Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Notwendige Absage des geplanten Reichstags in Straßburg wegen dortiger erhöhter Sterblichkeit, Unmöglichkeit seiner Reise zum Tag in Worms aufgrund der Spannungen mit den Eidgenossen, Tod seiner Gemahlin Bianca Maria, neues Bündnis mit dem Kg. von Frankreich gegen Venedig, geplanter Schiedstag zwischen dem Papst und dem Kg. von Frankreich in Mantua, vorgesehene Rückeroberung verlorener Besitzungen in Italien; [2.] Nachteile eines Reichstags auf deutschem Gebiet, Absage des vorgesehenen Augsburger Reichstags, geplanter Zug von Trient aus gegen die Venezianer und zum Empfang der Kaiserkrone, Verhandlungen mit seinen Verbündeten über gemeinsames Vorgehen gegen die Ungläubigen; [3.] Weisung zu gerüstetem Erscheinen in Trient und zur Hilfeleistung gegen Venedig, Forderung nach sechsmonatigem Verbleib in ksl. Diensten; [4.] Ersuchen um Zahlung ausstehender Beträge des Augsburger Reichsanschlags.

Freiburg im Breisgau, 27. Januar 1511

Orig. Druck m. S. ( p.r.p.s.; a.m.d.i.p.; Gegenzeichnung: Serntein; der Name des jeweiligen Empfängers ist handschriftlich in eine freigelassene Lücke eingefügt; gedruckt bei Erhart Öglin in Augsburg): Augsburg, StA, Rst. Nördlingen MüB 991, o. Fol.; München, HStA, Hst. Freising Kasten blau 200/10, o. Fol. (an Bf. Philipp von Freising); Dresden, HStA, GR, Loc. 9132/21, fol. 11 (an Hg. Georg von Sachsen); Duisburg, LandesA, Jülich-Berg I Nr. 202, fol. 10 (an Hg. Wilhelm von Jülich-Berg); Hannover, HStA, Celle Br. 15 Nr. 46, fol. 15 (an Hg. Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel; Präs.vermerk: Dith mandat is to Zelle praesentirt am sondaghe reminiscere Ao. undecimo [16.3.11]); Marburg, StA, Best. 2 Nr. 120, o. Fol. (an das hessische Regiment; Präs.vermerk: Dises mandat ist zu Marpurg uf eschermitwoch Ao. etc. 11 [5.3.11] ankomen und uf sonnabenz darnach [8.3.11] durch Johannes Herdegen, den boten, zu Cassel gelibert worden.); Koblenz, LHA, Abt. 29 A Nr. 976 (an Gf. Johann von Manderscheid); Wertheim, StA, G Rep. 47 Nr. 14, o. Fol. (an Gf. Michael von Wertheim); Augsburg, StadtA, Literalien Personenselekt Kaiser Maximilian I. Fasz. IV, o. Fol. (an Augsburg); Speyer, StadtA, 1 A 661/e, fol. 5 (an Speyer).

Regest: Linke, UB, Nr. 89 (an Nordhausen); Rüthning, UB, Nr. 204 (an alle Gff. von Oldenburg).

Kurzregest: Rosenthal, Einblattdrucke, Nr. 102.

Nachweis: Brückner, Reichsstandschaft, S. 209 Anm. 797 (an die Gff. von Stolberg).

