drei Orte sich nicht von den übrigen absondern, sondern ebenfalls an der nächsten Versammlung teilnehmen.7 

Anmerkungen

1
 Schreibfehler, richtig: Ludwig.
2
 = Conrad Appenzeller (laut freundlicher Auskunft von Frau Ursula Hasler, StdA St. Gallen).
a
–a Der ... gestraft] Fehlt in C.
3
 Bei Anshelm (Chronik III, S. 31) heißt es: Friburg und Solaturn stuͤnden irer zuͦsag ab, wolten stil sitzen.
4
 Diese Auffassung vertrat etwa Zürich (Entsprechender Beschluß von Bürgermeister, Kleinem und Großem Rat vom 22.9. (St. Moritzen tag); StA Zürich, B II 41, pag. 16; Gagliardi, Anteil I, S. 683 Anm. 135).
5
 Pensionenbrief vom 21.7. und sog. Beibrief vom 30.8.1503. Vgl. Nr. 213, Anm. 1.
6
 Laut ihrer Instruktion zum Züricher Tag waren die Gesandten Basels darüber informiert, was die Ratsherren als die, so gern lob, ere und nutz nit allein ir loblichen Eydgnoschaft, sonder vorab des Hl. Röm. Richs und tutzscher nacion furdern helfen wölten, über das kgl. Schreiben beraten hatten. Basel war demnach zu dem Ergebnis gelangt, die auf dem Züricher Tag gegebene Zusage einhalten zu müssen. Denn weger und besser sye, man werd bruchig an uns, denn das wir Eydgnossen, nit gehalten haben, angezogen werden solten. Daran wollte man auch gegen eine Mehrheit der Orte festhalten. Dieser Beschluß sollte dem röm. Kg. durch Gesandte mitgeteilt werden, die indessen auch darauf hinweisen sollten, daß die Zusagen des Kg. an die Eidgenossen ebenfalls eingehalten werden müßten. Walter Harnescher wurde beauftragt, zum Tag nach Luzern weiterzureisen, um dort den Vortrag der frz. Gesandten auf Hintersichbringen anzuhören (Kop., s.d., jedoch Basel, vor dem 30.9.1507; StA Basel, Eidgenossenschaft E 1, fol. 165–165’). Bern plädierte angesichts der widersprüchlichen Positionen unter den eidgenössischen Orten dafür, zwischen den beiden Kgg. Neutralität zu wahren und den Knechten das Reislaufen zu verbieten. Kg. Ludwig sollte schriftlich aufgefordert werden, niemand von der Eydgnosschaft wider sölichen romzug in dienst oder besoldung anzunämen, sunder sich dero in sölicher gestalt zu müssigen, mit anzoug, wo er wider sölichs nit tun, das sich alsdann ein Eydgnoschaft erlutret welle haben, wider im zu ziechen und in an land und lut zu schedigen. Die Gesandten wurden ermächtigt, einen Mehrheitsbeschluß zur Unterstützung des Romzuges auf Hintersichbringen anzunehmen (Kop., s.d., jedoch Bern, vor dem 29.9.1507; StA Bern, A IV 10, pag. 219–220).
7
 Diebold Schilling vermerkt über den Züricher Tag: Und also kamend in dem der Eitgnossen botten gan Zürch und wurdend da raͤtig, diewil der Roͤmsch küng sy und dargegen sy inn beidersit nit raͤcht verstanden und sine botten ouch bitzhar, die er schickte, kein vollen gewalt haͤttend, das sy dann selber wider an künglicher maiestat mund und ir bottschafft zuͦ im schicken, doch das hindersich an ir obern bringen woͤltend, alß ouch beschach. Und ward darumb, das ab- oder anzesagen, ein tag vor Galli am zinstag [12.10.] angesetzt, zuͦ Zürch ze sin (Bilderchronik (Schmid), S. 376f.; Bilderchronik (Durrer/Hilber), S. 156).