Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Würzburg, fol. 33–37’.

Nochmalige Anmahnung der Verhandlungsaufnahme durch die kgl. Kommissare. Erneuter Aufschub durch KR. Reihenfolge der Beratungspunkte.

/33/ (Vormittag) /33’–34’/ Kgl. KommissareReichsrat. [Entsprechend Protokoll des KR, 53 f. Ferner: Im Protokoll nachgetragene Präsenzliste für KR und FR 1 :] /36’/ Kurmainz: Kanzler Matthias. Kurtrier: Reifenberg. Kurköln: Burkhard, Glaser. Kurpfalz: Heyles. Kursachsen: Könneritz, Kram, Lindemann. Kurbrandenburg: Zoch. Österreich: Wilhelm d. J. von Waldburg, Zasius. Bayern: von Schwarzenberg, Perbinger2 . /37/ Salzburg: Bauer, Höchstetter3 . Sachsen: Schneidewein. Bamberg: von Berg. Brandenburg-Küstrin: Mandesloe. Würzburg: [Moß]. Jülich: Neuhofen, von der Reck. Speyer: Arzt. Württemberg: Massenbach, Eislinger. Konstanz: Dr. N. N.4  Beide Hgg. von Pommern: Dr. N. N. [Otto5 ]. Regensburg: Lorichius. Hessen: Kram, Lersner. Freising [! = Passau]: Probst6 . Henneberg: Dr. N. N. [Kistner]. /37’/ Fulda: Sekretär N. N. Schwäbische Gff.: Ehinger7.

/34’/ Fürstenrat. /34’ f./ Beratung und einhellige Beschlussfassunga  wie bereits am 25. 7.: Sofortige Beratungsaufnahme, da alle Mitglieder des FR über entsprechende Weisungen zur Proposition verfügen. Falls die kfl. Räte erneut /35/ die mengel, so sie bisher gehapt, anzigen wurden, daß als dan sie stattlich solten widerumb erinnert werden, die sachen zum furderligisten ins werck helffen zu pringen und lenger zu mercklichem schaden und nachthayl teutscher nation, auch zu verhuttung weytters der stend uncosten nit aufziehenb.

/35 f./ Kurfürstenrat und Fürstenrat, dann Reichsrat und kgl. Kommissare. [Entsprechend Protokoll des KR, 56–60.]

/36/ [Nachtrag:] In der Beratung des FR an diesem Tag und auch bereits am 25. 8. haben sich die Gesandten auf der weltlichen banck vernemmen laßen, daß der religion punct anfangs müsse consultirt werden8, wie solches der negst augspurgisch abschiedt, im 55. jar aufgericht, lautter mit sich precht9. Da die Hauptverhandlungen derzeit noch nicht aufgenommen werden, wird auch diese Frage zurückgestellt.

