Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Vorkehrungen zur Geheimhaltung der Nachricht; [2.] Mitteilung Kg. Maximilians durch Matthäus Lang über sein gutes Verhältnis zu Florenz; höfliche Erwiderung Vettoris; [3.] Vorbereitungen zum kgl. Romzug, voraussichtliche Beteiligung der Eidgenossen, Unklarheit über die Marschroute und die Größe des kgl. Heeres; [4.] Unsicherheit über die Haltung Venedigs und Papst Julius’ II. hinsichtlich des Romzuges; [5.] Ankunft Massimiliano und Francesco Sforzas in Konstanz, Gerüchte über die geplante Rückeroberung Mailands; [6.] Empfehlung zur Abordnung bevollmächtigter Gesandter, Intrigen gegen Florenz.

Konstanz, 14. Juli 1507.

Druck: Passy, Vettori II, S. 222–226 (frz. Übersetzung).

[1.] Er hat diesen Brief Ardingo anvertraut, der ihn so diskret wie möglich überbringen soll. Der andere Brief [Nr. 701] enthält nichts Wichtiges. Wenn der Bote also genötigt werden sollte, die mitgeführte Post vorzuzeigen, so kann er diesen vorlegen.

[2.] Der röm. Kg. ließ ihm durch [Matthäus] Lang, seinem wichtigsten Vertrauten, antworten, daß ihm seine Ankunft sehr angenehm sei, daß er um den guten Willen der Signorie von Florenz ihm gegenüber wisse und nicht daran zweifle, daß sie sich als gehorsame Untertanen des Reiches erzeigen. Über den Termin für seinen Italienzug könne man ihm nichts sagen, da dieser noch nicht feststehe. Er werde ihm aber in Kürze darüber Mitteilung machen können.

Er antwortete, daß man sich in Florenz wegen des Erscheinens des röm. Kg. keine Sorge mache; vielmehr sei er der Signorie willkommen. Er werde noch einige Tage am kgl. Hof bleiben für den Fall, daß sich etwas von seiten der Republik ergeben werde.

[3.] Hier werden große Vorbereitungen [für den Romzug] getroffen. Die deutschen Fürsten sind sich alle einig. Allgemein heißt es, daß der röm. Kg. in jedem Fall nach Italien ziehen wird. Viele Deutsche sagen, daß seit hundert Jahren keinem Kg. so viel Gehorsam entgegengebracht wurde wie diesem. Sämtliche Fürsten und Reichsstädte haben Leute geschickt, so daß mehr als 600 0001 kommen. Die Macht Deutschlands ist groß, und dieses Mal sind sie untereinander einig. Der RT ist noch nicht zu Ende, jeden Tag treten die Fürsten zusammen. Wer ihrer Sprache nicht mächtig ist – es gibt hier keinen Italiener, der sie gut beherrscht –, wird kaum wichtige Dinge verstehen und muß nach den Geschehnissen urteilen.

Es heißt, daß die Eidgenossen mit Sicherheit zustimmen werden und daß diejenigen drei Kantone [Luzern, Zug und Glarus], die sich wegen ihrer Nachbarschaft zur Lombardei bislang halsstarrig zeigten, in dieser Stunde einlenken. Einige glauben, daß die Reichsfürsten untereinander über die Route des Kg. für den Zug gegen den Kg. von Frankreich diskutieren, ob über Italien oder durch Burgund. Manche glauben, daß er durch Savoyen ziehen wird. Man sieht indessen keine Truppen, die sich in Marsch setzen. Er selbst hat während eines sechstägigen Rittes durch Deutschland keinen einzigen auf dem Weg nach Trient befindlichen Reiter oder Fußsoldaten gesehen. Doch erscheint ihre Einigkeit so groß, daß die Dinge glaubwürdiger sind als zu anderen Zeiten. Es heißt, daß der röm. Kg. Anfang August mit der Auszahlung der Gelder an die Eidgenossen beginnen wird.

Er hat nicht berichtet, welches Kontingent an Fußsoldaten und Reitern den röm. Kg. begleiten wird. Italiener wie Deutsche nennen so unterschiedliche Zahlen, daß er nicht weiß, was glaubwürdig ist. Aber sie können sicher sein, daß die Zahl sehr groß sein wird. Wiederholt hat der Kg. gesagt, er will mit so großer Heeresmacht kommen, daß es gleich wäre, auch wenn sich ganz Italien mit Frankreich gegen ihn verbünden würde. Man sagt, die Magistrate sammeln in den Reichsstädten, die allesamt bereitwillig ihren Beitrag leisten, bereits Geld ein.

[3.] Er konnte ihnen nicht berichten, ob Venedig und der Papst mit dem röm. Kg. einig sind oder nicht. Er hat davon keine Kenntnis, da diese Dinge vertraulich behandelt werden. Vor wenigen Tagen kam ein Neapolitaner als Gesandter Venedigs an, wie man glaubt, mit einem abgeschlossenen Vertrag. Nichtsdestotrotz hat er keine zuverlässigen Informationen. Einige glauben, daß der röm. Kg. die Einigkeit unter den Deutschen festigen und Geld für den Unterhalt seines Heeres sammeln will und aus diesem Grund die italienischen Angelegenheiten in der Schwebe hält.

[4.] Nach dem, was er hier in Erfahrung bringen konnte, stehen dem röm. Kg. viele Wege für seinen Zug nach Italien offen: der eine Weg führt durch Savoyen. Es heißt, der allerchristlichste Kg. wollte deshalb nicht in Asti bleiben, um nicht dort abgeschnitten zu werden. Außerdem gibt es zwei Routen durch die Eidgenossenschaft und vier über das venezianische Territorium.

[5.] Am Sonntag [11.7.] trafen hier die beiden Söhne Ludovico Sforzas [Massimiliano und Francesco] ein. Sie halten sich am Hof bei der röm. Kgin. auf, die ebenfalls hier ist. Es sind Gerüchte im Umlauf, daß der röm. Kg. die Lombardei zurückerobern will.

[6.] Empfiehlt, in konkrete Verhandlungen mit dem röm. Kg. einzutreten und zu diesem Zweck Gesandte abzuordnen, bevor dieser sein Heer versammelt hat und sich die Bedingungen deutlich verschlechtern. Er muß ihnen weiter mitteilen, daß Florenz hier viele Feinde hat, vor allem Venedig, dessen Gesandter [Vincenzo Querini] allem Anschein nach nicht aufhört, den röm. Kg. davon zu überzeugen, daß der frz. Kg. seine Positionen in Italien dank florentinischem Geld halten kann. Möglicherweise gab es keine solchen Äußerungen, doch wurde es ihm so berichtet.

Anmerkungen

1
 Vermutlich handelt es sich um einen Fehler der Vorlage. Der Florentiner Luca Landucci erwähnt in seinem Tagebuch die Bewilligung von 160 000 Kämpfern und 22 000 Pferden (Landucci, Tagebuch II, S. 143).