Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Österreich B, fol. 434–437’.

Bedingte Zusage der geistlichen Stände, Weisungen zur Freistellung anzufordern. Verhandlungsverzögerung im KR.

/434/ (Vormittag) fürstenrat. Österreich proponiert: Fortsetzung der Beratung vom Vortag.

/434’/ 1. Umfrage. [a– Die weltlichen katholischen Stände votieren für das Zugeständnis an die CA-Stände, Weisungen der Herrschaften zur Freistellung anzufordern –a , 1.]

Straßburg (Welsinger): Billigt nunmehr die Anforderung von Weisungen zur Freistellung mit der Bedingung, da sich der ander thaill ad procedendum in reliquis erclärte, daß ermelltt zuruckhlanngen auch durch die gaistlichen churfürstischen zugleich bewilligt wurde, von denen alls den metropolitanen sy sich von ierer herrn weegen nitt abzusönndern wüßten; unnd das sonnst aller tractat unvergrifflich an die hannd genomben etc.

Würzburg, Speyer, Freising: b– Weisen auch dieses Zugeständnis zurück und beharren auf der gestrackhen hievorigen waigerung–b.

Die CA-Stände haben daraufhin seer böß karten außgeworffenc, solche bewilligunng ain stuckhweiß bewilligung genant, auch hessigkhlich vermeldt, das khainem pauren, ja juden inn dergleichen vählen versagtt würdt, deß ieren gnedigsten unnd gnedigen herrn, chur- unnd fursten, nochmalln durch ettliche /435/ auff der gaistlichen panckh verharrlich abgeschlagen werden dörffte.

Brandenburg-Küstrin (Mandesloe): Äußert mitt grosser hitz, mann mueßte es gleich dem lieben Gott bevelhen unnd an ire herrn, weß unerhörtter, verächtlicher hanndlung inen begegnete, schreiben. Sy2 möchten auch wol abnemen, was sy sich für zimblicheit unnd pillicheitt inn der haubbttsachen zuversehen, wann man sich inn dem also erzaigte, deß doch nichts gäb oder neme etc.

Die CA-Stände sind so aufgebracht, dass sie nach der Abgabe ihrer Voten samptlich auffgestannden und hinauß gangen.

/435 f./ Dies veranlasst Österreich zu nochmaligen Verhandlungen mit den geistlichen Ständen, die sich zuvor dem gemäßigten Straßburger Votum nicht angeschlossen haben: Sie, die österreichischen Gesandten, wollen nichts fördern, was den geistlichen Ständen oder der katholischen Religion schadet. Sie können nicht umhin, die Anforderung von Weisungen zur Freistellung einzugestehen, da dies implizit auch in der Replik der kgl. Kommissare enthalten ist3 . Zwar müssen sie im Gegensatz zu den geistlichen Ff. auf keine Metropoliten Rücksicht nehmen, da Straßburg aber die Rückfrage um Weisung im Hinblick auf den Metropoliten unter Vorbehalt gebilligt hat, können die anderen geistlichen Stände dies auch tun. Deshalb Aufforderung, /435’/ daß sy zu fürkhombbung mehrer verlenngerung der haubbtsachen, auch vermehrung [!] grosser verbitterung unnd hessigen ausschreyens inn alle lannd etc. khain besonnders halltten4, sonnder sich mitt Strassburg /436/ unnd dem mehreren der gaistlichen pannckh auff ain ainhellige mainung vergleichen wolltten etc.

Freising: Will dies tun und sich seinem im FR vertretenen Metropoliten5  anschließen.

Danach wendet sich der Straßburger Gesandte an die abweichenden geistlichen Stände und erreicht deren Anschluss an sein Votum.

Daraufhin verhandeln Österreich und die anderen weltlichen katholischen Stände vor der f. Ratsstube auff dem grossen saal mit den CA-Ständen des FR. /436 f./ Dabei kommt man überein, das Votum Straßburgs als Bedenken der gesamten geistlichen Bank vor KR zu referieren. Sobald sich die geistlichen Kff. zur Bewilligung der Rückfrage um Weisung geäußert haben, sollen die CA-Stände des FR erklären, /436’/ das inen nicht zuwider, inn den übrigen articln etc. forttzuhandlen unnd an dem irenthalb nitt mangell erscheinen zulassen.

Damit ist im FR Einvernehmen hergestellt.