Anmerkungen

1
 Nachtrag am Ende des Protokolls für 1. 9. (fol. 36’–37’). Vermerk: /36’/ Und sein in diesen gehaltenen radten volgende reth gewesen, auch mer noch nit ankhummen. Vermerk zur Liste für KR: Und wie heimlich die sag ist, hatt Trier und Pfaltz nit bevelch zu Reichs tag, und erwartten weyttere zuordnung.
2
 Beide Räte vertraten Bayern im FR, während Landhofmeister Hans von Trenbach in Vertretung Hg. Albrechts den kgl. Kommissaren zugeordnet war (Bericht der Gesandten an den Hg. vom 3. 9. 1556: HStA München, KÄA 3177, fol. 475–479’, hier 475. Or.; präs. Ingolstadt, 5. 9.).
3
 Im Anhang zum Bericht vom 1. 9. 1556 an Bf. Melchior nennt der Würzburger Gesandte Moß (Verfasser obigen Protokolls) für Salzburg zusätzlich: Ritter Wilhelm von Moosham (StA Würzburg, WRTA 39, fol. 339–341’, 347–348’, hier 341 f. Konz.).
4
 Die Namen dieses und von einigen weiteren Gesandten waren dem Protokollanten wohl nicht bekannt.
5
  L. Otto vertrat zu dieser Zeit neben Hg. Barnim auch Hg. Philipp von Pommern, der ihn wegen der vorübergehenden Abberufung des eigenen Gesandten Wolde gebeten hatte, auch seine Session wahrzunehmen (Bericht Otto an Hg. Barnim vom 10. 9. 1556: AP Stettin, AKS I/163, pag. 391–412, hier 393. Eigenhd. Or.).
6
 Pelagius Probst wird in der Textvorlage irrtümlich Freising zugeordnet. Auch die kgl. Kommissare stellten im Bericht vom 1. 9. (wie Anm. 7, hier fol. 16) für diese Sitzung die Anwesenheit eines Passauer Deputierten und die Absenz Freisings fest. Probst fehlt zwar in der Subskription des RAb, vertrat aber spätestens seit 19. 8. das Hst. Passau (Berichte an Bf. Wolfgang, beginnend mit 19. 8. 1556: HStA München, Passauer Blechkastenarchiv 4 Nr. 43 [neu 20], unfol.). Die gemäß RAb als Gesandte fungierenden Lorenz Hochwart und Karl von Fraunberg waren erst seit Anfang Dezember anwesend (vgl. deren Bericht vom 20. 12.: Ebd., unfol. Or.; präs. o. O., 22. 12.).
7
 Die kgl. Kommissare konstatierten im Bericht vom 1. 9. 1556 mit dieser Besetzung des FR die Anwesenheit von 9 Ständen auf der geistlichen Bank – Österreich, Salzburg, Bamberg mit Befehl für Augsburg, Würzburg, Speyer, Konstanz, Regensburg, Passau, Fulda. Es fehlten nicht nur der Deutschmeister, Eichstätt, Straßburg, Freising und Worms, sondern auch die Metropoliten der Provinzen Magdeburg und Bremen mit ihren Suffraganbff., dazu aus der Kölner Provinz Münster, Paderborn und Minden sowie Brixen, Trient und Murbach. Wegen der daraus abzuleitenden Mehrheit für die CA-Stände befürchteten sie /16’/ vil inconvenientia et absurda: Wenngleich in der Religionsfrage keine Mehrheitsentscheidungen gälten, sei zu erwarten, dass die CA-Stände des FR ihre Majorität, die von der Hälfte des KR und fast allen Reichsstädten gestützt werde, als /17/ ain ainhelligkheit unnd ainmuettige mainung deß grösseren thaills deß rhömischen Reichs teutscher nation anziechen unnd umb sovil hefftiger und schörpfer inn euer Mt. dringen. Die Kommissare rieten jedoch von Anmahnungen direkt des Kgs. bei den abwesenden geistlichen Ständen ab, da ihn dies bei den CA-Ständen /17’/ hochverdächtig unnd verbitterlich machte. Vielmehr sollte die RT-Beschickung geheim auf indirekten Wegen veranlasst werden: Sie wollten Hg. Albrecht von Bayern bitten, dies entweder selbst oder durch den Ebf. von Salzburg bei den Bff. von Eichstätt und Freising anzumahnen. Der Ebf. von Köln sollte die Beschickung durch Paderborn, Münster und Minden veranlassen. Die Abordnung in den Provinzen Magdeburg und Bremen könnte der Kg. über den Bf. von Naumburg und Hg. Heinrich von Braunschweig anmahnen lassen. Die Regierung in Ensisheim könnte dies bei den Bff. von Straßburg und Basel, dem Abt von Murbach sowie dem Johannitermeister übernehmen, die oberösterreichische Regierung bei Brixen und Trient (HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 11–20’, hier 15’–18. Or. