Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Würzburg, fol. 41–45’.

Bereitschaft zur Aufnahme der Hauptverhandlungen. Forderung eines allgemeinen interkurialen Ausschusses durch FR. Koadjutorfehde in Livland: Gegenbericht der Gesandten des Deutschen Ordens in Livland.

/41/ (Vormittag). /41’/ Verhandlungen zwischen KR und FR mit Übereinkunft, die Hauptverhandlungen nunmehr aufzunehmen. [Entsprechend Protokoll des KR, 661.]

fürstenrat. Beratung zur Geschäftsordnung2 . Beschlussa , die Einrichtung eines allgemeinen interkurialen Ausschusses zu fordern; auß ursachenb, daß am vertraulichsten und gantz frey ain ausschuß mit ainander conferirn könne und mag, alle furgewendte argument und einred baß mercken, einnemmen und widerlegen [kann] und sunderlichen, wan es all- /42/ gemaine Reichs beschwerungen anlangt, wie der artickl der turcken hilff ist, do die von frey- und Reichs stetten mher dan den dritten thayl zuerlegen schuldig sein und derwegen davon khainß wegs außzuschliessenc. Zum andern were auch on daß im paßauischen vertrag und negsten Reichs abschiedt zu Augspurg außtruckenlich versehen und disponirt, daß der religion puncten, nemlich der weg und form, wie zu vergleichung und ainmuttiger ererterung desselbigen zu khummen sey, durch ettlich geschickte verornete von churfursten, fursten und stenden solte furgenummen und gehandlet werden3. Welche disposition nicht anders dan ain allgemainen außschuß auf ime trige. Zum dritten sey solches auch also rumlich und wol im Reich von allters gepreuchig und herkhummen, und /42’/ auf vilen Reichs tägen bey unserm gedencken solch ordnung und forma consultandi gehalten worden. Deshalb Verhandlungen mit KR um die Einrichtung eines interkurialen Ausschusses, wenngleich einige einwenden4 , KR werde dies ohnehin ablehnen. Dennoch wird die Forderung aufrecht erhalten, sunderlich domit nit geachtet und vermutet mogt werden, daß die im fursten radt solchen alten prauch und herkhummen deß außschuß halben durch underlasne anmuttung begeben und sich deß stillschweigendt durch ainen oder mher act verziehen hetten etc.5  /42’ f./ Die Forderung soll KR morgen vorgebracht werden.

/43–45/ Reichsrat. [Entsprechend Protokoll des KR, 67–70.]

