Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Argumente gegen ein Generalkonzil als derzeitigen Weg zum Religionsvergleich. Befürwortung eines Kolloquiums in Form einer sofortigen Konsultation der Mitglieder des Religionsausschusses. Vorlage eines Gutachtens zu den verglichenen und noch strittigen Punkten vor den Reichsständen.

Den Reichsständen übergeben1 und von diesen kopiert am 24. 12. 1556.

HHStA Wien, MEA RTA 44a/II, fol. 6’–9 (Kop. Überschr.: Volgt der röm. kgl. Mt. resolution auf der stend und pottschafften gespaltenen ersts bedenckens in puncto der religions sachen, den stenden zuegestelt in Vigilia Nativitatis, den 24. Decembris 1556. [Nr.] 2.) = Textvorlage. HStA München, KÄA 3177, fol. 118–120' (Kop. Überschr.: Der röm. kgl. Mt. resolution uber der stännd unndderschidlich bedenckhen von wegen aines general concilii unnd colloquii. [Nr.] 13. Eröffnet den 23. Decembris2  [!] anno 56. Aufschr.: Lectum Ratisponae, 24. Decembris anno 56.) = B. HStA Düsseldorf, JB II 2295, fol. 68–71’ (Kop.) = C. HStA Stuttgart, A 262 Bü. 47, fol. 460–463’ (Kop.). HStA Weimar, Reg. E Nr. 179, fol. 206–207’ (Kop.). GStA PK Berlin, I. HA Rep. 10 Nr. X Fasz. C, fol. 43–44’ (Kop.). Referiert bei Bucholtz  VII, 365; Wolf, Geschichte, 47; Westphal, Kampf, 60; Bundschuh, Religionsgespräch, 193 f.; Laubach, Ferdinand I., 173 f. Auszug bei Bergmann, Religionspolitik, 172 f.

/6’ f./ Kg. hat die Antwort der Reichsstände zum Religionsvergleich vernommen. Er belässt es dabei, dass sie Nationalkonzil und Reichsversammlung einhellig ablehnen.

/7/ Wiewoll nun ir röm. kgl. Mt. daneben auß angeregten uberraichten bedenckhen befunden, daß gemaine stendt inn dem vast ainig, das zue cristlicher verainigung der spaltigen religion ain general concilium als der ordenlichst und richtigist weg, darauff dann der dreyer gaistlichen churfürsten /7’/ rhäthe, die gaistlichen erscheinenden fürssten, stende und der abwesenden potschafften verharren, furzuenemen unnd zuebefurderen sein solte, wie dan ier kgl. Mt. solch general concilium, wo dasselb fruchtbarlich inn das werckh gebracht werden möchte, als den rechten, ordenlichen weg zue hinlegung und vergleichung der strittigen religion sachen auch am pessten und nutzlichisten sein achteten, so erwegen ir röm. kgl. Mt. doch dagegen, das aus denen ursachen und verhinderungen, so durch der dreyer weltlichen churfurssten rhäte, die weltlichen gegenwurttigen furssten und der abwesenden potschafften erzält, diser zeit ain general cristlich concilium schwerlich zueerlangen, vil weniger sich ainicher hailsamer aussrüchtung und fruchtbaren beschluß zueverhoffen sein wurd. Dieweil aber gemainen stennden des Hailligen Reichs und derselben underthonen an cristlicher vergleichung angezaigter strittigen religion nit allain die zeitlich, sunder auch die ewig wolfartt und ierer selen haill und seligkhait gelegen sein will und derwegen diser articul aller muglichen befurderung wol wurdig unnd notthurfftig ist, so lassen ir röm. /8/ kgl. Mt. ier gnedigclichen wolgevallen, das, wie bemeltter dreyer weltlicher churfurssten rhete, auch die erscheinenden weltlichen fursten, stende und der abwesenden gesandten in ierem bedenckhen vermelden, dißmals die tractation solches religion articuls durch ain colloquium3 angericht werde.

