Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

1. HA (Religionsvergleich): Resolutionskonzept zum Verhandlungsmodus im Zusammenhang mit dem Geistlichen Vorbehalt als Antwort auf die Proposition. Berücksichtigung der Resolution des SR.

/170/ (Nachmittag, 2 Uhr) Kurfürstenrat. /170 f./ Verlesunga  des Konzepts für die geteilte Resolution1  der Reichsstände an die kgl. Kommissare sowohl als erste Antwort auf die Proposition wie auch zum Verhandlungsmodus beim 1. HA (Religionsvergleich) im Zusammenhang mit dem Geistlichen Vorbehalt.

/171/ 1. Umfrage. Billigung des Konzepts mit Ausnahme Sachsens, das einwendet: Der eingang prechte den weltlichen und augspurgischen confessions verwandten ein verdacht des turcken halben, alß obe die hilff verhindert durch ire opinion, und das derwegen der ingreß zu sparen biß zu einer andern zeit.

2. Umfrage. Trier, Köln, Pfalz: Wie vorhin. Doch Pfaltz hengt an, wen es solte die meinung, wie Sachssen angeregt, haben, were es zu endern.

/172/ Sachsen: b–Hielten diesse relation nit alß vor ein puncten des Reichs tages, sonder ein einfal zu anfangk des Reichs tags, dessen man noch nit verglichen. Darumb auch die relation nichst fruchten werde etc.–b Ideo ut supra, und das ein generalitet etwo zu treffen, domit der ingreß, bevorabe sovil des turcken meldung beschicht, verplieben.

Brandenburg: Last die premissa, dweil sie der proposition gemeß und daruf geantwurt, pleiben. Da es aber nit der prauch hievor gewesen, in relationibus also auf die proposition zuantwurten, mag es umbgangen werdenc.

Beschluss: Zunächst Verlesung des Konzepts vor FR. 

Kurfürstenrat und fürstenrat. Verlesung des Konzepts. Anschließend wieder getrennte Beratung.

Kurfürstenrat/172 f./ Sachsen beharrt darauf, die Türkenhilfe in der Einleitung nicht anzusprechen, um den Eindruck zu vermeiden, die CA-Stände wollten diese verhindern. /173/ Daruf den sachsischen gewilfaret und ein klein enderung beschehen. Aber Trier plieb auf voriger meinung, das es, concept, nit zuendern; d–doch dem mehern stat geben–d.

Kurfürstenrat und fürstenrat. Mainzer Kanzler referiert für KR: /174/ Konzept umfasst zwei Teile: Die Einleitung, die sich auf die kgl. Proposition bezieht, und das geteilte Bedenken. Sovil dan den eingangk belangte, befunden sie denselbigen, wie er uff die proposition gestelt, der sachen gleichwol nit ungemeß. Erachten aber, das nach gelegenhait yetziger beratschlagung und was an die commissarien gelanget wurdet, er wol etwas einzuziegen und der articul, da von mitleiden meldung beschicht, biß zu fernerer beratschlagung anderer sachen einzustellen. Dan diß werck der relation nit haubsachlichen also groß etc.

FR: /174 f./ Billigt die Einleitung in der vorliegenden, längeren Fassung, da diese sich auf den Vortrag der Proposition bezieht, deren Beantwortung man bei der Eröffnung des RT zugesagt hat.

/175/ Getrennte Beratunge . Anschließend lässt FR im KR mitteilen: Beharren gegen KR darauf, das Konzept nicht zu ändern, und das auß denen ursachen, dweil der articul, so bewogen worden, außzulassen sein, nit auf der turckenhilff beruge, sonder allein super naratis der proposition gestelt, domit kgl. Mt. mitleidenlich beantwurt. Were auch preuchig, /176/ das man in solchen fellen mitleidenlich antwurte etc. Yedoch da die kfl. gesandten ye bedenckens tragen wurden, diß also pleiben zulassen, wellen sie es nit ferner streiten.

KR: Dankt für das Entgegenkommen des FR. Entsprechende Änderung des Konzepts.

Reichsrat. Verlesung des geänderten Konzepts vor SR.

SR (Straßburg): Billigen das Konzept. Was aber die freistellung betreffen thut, hetten sie nichst liebers gesehen, dan das man sich allerseitz in rethen daruber vergleichen mogen, domit sie auch /177/ nach gelegenhait und außweisung irer habenden befelchen sich auch vergleichen mogen. Dweil dan solchs nit geschehen, sonder die meinungen gezwait an der kgl. Mt. commissarien zugelangen bedacht worden, solte inen solchs auch nit zu wider sein. Wolten aber nit verhalten, das sie von solcher freistellung nit geret, sonder allein de processu religionis, wie die furzunemen und obe ichtes daneben zu tractieren; dan sie sich nit versehen, das ichtwes anderst dabeneben fürgenomen were. Und dweil dan der prauch, das, wen man ad relationem komen, das ir bedencken auch referiert worden, paten sie, ir geringfugig bedencken auch hinzuzesetzen2.