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 141 f.; Heil, Reichspolitik, 144 f.). Entsprechende Bitte der kgl. Kommissare an Hg. Albrecht von Bayern (Beschickung durch Eichstätt und Freising) im Schreiben vom 4. 9. 1556 (HStA München, KÄA 3176, fol. 64 f., 71’. Or.; präs. o. O., 5. 9.). Kg. Ferdinand befürwortete die Maßnahmen seiner Kommissare, wollte selbst die anderen Genannten mit Ausnahme Trients aber nicht anmahnen lassen (Wien, 8. 9. 1556: HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 44 f. Konz. Hd. Kirchschlager). Später stellten die kgl. Kommissare im Bericht vom 15. 9. 1556 erleichtert fest, die geistliche Bank werde nun von tag zu tag stercker, nachdem am 14. 9. der bfl. Straßburger Gesandte Welsinger mit 4 Stimmen (Vollmacht auch für Basel, Murbach und den Johannitermeister) angekommen war und der Merseburger Sekretär Vollmacht auch für Naumburg und Meißen hatte (ebd., fol. 66–72’, hier 72. Konz. Hd. Zasius).
a
 Beschlussfassung] Sachsen (fol. 142) differenzierter: Votum Sachsen: Hat seine Verhandlungsbereitschaft bereits erklärt, muss aber nachträglich zur Geschäftsordnung vorbringen: Stellt fest, dass die kgl. Kommissare erneut auf die vorrangige Beratung der Türkenhilfe drängen. Nun were es ann deme, das des turckenn wuterey erschrecklich zuerfarenn, aber eine straff der sundenn were. Wellichenn auch allenthalbenn abtzubrechenn sein wolte, sonnst wurde Gott wenig gnad bei allem gebenn unnd wol mehr straff schickenn. Zwar sind die Hgg. von Sachsen nicht weniger als andere bereit, ihren Beitrag zur Türkenabwehr zu leisten, doch besagt der RAb 1555 [vgl. Anm. 9], dass auf diesem RT furnemlich vonn der religion, durch was /142’/ wege dieselbige zu entlicher vergleichunge zubringenn, solte tractiret werdenn. Auch hat der Kg. in der Proposition die Religionsfrage an die erste Stelle gesetzt. Da die Religion die Ehre Gottes, die Ausbreitung von dessen Wort und die ewige Seligkeit betrifft, ist nicht nott, dieser zeitt mehr sonnderliche ursachenn antzutzeigenn, warumb die religion nicht zuruck zusetzenn, sonndern darvon furnemlich zutractirenn. Wenn man die Beratung dazu aufgenommen hat, wird es sich wol selbst finden unnd gebenn, das der artickell vonn der turckenhulffe, weil er gleichwol auch wichtigk unnd nottwendigk were, nicht lanng hindan unnd weit zuruck /143/ gesetzet, sonndern auch schleuniglich gleich mit gehn wurde. [Unmittelbar folgende Begründung des Votums durch den Deputierten Schneidewein, gerichtet an die Hgg.: Hat es an dieser Stelle trotz der Befürchtung, deshalb der Verhandlungsverzögerung beschuldigt zu werden, vorgebracht, da die kgl. Kommissare zum wiederholten Mal auf die Beratung nur der Türkenhilfe gedrängt haben. Wollte damit v.a. gegenüber den Ständen im FR, die auf der Voranstellung der Religionsfrage beharrten, verdeutlichen, dass die Hgg. sich dem anschließen und nicht der Meinung sind wie vieleicht etzliche der churfursten, die im grunde, wie