Dieweill aber auch aus langwiriger erfarung gespurt und gesehen worden, das mit den vorgehaltnen colloquiis nit vil nutz oder frucht geschafft, sunder allain die zeit vergebenlich verloren und merrer verpütterung und hassigkhait gemachta worden, so achten ir kgl. Mt. gar nit ratsam sein, das die tractation und beratschlagung beruerts religion punctens dermassen, wie in den verlauffnen colloquiis beschehen, weitleffig und unverfengclich, sunder allain inn massen und gestalt ainer cristenlichen, freundtlichen consultation, underredt und beratschlagung durch die stende, so jetzo inn dem ausschuß der religions sachen halber deputiert und verordnet worden, aigner person oder iere darzue taugliche, /8’/ geschückhte unnd inn hailliger schrifft gelertte unnd erfarne, fridliebende rhäthe und gesandten furgenommen werde4, also und der gestalt, daß dieselben die strittigen puncten und articul unserer hailligen cristenlichen religion mit ieren anhangen und umbstenden allain ratsweiß, freuntlich, senfftmhietig und vertreulich mit cristenlichen, guethertzigen euffer erwegen, beratschlagen unnd vergleichen und alsdan ier ratsam bedenckhen mit ausfierung der ursachen, warin sie sich verglichen und warinn sie sich nit vergleichen mögen, gemainen stenden anpringen und dieselbigen alsdan die sachen auch der notthurfft nach verner beratschlagen und neben des ausschuß bedenckhen auch ierer Mt. ir rath und guetbedunckhen furpringen5. Waß dann volgenndsb iere röm. kgl. Mt. zue christenlicher, entlicher verainigung der spaltigen religion verner furnemmen, handeln und befurdern mügen, daß seindt ier röm. kgl. Mt. vatterlich unnd gnedigclich zuethuen und an allem ierem eusserssten vleiß und vermögen nichts erwinden zuelassen urpiettig, genaigt unnd willig.

/8’ f./ Schlussformel.

