Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Ordenstag in Frankfurt; [2.] Rechtfertigung seiner Politik gegenüber Polen; [3.] Teilnahme am Wormser Reichstag, Vermittlungsverhandlungen mit Polen; [4.] Ansprüche Sebastian Stiebars von Buttenheim an den Deutschen Orden.

Berlin, GStA, OBA 19239, fol. 3–4’ (undat. Kop.).

[1.] Er hat ihrem Vortrag1entnommen, dass der Deutschmeister in Kürze in Frankfurt einen Kapiteltag abhalten wird. Sie, die Gesandten, sollen zweifellos ebenfalls daran teilnehmen. Damit er sie nicht daran hindert, gibt er ihnen folgende Antwort auf ihren Vortrag.

[2.] Der Deutschmeister hat sicherlich seine bisherigen Schreiben gelesen. Daraus konnte er entnehmen, dass er, der Hochmeister, und der Orden nicht leichtfertig in diese gefährliche Situation geraten sind. Vielmehr haben der vorige und der jetzige poln. Kg. [Alexander und Sigismund] sämtliche Vermittlungsangebote zurückgewiesen. Zuletzt trachtete man ihm sogar nach dem Leben. Er ist deshalb, wie auch vom Ordensmeister in Livland [Wolter von Plettenberg] geraten, in seine Heimat zurückgekehrt. Seither bemüht er sich unablässig um eine friedliche Beilegung des Konflikts. Hätte er anders gehandelt und, wie vom Deutschmeister empfohlen, die Politik seiner Amtsvorgänger fortgesetzt, hätte er das Ordensland schließlich an den polnischen Kg. ausliefern müssen.

[3.] Er, der Hochmeister, hat bereits vor ihrer Ankunft von dem ausgeschriebenen Kapiteltag erfahren und deshalb den Landkomtur von Thüringen [Klaus von Uttenrode] mit folgendem Vortrag an den Deutschmeister beauftragt: Er gedenkt, jetzt den ksl. Reichstag in Worms zu besuchen und auch eine Gesandtschaft zu den bei der Heiltumsweisung in Bamberg [am 6. Mai] versammelten fränkischen Ritterschaft zu schicken.2Falls der Deutschmeister nicht persönlich am Reichstag teilnehmen wird, bittet er ihn, ebenfalls Gesandte dorthin abzuordnen und sich auch an der Gesandtschaft nach Bamberg3zu beteiligen. Dort will er jeweils die Beschwerden des Ordens vorbringen und, nachdem dieselbigen das Heilig Reich und ganze teutsche nacion am meisten belangend, zu bitten und gutlich zu begern, sein gnaden beretig zu sein, was seiner Gn. furder in dieser beschwerung furzunemen sei ader nicht, nachdem es in seiner Gn. und ordens macht nicht sey, sich allein der gewalt des konigs zu Polan aufzuhalten. Und was sein ftl. Gn. daselbst eintrechtiglich geraten in beyweßen meins gn. H., des meisters, ader seiner geschickten, da wollen sich sein Gn. dem orden zu eren und nutz gepurlich ynnen finden lasen. Kg. [Wladislaw] von Ungarn-Böhmen bemüht sich ebenfalls bei seinem Bruder, dem polnischen Kg., um eine Vermittlung. Den Ausgang dieser Initiative will er noch abwarten. Sollte die Vermittlung wie schon zuvor abgeschlagen werden, soll der Deutschmeister auf dem bevorstehenden Kapiteltag einen Beschluss herbeiführen, dem Hochmeister und dem Orden mit allen Kräften die ihnen zustehende Hilfe zu leisten. Das Schicksal des Ordens in Preußen hat auch Rückwirkungen auf den Orden im Reich. Sollte sich eine neue Situation ergeben, würde er, der Hochmeister, ebenfalls eine Gesandtschaft zum Kapiteltag abordnen.