Anmerkungen

1
 Vgl. differenzierter den Bericht des sächsischen Gesandten Schneidewein an die Hgg. vom 24. 9. 1556: Bekanntgabe des KR-Beschlusses an FR durch den Mainzer Kanzler und Philipp Heyles für Kurpfalz (HStA Weimar, Reg. E Nr. 180, fol. 150–168a’, hier 150. Or.).
2
 Die von Österreich (Zasius) initiierte Geschäftsordnungsdebatte diente primär dazu, Verhandlungen zum Religionsvergleich so lange aufzuschieben, bis eine Erklärung Kg. Ferdinands zu den Einwänden seiner Kommissare gegen ihre Instruktion vorlag: Deren Vorgabe, in Anlehnung an die erwartete Position der CA-Stände für die nochmalige Verschiebung der Religionsfrage zu votieren (vgl. Einleitung, Kap. 3.1.1), hatten die Kommissare als kontraproduktiv kritisiert, da die CA-Stände im Gegensatz zur Annahme des Kgs. gegen eine Vertagung, sondern für Erörterungen beim RT eintreten würden. Votierte Österreich für die Prorogation, würde man damit die CA-Stände vor den Kopf stoßen, die Türkenhilfe gefährden und vielleicht den Abbruch des RT veranlassen. Die Kommissare empfahlen dem Kg. deshalb dringend eine Änderung der Instruktion und rieten, sich für ein Kolloquium auszusprechen (Bericht an Ferdinand I. vom 11. 9. 1556; wiederholt im Bericht vom 15. 9. Nachweise: Kap. 3.1.1, Anm.40). Da bis zur Verhandlungsaufnahme am 22. 9. noch keine Erklärung des Kgs. vorlag und die Kommissare einerseits keinesfalls für die Vertagung der Religionsfrage votieren wollten, andererseits aber nicht gegen ihre Instruktion verstoßen konnten, versuchten sie hier mit der Geschäftsordnungsdebatte und nachfolgend mit dem Beharren auf der Voranstellung der Türkenhilfe (vgl. Anm.5 bei Nr. 118), die Religionsberatung bis zum Eintreffen der kgl. Weisung zu verzögern (Bericht von Helfenstein und Zasius an Ferdinand I. vom 21. 9. 1556: HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 112–118’, hier 112–115’. Kop.). Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 144–147; Laubach, Ferdinand I., 158–161; Slenczka, Schisma, 44.
a
 Beschluss] Hessen (fol. 47) differenzierter: Mehrheitsbeschluss mit insgesamt 16 Stimmen von Österreich, Bayern, Salzburg, Bamberg, Würzburg, Straßburg und anderen. Gegenvotum: Sachsen, Brandenburg-Küstrin, Württemberg, Hessen, Pommern, Henneberg, hier vertreten durch Sachsen.
b
 ursachen] Speyer (fol. 108) zusätzlich vor dem folgenden Argument: Beratung im Ausschuss ist der schleünigst unnd furderlichst weg, sonderlich auch in bedencken, dieweil man itzt so lange zeit nach bescheener proposition verfeyret unnd nichts gehandelt, unnd aber periculum in mora.
c
 außzuschliessen] Speyer (fol. 108’) zusätzlich: unnd (wie dan in den außschußen beschee) zwo vota habenn soltenn.
3
 Passauer Vertrag, § 7: Vorbereitung der Religionsvergleichung auf dem künftigen RT in einem interkurialen, paritätisch besetzten Ausschuss ( Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 3 S. 127). RAb 1555, § 140: Prorogation des Religionsvergleichs an den künftigen RT, dort Verhandlungen nach Maßgabe des Passauer Vertrags (ebd., Nr. 390 S. 3148).
4
 Vgl. differenziertere Wiedergabe mit Einzelvoten im protokollartigen Bericht Schneideweins vom 24. 9. (wie Anm. 1, hier fol. 152–155’): /152 f./ Salzburg proponiert: Beratung der HAA in den Kurien oder in einem interkurialen Ausschuss? Votiert unter Berufung auf das Herkommen und zugunsten des beschleunigten Verhandlungsgangs dafür, vom KR den Ausschuss einzufordern. /152’/ Bayern: Entsprechend Salzburg. Österreich (Zasius): /152’ f./ Mit Argumentation wie Salzburg trotz geringer Erfolgsaussicht für die Einforderung des Ausschusses. Klärung der Abfolge der HAA im Ausschuss. /153/ Sachsen: /153 f./ Da selbst die Befürworter eingestehen, KR werde den Ausschuss nicht bewilligen, bedingt dessen Forderung nur weitere Verzögerung. Die Bedeutung der HAA erfordert deren Beratung in den Kurien. Zwar ist die Vorlage der Religionsfrage im Ausschuss vorgegeben, doch haben die Kurien zuvor festzulegen, dass sie als erster Punkt zu beraten ist. Anschließend Vorlage der Türkenhilfe in den Kurien. /153’/ Würzburg: Forderung des Ausschusses von KR. Brandenburg-Küstrin: /153’ f./ Primär ist nicht die Ausschussfrage, sondern die Voranstellung der Religionsfrage zu klären. Diese kann im Ausschuss beraten werden, nicht jedoch die anderen HAA, zu denen jeder Stand gehört werden muss. /154/ Speyer: Forderung des Ausschusses, wenngleich KR kaum zustimmen wird. Jülich: Ausschuss soll eingefordert werden. Straßburg (Welsinger, so ein grosser papist unnd der anndern papistischenn gesanntenn leiter sein solle): /154 f./ Interkurialer Ausschuss, da auch die Türkenhilfe /154’/ alle stennde unnd das ganntze corpus des Reichs betreffe und man die Reichsstädte von deren Beratung nicht ausschließen darf. Ausschuss gewährleistet, dass schleuniger unnd vertreulicher gehanndelt wird. Die Ständegesamtheit wird nicht ausgeschlossen, da die Ausschussgutachten von den Kurien bestätigt werden müssen. Unnd wiewol vorbracht, als wurde der ausschuß inn annderm nicht zuerhaltenn sein, so wolte es doch zuversuchenn sein, das es nicht in consequentiam trahirt wurde, das diß jahrs kein ausschuß alhier uffm reichstage gemachet. /155/ Wiederholt das Votum für Murbach und Basel. Württemberg: Wie Brandenburg-Küstrin, das erstlich de ordine unnd dann de processu zuhanndelenn. Konstanz: Wie Würzburg. Hessen: Es ist erstlich de ordine articulorum, welcher vorgehenn solle, als die religio, unnd dann de processu istius articuli zuredenn. Dieser ist für die Religionsfrage vorgegeben. Der turckenn hulff halbenn seie die notturfft eines jederenn sonnderlich zuvernehmenn. Regensburg: Wie Würzburg. Pommern: Religion und Türkenhilfe sind unnderschidliche sachen, unnd derwegenn unnderschiedlich zuerledigenn. Passau: Wie Würzburg und Straßburg. Henneberg (Abgabe des Votums durch Sachsen): /155 f./ Schneidewein verweist auf den Auftrag, Sitz und Stimme Hennebergs zu vertreten, und votiert wie die anderen CA-Stände. /155’/ Meißen, Merseburg, Naumburg: Der Gesandte entschuldigt die Abwesenheit der Bff. und votiert wie Straßburg. Fulda: Wie Straßburg. Hersfeld: Forderung des Ausschusses. St. Emmeram (Regensburg): Ebenso. [Schwäbische] Gff.: Wie Österreich und Straßburg. Mehrheitsbeschluss: Einforderung des interkurialen Ausschusses von KR.
5
 Vgl. zu den Hintergründen der Beschlussfassung den Bericht des pommerischen Gesandten L. Otto an Hg. Barnim vom 20. 10. 1556: Im FR drängten Österreich und die geistlichen Stände darauf, alle Punkte im interkurialen Ausschuss zu beraten. Dagegen verwehrten sich (neben KR) die ‚weltlichen‘ Stände im FR, indem sie viele Gegenargumente vorbrachten, /574/ die rechte unnd grundt ursach aber, so uns bewogen, nicht erregen, sonder inhalten unnd ubergehen mussen: Nemlich wan ein ausschus geordent, das Ostereich, welche die erste stim im fursten rath hatt, fuglich nitt ausgelassen werden künne. Wan dan die osterreichische gesandten in ausschus gewehlett, hören unnd erfaren sie unnd durch diß mittel die röm. kgl. Mt. aller churfursten und fursten, geistlich unnd weltlich, bevehlich, stim und suffragia, unnd ist daher alle handlung furnemlich den weltlichen schwerer unnd unsicherer. Dagegen kennt Österreich, falls KR allein berät, die dortigen Einzelvoten nicht, /575/ unnd haben also die churfursten in irem rath vil freier unnd mit weniger scheu von sachen zu reden (AP Stettin, AKS I/163, pag. 573–598, hier 573–575. Or.).