Getrennte Beratung. Erklärung an SR: KR und FR haben SR hievor verstanden der mainung in effectu, wie der dreyer gaistlichen churfursten und des mehern thails im furstenrathe gesandten. Derwegen sie dan bei irer mainung mit eingezogen und begriffen, sub illis verbis: „Sambt anderer stendten gesandten“ etc.

/178/ SR: Haben in der eil solchs nit auß verlesung der geschrifft fassen mogen. Aber der freistellung halben wolten sie sich dem mehern nach, sonderlich so der augspurgischen confession verwandt, dohin ercleren, das sie sich von derselbigen augspurgischen confession verwandten chur- und fursten nit wusten abzusondern3.

Beschluss von KR und FR: Das am ort des vorbehalts4 dem bedencken der confessions verwandten sie, die stet, mit den gemeinen worten „sambt andern stenden“ mit einzuziegen.

Welchs inen also angezeigt. Daruf man abgeschieden.

Anmerkungen

a
 Verlesung] Kursachsen (fol. 80’) differenzierter: Verlesung durch den Mainzer Kanzler.
1
 Zur Formulierung des Bedenkens der CA-Stände in der geteilten Resolution vgl. auch Nr. 356.
b–
 Hielten ... etc.] Kursachsen (fol. 81’) anders: Ob sie wol uf vilen reichstegen nicht gewesen, so wusten sie doch nicht, das dergleichen gebrauchlich hievor vorgelauffen und also referiert wurden. Deshalb wie in 1. Umfrage.
c
 werden] Kursachsen (fol. 82) zusätzlich: Votum Mainz [in Kurmainz nicht aufgezeichnet]: Wuste nicht, wie hiedurch einigem theil ein unglimpf konne zugemessen werden, were auch sein meinunge nicht gewesenn. Beharrt deshalb auf dem Konzept, das FR vorgebracht werden soll.
d–
 doch ... geben] Kursachsen (fol. 83) differenzierter: Nach der 1. Umfrage wird die Änderung gemäß dem Votum Sachsens gebilligt, aber Trier hat es nicht vor gutt geacht und daruber hart gestutzt. Deshalb 2. Umfrage, in der die Änderung nochmals mehrheitlich beschlossen wird.
e
 Getrennte Beratung] Kursachsen (fol. 84) zusätzlich und differenzierter: Kurfürstenrat. Umfrage. Trier betont nochmals, es seien hofliche wortt, und er nicht funde, das etwas bedencklichs oder nachteiligs darunder. Billigt aber die Streichung, falls die Mehrheit darauf beharrt. Köln: Ebenso. Pfalz beharrt auf der Streichung, ebenso Sachsen und im Anschluss daran Brandenburg, wenngleich jetzt mit dem Zusatz: doch indifferens. Mainz besteht nunmehr auf dem geänderten Konzept.
2
 Vgl. dazu die differenziertere Protokollierung in Nürnberg, fol. 56–58’ [Nr. 226].
3
 Vgl. dazu den Bericht von Zasius an Kardinal Otto von Augsburg vom 10. 10. 1556: Verlesung des Konz. vor den Gesandten der Reichsstädte. Dabei seyen die haillosen, närrischen, dollen leutt erst den confessionistischen im freistellung puncten zugefallen. Hievor, alls sy ir erste antwurtt geeben [!], kundt ich ir prudentiam und sagacitatem nicht genug extollieren, itzo aber mag ich ir stultitiam, imo dementiam nicht genug admirieren. Haben denn die ellenden leutt so gar die schuppen oder seind sy toll und unsinnig, dz sy nicht schmecken, greiffen und sehen, zu wz ende dz ding angefangen, wz darundter gesuecht und, so es den fürsten geratten, [...] dz sy die nechsten sein werden und muessen, sobald die stifft und bistumb zerrissen und verschluckt seyen, ja dz man iren auch nicht so lang zu warten, sonder wol so bald ains mitt dem anderen würdett stürzen wellen? Und sy sollen also unbesinnett und närrisch sein, dz sy ir aigen interitum dermassen helffen fürdern (StA Augsburg, Hst. Augsburg MüB Lit. 1111, unfol. Eigenhd. Or.; präs. o. O., 15. 10.).
4
 = bei der Erwähnung des Geistlichen Vorbehalts in der Resolution.