/436’ f./ Kurz vor dem Ende der Sitzung informieren der Mainzer Kanzler und ein Kurpfälzer Gesandter den Referenten des FR darüber, dass sich die Beschlussfassung im KR zur Replik der kgl. Kommissare aufgrund einer /436’/ verhünderung6 verzögern wird.

/437 f./ Zasius erklärt die Bereitschaft des FR zum Korreferat über die Replik. Will FR über die Verzögerung unterrichten und erwartet neue Ansage, sobald KR einen Beschluss gefasst hat. Mainzer Kanzler billigt dies. Zasius informiert FR.

Anmerkungen

a–
 Die ... anzufordern] Bamberg (fol. 124’) differenzierter zu Verlauf und Ergebnis der Umfrage: Mehrheitsbeschluss zur Replik der kgl. Kommissare [Nr. 425] wie am Vortag: Da die Kommissare sich bezüglich der Geschäftsordnung den geistlichen Kff. und der Mehrheit im FR anschließen, soll zur Religionsfrage im Ausschuss gemäß Passauer Vertrag und zu den übrigen HAA in den Kurien unvorgrifflichen gehandlet [werden], biß di resolution, di begerte freistellung betreffendt, von der kgl. Mt. ervolget etc., damit mitler weil di handlung nicht gar eingestellt, sonder darinn auch procedirt wurde. /124’ f./ Dagegen beharren die CA-Stände darauf, dass die katholischen Verordneten zunächst Weisungen ihrer Hh. zur Freistellung beibringen. Sind erst dann bereit, /125/ ires habenden bevelch sich ferner daruff zuercleren. Ist daruf durch etliche der geistlichen panck fur notwendig geacht, das sie, der augspurgischen confession verwante gesandten, [sich] zuvor ercleren. Andere lehnen dies als verfrüht ab, da man den Verhandlungsstand im KR nicht kennt und diesem nicht vorgreifen darf. Deshalb soll KR nur der Mehrheitsbeschluss des FR zur Replik der kgl. Kommissare referiert werden. Letztlich billigt die Mehrheit der geistlichen Bank die Nachfrage um Weisung zur Freistellung, jedoch nur mit den genannten Bedingungen. [Vgl. oben, Votum Straßburg.]
1
 Das Votum ist in dieser Form nicht protokolliert. Es ergibt sich aus der Aufzeichnung (in der Textvorlage an dieser Stelle inseriert) informeller Verhandlungen von Österreich und anderen weltlichen katholischen Ständen mit den Gesandten der wichtigsten geistlichen Stände unmittelbar vor Einnahme der Session. Man konnte dabei Straßburg und andere geistliche Stände dazu bewegen, die Anforderung von Weisungen zumindest bedingt zu bewilligen (vgl. das Votum Straßburgs oben).
b–
Weisen ... waigerung] Würzburg (fol. 72) differenzierter: Beharren darauf, man solte den gestrigen beschluß und bayde bedencken simpliciter zuvor den churfurstlichen referirn und sie darauf auch anheren. So dan in irem radt itzt gemelt declaration von den weltlichen churfursten und confessionisten auch begert wer worden, kuntte man sich nochmals dorauf zum besten mit inen erclern und entschliessen. Dan abermals solch begerte declaration ain incidens were, geherte nit ad terminos der itzigen consultation und wer damit den churfurstlichen vorgegriffen. Zu dem wolt sich auch gepurn, daß Wurtzburg und Speyer vormals im churfursten radt daruber umb hochwichtigkhayt der sach willen iren metropolitanum anherten. /72’/ Und zuvorderst solt man auch erwartten der kgl. Mt. resolution, dieweyl an ir Mt. numals solcher punct gelangt wer.
c
 außgeworffen] Würzburg (fol. 72’) zusätzlich vor dem Folgenden: Haben sich aufgrund der Absonderung dreier Stände vom katholischen Votum auch nit reciproce declarirn wellen, ehe und zuvor dan ain ainhellige mainung der catholischen gemacht sey.
2
 = die geistlichen Stände.
3
 Vgl. Nr. 425, fol. 81’ [Wann dann ir kgl. Mt. ... unnd erzaigen.].
4
 = keine abgesonderte Position beziehen.
5
 Freising unterstand der Kirchenprovinz Salzburg.
6
 Ursache der Verzögerung war der Streit im KR um das Sessionsrecht der Kurkölner Gesandten während der Sedisvakanz nach dem Tod des Kf. Vgl. Kurmainz, pag. 182–209 [Nrr. 2527].