Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Strenger Befehl des Ks. an das hessische Regiment zur Zahlung einer Unterhaltssumme an Landgf.in Anna von Hessen; [2.] Reise des Ks. durch die Niederlande nach Köln; [3.] Militärische Auseinandersetzungen mit dem Hg. von Geldern, bedrängte Lage des Kg. von Frankreich [4.] Reise Bf. Matthäus’ von Gurk zum Papst, Mutmaßungen über dessen Absichten in bezug auf Venedig; [5.] Spekulationen über neuerliche Kontaktaufnahme der Franzosen zu den Eidgenossen; [6.] Tag in Wesel, geplantes Bündnis gegen den Hg. von Geldern; [7.] Feierlicher Empfang des Ks. in Aachen mit Heiltumsweisung; [8.] Übersendung von Reliquien an Kf. Friedrich; [9.] Weiterreise des Ks. nach Köln, dort anwesende Ff.; [10.] Gerede über Kf. Friedrichs Teilnahme an der Hochzeit Hg. Heinrichs von Sachsen; [11.] Gerüchte über die Rückkehr des Ks. in die Niederlande, den Tag in Wesel und einen Kriegszug gegen den Hg. von Geldern; [12.] Vertreibung der Franzosen aus Italien durch die Eidgenossen; [13.] Hoffnung Massimiliano Sforzas auf seine Einsetzung als Hg. von Mailand.

Köln, 16. Juli 1512

Weimar, HStA, EGA, Reg. E Nr. 58, fol. 84-85, Orig. Pap. m. S. und eigenhändiger Unterschrift (Vermerk: [In seiner]  Gn. selbst hant).

[1.] Gruß. Gnst. F., am samstag nach Kiliani [10.7.12] hab ich gehört ein ksl. mandat lesen, lautent an dy regenten zu Hessen [Nr. 1227], also das ksl. Mt. inen schreibt, nachdem ksl. Mt. mit inen ghandelt aber [= oder] handeln hab lasen, das Landgf. Wilhelm seinem gmahel [Landgf.in Anna] und freulein [Elisabeth] ein suma geltz geb auf unterhaltung aber sunst, wy solchs verschafft worden sey, im gefallen solt, auch der Landgf.in von Hessen etlich tausent, das aber bis hieher noch nit gescheen werd. Daraus ksl. Mt. nit anders vernemen und versten konnt, dann solcher auszug und zusagen geschech seiner ksl. Mt. zu einer verachtung und verkleynerung. Und mandirt inen auf solchs, das sy solche summa geltz ausrichten solten und geben bey verlyrung ksl. Mt. hochste gnad und bey der acht und aberacht etc.

[2.] Gnst. F. und H., euer ftl. Gn. wiss, das ksl. Mt. am dinstag nach visitationis Marie [6.7.12] zu Thorney [= Turnhout] sich erhebt hat und gen Gell [= Celles] geritten 2 meyl, von Gell gen Tyst [= Diest] 3 meyl. Hat sein Mt. dy furir vorgeschickt, herberg auszugeben. Also ein meyl von Tyst sein acht pferde, gellerische, uber den furir komen mit namen Copin, ist selbdritt gewest. Haben sy den Copin behalten, dy andern zwen sein overiten. Darnach denselben tag sein wir gen Tyst komen, doch sein etliche clefische und gulchische reyter zu uns komen, dy uns geleyten. Freytag nach Kyliani [9.7.12] sein wir gen Mastrich komen. Do sein wir still gelegen bis auf montag [12.7.12]. Hat ksl. Mt. in mittler zeyt umb merer reuter und pauerfolk gedacht, domit wir sicher hinaufkomen gen Colln.