Anmerkungen

1
  Kurmainz A, fol. 99 f. [Nr. 324].
2
 Korr. aus: 24. Decembris.
3
 Mit der Entscheidung für das Kolloquium setzte sich Kg. Ferdinand über die Empfehlung von Petrus Canisius, seines führenden theologischen Beraters während des RT, hinweg. Canisius berichtete Anfang Januar 1557 an Generalvikar Laynez, der Kg. habe mit seiner Resolution „aperta la porta al colloquio“, obwohl sich die geistlichen Stände dagegen ausgesprochen hatten, da es sich auf die katholische Religion negativ auswirken werde, wenn es die Autorität des Heiligen Stuhls nicht beachte. Er befürchtete ebenso wie die geistlichen Stände, Ferdinand werde wegen der Türkenhilfe weitere Zugeständnisse an die ‚Häretiker‘ machen. Canisius lehnte das Religionsgespräch in einem Gutachten, das er im Zusammenhang mit der Resolution des Kgs. formulierte, unabhängig von der Form der Realisierung grundsätzlich und explizit ab (undatiertes Schreiben an Laynez von Anfang Januar 1557: Braunsberger II, Nr. 229 S. 37–49, hier 40 f. Das nicht überlieferte Gutachten lag dem Schreiben bei. Vgl. Riess, Canisius, 195; Bundschuh, Religionsgespräch, 212 f. mit Anm. 134; Hofmann, Canisius, 127; Aretin, Canisius, 28). Zur Position von Canisius vgl. auch Anm.5 bei Nr. 460.
a
 gemacht] Korr. nach B und C. In der Textvorlage verschrieben: geacht.
4
 Diese Konzeption war bereits grundgelegt in der Weisung Ferdinands an seine Kommissare vom 3. 10. 1556 (Wien), nachdem diese ihm gegenüber durchgesetzt hatten, die in ihrer Instruktion vorgegebene Prorogation der Religionsverhandlungen aufzugeben (vgl. Anm.15 bei Nr. 320 und Einleitung, Kap. 3.1.1): Die Befürwortung eines regelrechten Kolloquiums in der letzten Direktive (vom 27. 9.; nicht überliefert) wird dahingehend modifiziert, die Religionsfrage ohne die Verordnung von Kolloquenten und Assessoren nunmehr sogleich beim RT einem interkurialen Ausschuss zu übertragen mit der Vorgabe, dass dessen Mitglieder /170’/ die sachen freuntlich, vertreulich unnd unverpundtlich erwegeten unnd beratschlagten, welchermassen die vergleichung der stritigen religion am fueglichisten fur hannden genomen, gehanndlet und vermittlt göttlicher gnaden cristlich getroffen und erlangt werden möchte. Der Kg. wollte vorerst /172/ auf taugliche personen, die wir zu solchem colloquio [in der Form während des RT] gebrauchen möchten, bedacht sein (HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 170–172’, hier 170 f., 172. Konz. Hd. Kirchschlager). Dem kam er nach, indem er am 13./14. 10. 1556 (Wien) eine Reihe katholischer Theologen bis spätestens 28. 11. nach Regensburg lud, da beim RT /218/ von wegen vergleichung der spalltigen religion haubtsächlich tractiert unnd gehanndlt werden müesse: Schreiben an Georg Witzel und Friedrich Staphylus (13. 10.: Ebd., fol. 218. Konz. Hd. Kirchschlager. HStA Wiesbaden, Abt. 131 Nr. IVa 53, unfol. Or. an Witzel); an Dr. Simon Scheibenhardt, Prediger und Kanoniker an St. Moritz in Augsburg (13. 10.: HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 219); an die Bff. von Naumburg und Merseburg (14. 10.: Ebd., fol. 252–252’. Konzz. Hd. Kirchschlager). Gemäß einem Bericht von W. Arzt an Bf. Rudolf von Speyer vom 16. 12. 1556 war Witzel vor wenigen Tagen und Staphylus bereits zuvor in Regensburg angekommen (GLA Karlsruhe, Abt. 78 Nr. 2222, fol. 317–323’, hier 322. Or.; präs. Udenheim, 23. 12.). Trotz dieser Vorgabe, die der Kg. in der Weisung vom 15. 10. (Wien) nochmals bekräftigte (HHStA Wien, RK RTA 37, fol. 253 f. Konz. Hd. Kirchschlager), und obwohl Ferdinand inzwischen persönlich in Regensburg angekommen war, votierten die österreichischen Verordneten in den ersten Sitzungen des Religionsausschusses [Nrr. 320322] stets nur in allgemeiner Form für ein Kolloquium, ohne diese Konzeption vorzubringen, die der Kg. in obiger Replik wieder aufgriff. Erst in der Ausschusssitzung am 10. 2. 1557 [Nr. 336] kamen sie darauf zurück. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 151 f.; Laubach, Ferdinand I., 162.
5
 Vgl. zur Zurückweisung dieser Konzeption die Beratung der CA-Stände am 27. 12. 1556 [Nr. 369]. Kf. Ottheinrich von der Pfalz lehnte in der Weisung vom 7. 1. 1557 (Heidelberg) ein Kolloquium nach den Vorgaben in obiger Resolution des Kgs. ab, da er vermutet, /246/ es werde darunder etwas subtiler unnd verschlagener weiße gesucht, die religions handlung zu gemeiner stende und koniglicher Maienstat [!] erkhentnuß zu füren, die doch unß und andern disser sachen zugethanen stenden, disfals zu richten oder urthailen, gar nicht sein zugedulden. Die Beilegung der Glaubensspaltung stehe weder einem Kolloquium noch einer Reichsversammlung zu, sondern sie sei nur in der Form akzeptabel, dass im Anschluss an die Empfehlungen des Kolloquiums bei den stenden sambtlich und aines jeden insonderheit freier wilkhur stehe, ob er ime vorgedachte vergleichung gefallen lassen wölle oder nicht. Dan wir sein für unser person bedacht, auch mit Gottes hilff entlich entschlossen, in gegenwürtigem handel, so das ewig leben und unser seligkheit betriefft, allein auf unser gewissen und nicht uf andere, was die thun oder lassen werden, zusehen – alß uns alß christen gebürt (HStA München, K. blau 106/3, fol. 245–249’, hier 245’ f. Or.; präs. 15. 1. Vgl. Kurze, Kurfürst, 23).
b
 volgennds] Korr. nach B und C. In der Textvorlage verschrieben: volgt.