[1.] Wir, Maximilian etc., empieten unsern und des Reichs lb. getreuen N. Bm. und rat der stat Nordlingen unser gnad und alles gut. Lb. getrüwen, als wir in verschiner zeit aus merklichen treffenlichen ursachen ainen gemeinen reichstag, in unser und des hl. Reichs stat Straßburg auf St. Katherinentag [25.11.10] zu halten, fürgenomen und euch und andern unsern und des hl. Reichs Kff., Ff. und stenden aigentliche ausgeschriben und zu erkenen geben [haben] [Nr. 732, 733], haben sich mitler zeit durch schickung des Almechtigen etwas sorgfeltigkait sterbender leuf halben daselbs zu Straßburg erzeigt. Darumb wir euch und ander des Reichs Kff., Ff. und stende in solh sorgfeltigkait nit stellen oder denselben tag besuchen lassen. Und haben uns yetz auf liechtmeß [2.2.11] dem abschid zu Augspurg nach [Nr. 125 [14.]] wellen erheben gen Wurms und aber denselben tag vor nicht besuchen mügen aus etlichen ursachen von wegen der Eydgnossen, mit den wir, nachdem dieselben Eydgnossen gegen uns in hertem unlust und sorgfeltigkeit teglichs steen, bysher dem hl. Reich und teutscher nacion zu aufnemen und gutem in strenger handlung gewesen und noch sein. Nun ist mitler zeit unser lb. gemahel, die röm. Kg.in, der sele der Almechtig barmherzig sein geruche, mit tod abgangen.1 Darzu sein uns vil groß und treffenlich sachen zugestanden, und nemlichen, das wir uns mit unserm lb. bruder, dem Kg. zu Frankreich, von neuem widerumb wider die Venediger vertragen. Darumb er uns dann zugesagt und sich verpflicht hat, nit alain wider die gemelten Venediger als unser und des hl. Reichs veind und ungehorsamen, sonder auch zu empfahung der ksl. wirde und cron, nit als ain Kg. zu Frankreich, sonder als ain Hg. zu Mailand und des hl. Reichs lehenfürst und verwandter, hilf und beistand zu ton.2 Daneben haben wir als röm. Ks. und das obrist haupt der cristenhait mit unserm Hl. Vater, dem Babst, und dem genanten unserm bruder, dem Kg. zu Frankreich, zwischen den sich dann bisher etwas widerwillen, krieg und aufrur gehalten, sovil fleis ankert, das si uns vergunt, zwischen inen zu handeln. Darauf ain tag gen Mantua fürgenomen,3 da unsers Hl. Vater, des Pabsts, und unsers lblibra (Pfund) . bruders, des Kg. zu Frankreich, potschaften auch sein werden. Daselbs wollen wir durch unser, auch unser lb. brüder, der Kgg. von Aragon, Engeland und Schotland, treffenlich botschaften, die sy uns zu eren und gemainer cristenhait zu friden und gutem neben uns zu schicken verwilligt, erscheinen und mit allem fleiß und ernst handeln und tractiern, solhen unwillen zwischen unserm Hl. Vater, dem Pabst, und unserm bruder, dem Kg. zu Frankreich, abzulegen, sy gütlichen miteinander zu verainen und zu vertragen und dardurch bey inen allen als unsern pundsverwandten und sonderlich bey unserm bruder, dem Kg. von Aragon, ain treffenlich, austräglich hilf wider die obgemelten unser veind, die Venediger, zu erlangen und mit derselben hilf, desgleichen der hilf, so uns vom hl. Reich und unsern erblanden getan wirdet, alles das, so zu dem hl. Reich und unsern erblanden gehört, von inen zu erobern und das hl. Reich und teutsche nacion dardurch zu erweitern und zu meren, auch die verloren land, dy sy dem hl. Reich und tütscher nacion wider Got, ere und recht lange zeit vorgehalten, widerumb zu erobern.

[2.] Dieweil nun die zeit des sumers, darauf der obberürt unser lblibra (Pfund) . bruder von Aragon, als wir uns entlichen versehen, und unser lblibra (Pfund) . bruder, der Kg. von Frankreich, auch in aigner person anziechen und der Pabst in der nehe sein wirdet und auch in Italia nunzumal kainer kelte oder ungewitters ferrer zu gewarten ist, wir auch dieselben zeit in kainen weg versaumen, sonder in aigner person, sofer wir anderst etwas fruchtperlichs und loblichs fürnemen wellen, anziehen muessen, aus dem allem und damit die vorgenanten unser lb. brueder und pundsverwandten uns kain saumnus oder verzug zumessen, so haben wir bewegen, unnutz und unfruchtper zu sein, dem abschid nach des nechstgehalten reichstag zu Augspurg diser zeit ferrer ainen reichstag hervor so weit in teutschen landen zu halten, und wo solcher reichstag yetz hervor fürgenomen wurde, das wir dardurch alle handlung in verzug, unser pundsferwandten in unwillen stellen und die stende des Reichs, der hilf allain uns zu solchem treffenlichen fürnemen nit vil erschiessen, in schwären, unnützen costen bringen wurden. Wir möchten auch unser kriegs- und dienstvolk, der noch zu roß und fuess in allen legern und grönitzen ob 7000 gegen den Venedigern ligen, weiter nit underhalten und ganz nichts fruchtberlichs ausrichten. Und darumb in treffenlichem rat erwegen und beschlossen, dem obberürten unserm fürnemen nach nutzlicher und fruchtparlicher sein, den reichstag diser zeit unangesehen des abschids zu Augspurg anzustellen und uns darnach zu richten, auf den ersten tag des monets Aprilis schieristkünftig zu Trient zu sein und mit aller unser macht zu roß und zu fuess, herwegen, haubt- und streitgeschütz anzuziehen und wider unser und des hl. Reichs veind und ungehorsamen, die Venediger, furzunemen, darzu auch unser ksl. cron und wirde mit der hilf Gottes erlichen und loblichen gemainer teutscher nacion zu ewigem ruem zu erobern und zu emphahen und damit das hl. Reich, so unser voreltern mit schwärem pluetvergiessen erlangt, bey teutscher nacion zu behalten und daneben mit dem obgemelten unserm Hl. Vater, dem Pabst, und unsern lb. bruedern, den Kgg. von Frankreich und Aragon, dermassen zu handeln und zu tractieren, dardurch wir verhoffen, ainen guten frid und verstentnus zu machen, wie man gegen den veinden unsers hl. glaubens tapferlichen und austräglich handeln müge. Des wir dann von der zeit unser regierung bisher allweg in willen gewesen sein.