[4.] Der Hochmeister hat [Sebastian] Stiebar zu seinem Vorgehen4keinerlei Veranlassung gegeben, sondern im Gegenteil mehr zugestanden, als notwendig gewesen wäre. Mit Bedauern nimmt er zur Kenntnis, dass der Deutschmeister und der Orden bei den Ganerben [zu Rothenberg] und dem fränkischen Adel nicht mehr Ansehen genießen. Da der von den Ganerben verabschiedete Schiedsgerichtsvertrag einige bedenkliche Artikel enthält, wird er sich über die Angelegenheit noch einmal beraten und ihn, den Deutschmeister, dann über seine Entscheidung unterrichten. Auch wird er sich an befreundete Stände wenden, um das mutwillige Vorgehen Stiebars zu beenden.

Anmerkungen

1
 HM Friedrich von Sachsen hatte den Deutschmeister durch seinen Gesandten Georg Truchseß über den von den Regenten in Preußen mitgeteilten Frieden zwischen Kg. [Sigismund] von Polen und Großfürst [Wassili] von Moskau und die Absicht Polens zum Angriff auf Preußen informiert. Ks. Maximilian war durch Ludwig von Seinsheim (Komtur zu Koblenz) darüber ins Bild gesetzt worden. Der HM hatte bereits Verstärkungen für die Besatzungen der preußischen Schlösser und Städte geschickt. Der Deutschmeister sollte weitere Truppen bereitstellen. Wie die beiden Gegengesandten Dietrich von Cleen (Landkomtur von Hessen) und Burkhard von Seckendorff (Komtur zu Virnsberg) dem HM am 19.4. eröffneten, wollte Stockheim diese Entscheidung nicht allein treffen, sondern am 29.4. (jubilate)auf einem Kapiteltag darüber beraten. Bei vorbereitenden Besprechungen mit den Gebietigern habe allerdings Einigkeit bestanden, dass der HM die Lage des Ks., des Reiches und der Reichsritterschaft berücksichtigen müsse und bei einem Krieg gegen Polen nicht auf sie zählen könne. Im Falle eines bewaffneten Konflikts wäre der Verlust Preußens zu befürchten. Deshalb wurde eine vertragliche Einigung mit Polen, alternativ die Fortsetzung der Hinhaltetaktik in Bezug auf die Ratifizierung des Thorner Friedens von 1466 favorisiert (Aufzeichnung über den Vortrag der Gesandten; GStA Berlin, OBA 19239, fol. 1–2’; Matison, Politik, S. 431f.).
2
 Laut am 12.6. erfolgtem Vortrag seines Gesandten Hans von Schönberg an die preußischen Regenten hatten der Komtur von Ragnit [Nikolaus von Pflug] und Caesar Pflug die in Bamberg anwesenden Ritter inzwischen im Namen des HM um Rat und Hilfe für den Orden gebeten (act. dinstags nach corporis Christi; GStA Berlin, Ordensfoliant Nr. 28, pag. 22–24, hier 22).
3
 Darum hatte der HM bereits mit Schreiben vom 10.4. gebeten (Kop., dienstag[in der Osterwoche]; GStA Berlin, Ordensfoliant Nr. 26, pag. 176).
4
 Vgl. die Darstellung des Vorgangs in Nr. 368. Cleen und Seckendorff hatten mitgeteilt, dass Stiebar ungeachtet der Angebote des HM und der Argumentation des Deutschmeisters, dass die Angelegenheit sein Gebiet überhaupt nicht betreffe, auf einem während der Fastenzeit abgehaltenen Schiedstag erneut gedroht habe, seinen Anspruch gegen den Deutschen Orden gewaltsam durchzusetzen. Die Ganerben zu Rothenberg hätten ihm zu diesem Zweck die Öffnung ihres Schlosses zugesagt. Die Gesandten des Ordens hätten sich daraufhin zur Annahme eines Schiedsgerichtsvertrags zur Ratifikation durch den HM genötigt gesehen. Die beiden Gesandten ersuchten den HM, dafür Sorge zu tragen, dass der Deutschmeister und sein Gebiet nicht behelligt würden, und seine Entscheidung bezüglich des Vertrags mitzuteilen [wie Anm. 1].