[3.] Gnst. H., des kriegs von Gellern halben hab[en] wir bey 5000 zu fuß und 300 pferd. Sein gezogen fur ein stetlein mit namen Anhalt [= Anholt], welches der Hg. von Gellern hat innenghabt. Aber unser knecht haben das schlos ynnen und ob 300 unser auf dem schlos der Gellerischen in der statt erschossen. Da aber unser leut, dy 5000 und 300 zu pferd, komen sein fur Anhalt, haben sich dy Gellerischen hinwekgetan und doch 300 knecht darinnen gelassen und bey inen ein quartan [= kleine Kanone] und 2 schlangen [= leichtes Feldgeschütz]. Do schyssen dy unsern aus dem schloss und dy Gellerischen aus der stat in das schloss, und unser folk haben 2 plockheuser darfur geschlagen, das dy in der stat nit darvonkomen. Und unser folk zeucht in dem land umb und verheren korn und alle frucht. Also ist der Hg. von Gellern gezogen gegen Holand mit 1500 knechten und 2000 seines landzvolk. Hat sich gelegert fur ein statt, vermeint, dyselben zu erobern in Holand etc.1 Der Kg. von Frankreich kan im itzund kein hilf tun, dann der Kg. von Yspania und Engelland zyhen im mit gwalt in sein lande. Haben im itzund ein stat eingenomen, dy soll groser sein dann zway Augspurg, heyst Payga [= Bayeux]. Haben die Spaniol und Engelischen vil tausent Franzosen erschlagen. So hat der Kg. von Frankreich in Ytalia alle stett verloren, dann 5 schlos haben sy noch innen mit namen Mayland, Lignago, Cremona, Asti und Jenua.

[4.] Dy Venediger sten gen uns still und wir gegen in. Der von Gurk ist zu Trier zu dem Pabst gefertigt worden, aber er ligt noch zu Trient. Und ist dy sag an ksl. Mt. hof, dyweil der Pabst, Venedig und ander ir helfer den Franzosen also aus Ytalia vertriben haben, so wer[d] sich sein Hlkt. mehr an uns keren, das er dy Venediger uns zu untertenigen [= unterwerfen] werd. Es wirt not tun, das wir uns wol fursehen.

[5.] Gnst. H., es wirt also an ksl. Mt. hof geredt, dy Franzosen sein lystig und gescheyd, sy wer[d]en lyst ankeren, ab sy dy Schweyzer mochten wider auf ir seyten bringen. Geschech solchs, alsdan wurd ein seltzam ding daraus. Got helf uns.

[6.] Gnst. F. und H., dy sag ist bey uns, wy itzund dy nyderlendischen regenten und stett komen wer[d]en gen Unterwesel am Rein. Dahin sol komen ksl. Mt., Hg. von Clef und Gulch, der Bf. von Collen, der Bf. von Münster und etlich mer. Dy sollen einen punt machen wider den Hg. von Gellern.

[7.] Gnst. F. und H., am mantag nach Kyliani [12.7.12] sein wir gen Ach komen,2 und am dinstag [13.7.12] hat man ksl. Mt. mit einer schonen procession aus der herberg geholt, alle munchen und prister zu Ach und all in iren schonen chormenteln, und zwen prister haben St. Ks. Carels haupt getragen in der procession. Und do hat sein Mt. das ampt gehört, und noch dem ampt hat man seiner Mt. das heyltum gezaigt, ganz solempniter oben von der kirchen, nit anders, dann wy man solchs alle 7 jar weist etc. Sein nemlich dy stük: Unser Lb. Frauen hemd, darnach winteln, darinnen Christus gelegen ist, darnach ein tuch ganz vol schweyß, darein man St. Johans des teufers, do man in enthaupt hat, das haupt gelegt hat, das tuch, das Christus umb seinen hl. leichnam gehabt hat und bedekt ist worden an dem stammen des hl. creuz, auch ser schwaissig.3

[8.] Gnst. H., nun haben dy chorherren ksl. Mt. das rotseyden tuch geben, darin dy fier kosperlichen stuck gewickelt und gepunden sein gewest. Hat mir ir Mt. ein stük darvon geben. Solchs schick ich euer ftl. Gn. hierinnen, pitt, euer ftl. Gn. wolle solchs in gnaden von mir annemen.

