Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Attacke des sächsischen Hauptmanns Friedrich von Thun auf Kurmainzer Gesandte und Erfurter Bürger; [2.] Billigung der Aktion durch die Hgg. von Sachsen, Drohgesten und Spaltungsversuche gegenüber der Erfurter Bürgerschaft; [3.] Zu erwartende weitere Übergriffe der Hgg. gegen Erfurt, Ersuchen um Unterstützung gemäß der Kurfürsteneinung.

[Augsburg], 15. März 1510

Magdeburg/Wernigerode, LHA, A 37b I, I III Nr. 6, fol. 11a-13a, Konz. (Vermerk fol. 14b: An die Kff. Coln, Pfalz, Trier Hg. Friderichen antreffend).

[1.] Sieht sich veranlaßt, ihnen in Erwartung ihres Beistands die unbilligen Beschwerungen darzulegen, die sein Mit-Kf. Friedrich von Sachsen und dessen Bruder Hg. Johann ihm wider die Kurfürsteneinung in seiner und seines Erzstifts althergebrachten Stadt Erfurt zufügen.

Als gemelt unser statt durch unfursichtig regierung irs rats on eyniche getrengte not oder redlich ursach in merklich und groß schulden, last und jerliche zins also schwerlich gefürt, das ire schuld und jerlich ausgeben ire innemen also hoch ubertroffen, das sie denselben schulden und unrate nit mer zu begegen gewisset, haben rate und gemeynde gemelter unser statt des vergangnen sommers sechs redlich personen aus inen, nemlich zwo vom rate und vier von der gemeinde, zu uns als irem rechten erbherrn gesandt, uns iren verderblichen last und schaden zu erkennen geben und uns anrufen lassen, inen darin als ire rechter H. gnediglich beraten und beholfen zu sein. Daruf wir inen etlich unser treffenlicher, verstendiger rete zugeordent, mit inen gein Erfurt zu reyten, die sachen des unrats und beschwerung zu horen, zu ermessen und furter von unsern wegen darin zum besten zu raten und zu helfen. Als aber unser rete mitsambt den gesandten von Erfurt in ein closter, Jorgental genannt, im lande zu Dhuringen gelegen, komen, uber nacht darin herberg zu haben, sich vor nyemands und sonderlich den Sachsischen keyner widerwertikeyt besorgend, ist der obgenanten Ff. hauptman zu Weymar, Friderich Thone genant, mit 30 reysigen pferden ungeverlich und umb die 200 zu fuß, alle gerüst, auch dahin komen, unser rete zu ime heraus uf einen platz fordernd oder berufend und inen sagend, das seinen Hh. keinswegs leydlich were, [daß] die unsern gein Erfurt zu reyten. Hat die unsern also stracks zu pflichten und zusagungen hochmütiglich gemüssiget und getrungen, honlich und verächtlich wider hinder sich zu uns zu reyten, auch alsbald die gemelten sechs unser burger von Erfurt mitsambt iren knechten gefenglich angenomen und gein Weymar in eins wirtshaus vertagt. Hat des kein settigung gehabt, sonder nachfolgend alsbald der unsern von Erfurt, mer wan eynest, etwevil vom rate und gemeinde ausser der statt in die sechsischen flecken erfordert und inen mit großen trowen furgesagt und verpoten, der unsern keinen zu Erfurt inzulassen, auch mit denen, so kurz nach dem oberurten gewaltigen umbtreiben dahin komen waren, nichts zu handeln, sonder zuforderst seiner Hh. rats und hilf zu geprauchen etc., als auch darnach dieß winters, als unser rete etwas treffenlicher gein Erfurt den unsern zu gut komen waren, die gedachten Ff. mitsambt irem vettern, Hg. Jorgen von Sachsen, durch ire geschickten rete den unsern zu Erfurt in der statt sagen lassen haben. Friderich Dhone ist auch seins geweltigen furnemens etwas gute zeit gegen den unsern von Erfurt in steter ubung beharret, etwevil unser bürger, die zu ime in potschaftsweise von der unsern von Erfurt wegen zu ime komen, auch gefenglich annement, die alle noch bis uf diesen tag gefenglich von den oberürten gebrüdern von Sachsen gehalten werden. aDer gemelt Done hat furter zu merung seins gewaltigen furnemens den unsern zu Erfurt ein vermeint veintlich verwarung zugesendet, wie dan euer lieben hieby auch vernemen werden, alles ungeursacht, unerfordert und unerlangt einichs gepurlichen rechten, eygens grund, wider recht und den ksl. lantfriden.–a