zubesorgenn, rathenn mochtenn, das es mit der religion verschobenn unnd vertzogenn unnd vieleicht nichts weiters daraus wurde, unnd derwegenn jhene klein-, diese aber großmuetiger wurden. /143 f./ Da Kurpfalz und Württemberg keine Türkenhilfe bewilligen wollen, bevor die Religionsfrage geklärt ist, und deren Gesandte befürworten, die mögliche Parallelberatung beider HAA /143’/ nicht zuerwehnen, [...], weil es eine vermehrung der stimmenn geberenn unnd gleichwol erfolgenn mochte, das am meisten die turckenhulff befordert, unnd wann die erhaltenn, die religion gar hindan gesetzt wurde, andererseits die Instruktion der Hgg. aber die Parallelberatung nicht ablehnt, hat er, um keine Seite vor den Kopf zu stoßen, im Votum obberurter eingetzogenner worte gebrauchett, daraus nicht zuvermercken, das die gleiche tractirunge beider punctenn gewilligett oder aber auch, wie im beschluß der proposition wol gesuchet, der kgl. Mt. geweigeret unnd der turckennhulffe halbenn ausflucht unnd vertzug gesuchet, unnd dergestalt der glimpff euer f. Gnn. theils beiderseits erhaltenn wurde. /144/ Dann da ich des artickels vonn der turckenhulffe tractirung gar nicht erwehnenn sollenn, hette es bei der kgl. Mt. allerlei nachgedenckenn geberenn mogenn.]
b
 aufziehen] Sachsen (fol. 144) zusätzlich: Während der Umfrage teilt KR FR mit, dass noch nicht alle kfl. Gesandten über Vollmachten verfügen und deshalb der Verhandlungsbeginn nochmals aufgeschoben werden muss. /144 f./ Beschluss im Fürstenrat gemäß folgendem Referat vor KR. Zudem Beschluss, dies bei KR /144/ umb mehrers ansehenns willenn [...] mit gesambtem furstenrathe unnd nicht ad partem wieder antzutzeigenn.
8
Vgl. Anm. a, Votum Sachsen. Diesem schlossen sich die übrigen CA-Stände an (Bericht der kgl. Kommissare vom 1. 9.: Wie Anm. 7, hier fol. 15 f.). Vgl. Weisung Hg. Christophs von Württemberg an Massenbach und Eislinger (Steinhilben, 15. 8. 1556): Sollen votieren, dass der 1. HA zuerst /95/ unnd volgenndtz einer nach dem anndern gradatim beraten werde (HStA Stuttgart, A 262 Bü. 51, fol. 95, 96’. Or.; präs. 23. 8.). Der bayerische Deputierte Perbinger hatte am 25. 8. 1556 an Hg. Albrecht berichtet, auf Seiten der CA-Stände werde vermutet, dass die kgl. Kommissare und die katholischen Stände die Voranstellung der Türkenhilfe fordern, um nach deren Bewilligung /465/ ain gefasste hanndt damit wider sy, die confessions verwanten, zubekhummen und sich mit dem turckhen zuvergleichen, oder sie zwar ordnungsgemäß zu verwenden, nach der Zusage aber die Verhandlungen zum Religionsvergleich einzustellen. Perbinger empfahl für die Voranstellung der Türkenhilfe das Argument, die Religion sei ohnehin befriedet, für die Vergleichsverhandlungen seien weder Kff. und Ff. persönlich noch Theologen anwesend (HStA München, KÄA 3177, fol. 464–467’, hier 465–466’. Or.; präs. o. O., 27. 8.). Daraufhin wiesen P. von Freyberg und W. Hundt im Auftrag des Hg. Perbinger an, er möge auf die Voranstellung der Türkenhilfe ebenso /472/ zum höchsten dringen wie auf die Bewilligung der kgl. Forderung von 16 Römermonaten, die nit so hoch oder beschwerlich (München, 28. 8. 1556: Ebd., fol. 472–473’, hier 472. Or.; präs. 30. 8. Vgl. Heil, Reichspolitik, 144).
9
 Vgl. RAb 1555, § 141: Auf dem künftigen RT ist noch vor der RMO und anderen Obliegen fürnemblich der Religionsvergleich zu beraten ( Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 390 S. 3149).