[9.] Am mitwoch darnach [14.7.12] ist ksl. Mt. umb ein hor nach mitternach[t] aufgewest, mess gehort und gen Gulch [= Jülich] geritten, do zu Gulch ¼ stund geruet und umb fier hor nach vesper aufgwest, von Gulch gen Perka [= Bergheim] geritten, da uber nacht gelegen, am donerstag [15.7.12] zu Percka wider umb eins nach mitternach[t] aufgewest und gen Sünß [= Zons] geritten und denselben donerstag zu nacht um aylf hor zu mitternacht auf dem wasser gen Colln gefaren. Morgens am freytag [16.7.12] hat sein Mt. zu den aposteln [= St. Aposteln] ein ampt gehort, dann es ist seiner Mt. nechste kirchen. Und zu dem ampt sein all Kff. und Ff. komen, nemlich der Bf. von Mainz und der Bf. von Bamberg. Sunst ist kein F. noch da zu Colln.

[10.] Gnst. H., das geschrey ist hie an ksl. Mt. hof, das euer ftl. Gn. mit etlichen hundert gerüster pferd gen Freyberg auf dy hochzeit Hg. Heinrichen[s] von Sachsen4 geritten sey und in einem ganzen kurzen. Uber solchs ist vil unnütz gewesch von unnutzen leuten, wirt euer ftl. Gn. zu seiner zeit wol erfaren.

[11.] Gnst. H., nichts neus ist bey uns dann dy sag, ksl. Mt. woll wider hinab in das Nyderland. Auch so sollen dy ret aus den Nyderlanden von Hg. Carel und aus den landen ir volk komen gen Unterwesel und darzu Bf. von Munster, Colln, Luttich, Utrich, Clef, Gulch, alle sich verpinten und wider Hg. von Gellern kriegen.

[12.] In welschen landen ist nichts neus, dann das dy Schweizer dy Franzosen aus dem welschen land gar vertriben haben.

[13.] Der elter Hg. von Mayland [Massimiliano Sforza] zeucht mit ksl. Mt., vermaint, er woll wider eingesetzt werden in das Hgt., dann dy landschaft will in haben, als er und sein hofgsind sagen. Domit befilch ich mich euer ftl. Gn. als meinem gnst. H. Auch pit ich, euer ftl. Gn. woll meiner 200 fl. nit vergessen. Datum Collen am 16. tag July Ao. 1512.

Anmerkungen

1
 In einem undatierten, jedoch wohl Ende Juli/Anfang August 1512 verfaßten Schreiben berichtet ein ungenannter Verfasser den Hgg. von Sachsen, nachdem der Hg. von Geldern bereits die Stadt Anholt erobert habe, habe er nunmehr laut einer am Vortag eingegangenen Meldung auch die Stadt Tiel, die vil und fast veste ist, so der Ks. yn Geldern gehabt, (auf näher beschriebene Weise) eingenommen. Man meynt, er werd Arnheym auch bald erlangen. Der Ks. hat etzlich knecht ym Nyederland, den ist er hinderstelliger besoldung schuldig. Dye haben den Probendern [= Brabantern], auch den Colnischen von zehen bys yn funfzehentausent fl., als man sagt, genomen, das yn yr lager gezogen, yn meynung, yr schuld davon zu bekomen. Man vermut sich, dyeselben knecht werden auch francosisch und gelderisch werden. Weimar, HStA, EGA, Reg. E Nr. 58, fol. 159a, Orig. Pap.
2
 In einer am 31. Juli 1512 in Köln ausgestellten Urkunde bestätigte der Ks. Abt und Konvent der Abtei Stablo die Zahlung der einem röm. Ks. oder Kg. bei seinem Aufenthalt in Aachen zustehenden 20 Silbermark. Duisburg, LandesA, Abtei Stablo-Malmedy, Urkunden Nr. 151, Orig. Perg. m. S. ( p.r.p.s.; a.m.d.i.p.; Gegenzeichnung: Serntein).
3
 Zu den historischen Wurzeln, dem rituell-rechtlichen Rahmen und dem üblichen Ablauf der Heiltumsweisung im Aachener Marienmünster vgl. Kühne, ostensio reliquiarum, S. 153-184.
4
 Der Hg. hatte sich am 6. Juli 1512 mit Hg.in Katharina von Mecklenburg vermählt. Vgl. Knöfel, Dynastie, S. 104f.