[2.] Dweil wir nu mit den gemelten Ff. von Sachsen nichts anders wann alles gut zu tun gewißt und sonderlich kurz vor dem oberürten honlichen umbtreiben mit Hg. Friderichen obgenannt von dem reichstag, nach nehstvergangen ostern [8.4.09] zu Worms gehalten, in sonderlichem fruntlichem abreden, auch sunderlichen hohen verstentnus abgeschieden waren, haben wir uns keinswegs versehen oder vermuten mogen, das solich irs hauptmans unzimliche, geweltige handlung irs bevelhs, willens oder wissens gewest. Darumb den beden gebrüdern fruntlicherweise solich unversehene, unzimliche irs hauptmans ubung, an den unsern begangen, in schriften mer wann eynest eroffnet, bittend, die abzustellen zu verfügen, unser rete irer getanen pflicht und unser gefangnen bürger mit den iren der gefengnus ledig zu geben und uns an versehung, ordnung und regierung der unsern zu Erfurt unverhindert zu lassen, aber des bey inen kein fruchtbar antwort bis uf diesen tag erlangen mögen. bDorus wir vermerkt, das sie irs heuptmans bose, ungeschickte handlung geneme gehalten und gehapt, als sie noch tun.–b Wir haben uns mitler zeyt zu etlichen gütlichen tagen, zwüschen unser solicher sachen halber gehalten, mer, wann wir von recht oder pillicheit wegen schuldig, auch mer, wann uns, unserm stift und den unsern zu Erfurt wol leidlich oder nutz gewest, umb fridlebens und guter nachparschaft willen gegen gemelten Ff. von Sachsen erboten. Ist aber alles verachtet und nit angesehen worden, sonder die obenenten zwen bruder von Sachsen haben zu merung und haufung angezeigts geweltigen furnemens des vergangen cristabents [24.12.09] etliche trowige, scharpfe und ernstlich schrift an die vierteil und etwovil namhaftige hantwerk in unser statt Erfurt geschickt, in meynung, sie zu trennen und uneinung zu machen und sie dadurch von irer gepurlichen gehorsam, so sie unsern reten von unsern wegen erzeigt, zu bewegen. Aber die unsern sind als die fromen in erbarm, unzurteyltem gemüt beyeinander und sunderlich bey uns als irem rechten H. uffrichtig bestanden und den Ff. von Sachsen daruf ein einhellige, erbare, versambte antwort geben und darin erpieten zu recht mer wan gnug und uberflüssig getan, wie das alles eur liebde aus hiebey verwarten copien [liegen nicht vor] vernemen mogen.

[3.] cDemselben nach wir in uns nit anders versteen mogen, dan das die gedachten Ff. von Sachsen wider die unsern zu Erfurt in wyter sorglicher und beschwerlicher handelung steen zu merglichem abbruch, verhinderung, nachteyl und schaden unser und unsers stifts lang herbrachten oberkeyt, herligkeyt und gerechtigkeyt unser alten stat Erfurt. Us welicher unversehener, sorglichen und torlichter handelung und ubung–c wir geursacht worden, unser bundsverwanten des lands zu Schwaben, auch etlich ander unser Hh. und freunde und sunderlich eur liebde als unser fruntlich, lb. brüder und freunde umb rate, trost und hilf fruntlich zu ersuchen, damit wir, unser stift und die unsern zu Erfurt vor gewalt, bey recht, darzu eur liebde sembtlich und yeglicher besunder unser mechtig sein sollen, pleiben mogen, ufs allerfreuntlichst bittend, eur liebde, auch unser semptlichen kftl., brüderlichen eynung hiemit fruntlich ermanend und erinnernd, eur liebde wollen diesen unsern und unsers stifts schweren falle und anfechtung herziglich und treulich bedenken und uns hierin nach vermoge berürter unser kftl. eynung getreuen, fruntlichen rate, hilf und beystand erzeigen, damit wir, unser stift und die unsern bey gleich, recht und der pillicheit pleiben mogen, mit also gutwilliger, fruntlicher erzeigung, als des unser besonder hoch vertrauen und zuversicht zu euern liebden steet und eur liebde herwiderumb in gleichem falle gern getan haben wolten. Das wollen wir umb eur liebde fruntlich gern vergleichen, verdienen und zu gut nümer vergessen. Geben uf freitag nach dem sontag letare Ao. etc. decimo.1

Anmerkungen

a
–a Am Rand von anderer Hand hinzugefügt.
b
-b Am Rand von anderer Hand hinzugefügt.
c
–c Am Rand von anderer Hand nacheinander korrigiert aus: Deshalb angezeigter unversehener handlung und ubung sowie: Us dem allem nit anders zu vermerken, wann das die Ff. von Sachsen uns und unserm stift unser altherbrachte stat Erfurt gern entziehen und entwenden und sich als landsfürsten und Hh. darin wenden und slagen wolten on alle redlich ursach, recht, grund oder fug. Das dann uns und unserm stift, als eur liebde versteen, ganz abbrüchenlich, nachteylig und unleidlich ist.
1
 Zu den Schiedsverhandlungen auf dem Augsburger Reichstag in der Erfurter Streitsache vgl. die knappen Angaben bei Burkhardt, Das tolle Jahr, S. 374-376.