[3.] Demnach so ermanen und ervordern wir euch bey den pflichten, damit ir uns und dem hl. Reich verwandt, auch in ansehung der gnaden, privilegien und freiheiten, damit ir von unsern vorvordern, auch uns und dem hl. Reich begnadt seit, von ksl. macht ernstlich gebietend, und wellen, das ir adurch euwer gesanten–a mit aller euwer macht zu roß und fuess und anderm geschickt, wie in veld gehört, auf den obbestimpten ersten tag des monets Aprilen bey uns zu Trient under unserm und des hl. Reichs paner, so wir alsdann fliegen lassen wellen, erscheinet, zu solchem fürnemen wider die Venediger und ander merklich sachen, oben und auf dem vergangen reichstag zu Augspurg angezeigt, hilf und beystand zu tun und darzu die antwurt, was irb auf den abschid unsers nechstgehalten reichstag zu Augspurg der ordnung der 50 000 man halben bey euwern undertanen gehandelt und erlangt habet, anzeiget und euch darzu richtet, sechs monet lang, nachdem ir gen Trient ankumet, bey uns zu beleiben und in denselben und andern unsern und des hl. Reichs obligen und sachen das pest und nutzlichest zu handeln und fürzunemen, wie dann gelegenhait der sachen und die notdurft das alles erfordert, und darin bedenken, was ere, nutz und wolfart uns, dem hl. Reich, gemainer teutscher nacion und euch gemainlich ytzo und in künftig zeit daraus erwachsen und entsteen mag und in betrachtung desselben euch des nit setzen oder widern noch hierin ungehorsam erscheinen, damit sich niemands anders auf euch weigern oder aufziehen möge und das hl. Reich durch solh euwer ungehorsam nit in weiter abfal und verderben gefürt werde. Das dann uns, auch euch und allen stenden des Reichs zu schaden und nachtail, auch ewigen spot und verachtung raichen wurde, und auf niemands weigern oder verziehen.

[4.] Und als wir uns dem abschid nach des gehalten reichstag zu Augspurg entlichen versehen hetten, das all stende des Reichs iren anschlag, inen aufgelegt, auf die bestimbten zil und malstat on abgang erlegt und bezalt [hätten], deshalben haben wir zu underhaltung unsers kriegsvolks ain merkliche somma gelts aufbracht, unser kriegsvolk bisher mit unsern sweren darlegen, dardurch uns die statt Bern [= Verona] nit widerumb abgedrungen wurde, underhalten. Damit wir aber dieselben, so uns also mit gelt zustatten komen sein, benügen, unser kriegsvolk behalten und ferrer fürnemen und handeln mügen, so begeren wir an euch, mit ernst bevelhend, das ir denselben anschlag, ob ir den noch nit gar erlegt und bezalt hetten, an die end, so ir von uns zu Augspurg beschiden seit, von stund und furderlichen erleget und ausrichtet, damit wir furter auf das zusagen, uns beschehen, die, bey den wir gelt aufpracht, auch bezalen und zufriden stellen mügen und weiter abfal und unrat, so uns und dem hl. Reich und teutscher nacion daraus entsteen möchte, verhuet werde. Daran tut ir unser ernstliche mainung. Geben in unser statt Freyburg im Breisgeu am 27. tag des monets Januarii nach Christus gepurt 1511, unser reiche des röm. im 25. und des hungerischen im 21. jaren.

Anmerkungen

1
  Kg.in Bianca Maria starb am 31. Dezember 1510.
2
 Im Vertrag von Blois vom 17. November 1510 versprach Kg. Ludwig XII. von Frankreich Ks. Maximilian, ihm im folgenden Jahr 10 000 Knechte und 1200 Berittene gegen Venedig zur Verfügung zu stellen. Vgl. Simon, Beziehungen, S. 116-119; Friess, Beziehungen, S. 114f.; Hollegger, Maximilian I., S. 201.
3
 Zum Friedenskongreß in Mantua im März 1511 vgl. Simon, Beziehungen, S. 125-127; Brosch, Julius II., S. 219.
a
–a In Exemplaren an Ff. und Gff.: in eigner person.
b
 In Exemplaren an Ff. und Gff.: du.