Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil

[1.] Abreise der Reichstagsteilnehmer; [2.] Vermittlungsverhandlungen zwischen Stiftsklerus und Stadt Worms; [3.] Reichstagsverhandlungen über Reichskammergericht, Landfrieden und Münzwesen; [4.] Übernahme des Kammerrichteramtes durch Gf. Adolf von Nassau; [5.] Proteste Kursachsens, Kurbrandenburgs und Sachsens bei den Verhandlungen über das Reichskammergericht; [6.] Exemtion der Klöster Maulbronn und Königsbronn durch den Hg. von Württemberg; [7.] Reichsacht gegen Venedig; [8.] Bereitstellung ständischer Reiterkontingente für den Krieg gegen Venedig; [9.] Einigung der Stadt Rothenburg mit ihren Befehdern; [10.] Supplikation der sächsischen Gesandten unter anderem wegen der irrtümlichen Doppelbesteuerung des Reichsstifts Quedlinburg.

Wiesbaden, HStA, Abt. 131, IV a, Nr. 22, fol. 46’–49 (dem ksl. RT-Protokoll [Nr. 259] inserierte Kop.).

[1.] Allergnedigister kaiser. Auf die handlung, so wir am sontage nehstvergangen [10.6.] mit den stenden des Reichs und sie mit uns geubt und wir e. ksl. Mt. von stund auf der post durch unsere zugeschickte schrift [Nr. 417, Pkt. 1] zu erkennen geben, die dann e. Mt. numals ungezweivelt empfangen haben, fugen e. ksl. Mt. wir in aller undertenigkeit zu vernemen, das am sampstage davor [9.6.] herzog Heinrich von Braunschweig, desselben sontags [10.6.] der coadiutor von Fulda [Hartmann Bgf. von Kirchberg] und montags darnach [11.6.] der erzbischofe zu Coln, herzog Friderich von Sachsen, bede bischove zu Bamberg und Wurzburg, herzog Ulrich von Wirtemberg, die alle ubernacht zu Oppenheim gelegen und furter auf Frankfurt, aber Wirtemberg wider auf Speyer geritten, und sunst viel fursten und stett botschaften den aufbruch dis Reichs tags gemacht und von hynnen geritten sein. Und des erichtags darnach [12.6.] frue zu vier aurn der [Ebf.] von Meinz zu schiff weggefaren, sigel und secret seinem bruder [Erpho von Gemmingen], dem dechant zu Wormbs, verlassen und uns nichts davon gesagt hat.

So ist desselben erichtags nach mittage phalzgraf Ludwig abgeschiden; auch doctor Erasm Dopler auf euer ksl. Mt. muntlichen und schriftlichen bevelch und erfordern, als er uns anzaigt, zu euer ksl. Mt. geritten.

So hat unser gnediger her marggraf Casimirus uns angezaigt, wie er von e. ksl. Mt. bevelch hab, sopald die stende diser versamblung entlich antwurt gegeben, das er sich alßdann erheben und furderlich zu e. ksl. Mt. fugen solt. Demnach, auch in sonderheit, dweil seiner gnaden bruder marggrave Görg, mit dem er etlich trefenlich sachen, daran ine beden viel gelegen sein, zu handeln, auch derselb marggrave Georg, der sich furderlich wider gein Hungern fugen muß, seiner gnaden zukunft mit grossen unstatten1 etliche wochen zu Anspach erwartet hab, hat er auf heut datum mitsampt phalzgrave Friderichen seinen abschid von uns genommen und ist von hynnen den nehsten auf Anspach geritten. Und hat sein gnade mitsampt uns in aller handlung dieses reichstags allen muglichen vleis angekeret und kainer muhe noch arbeit verdrieß gehabt.

[2.] Unser gnedigister herr von Trier ist noch hie und handlt in etlichen gebrechen, zwischen der pristerschaft und statt Wormbs halben.

[3.] So haben die erzbischoven zu Meinz und Coln, auch phalzgrave Ludwig, churfursten, herzog Wilhalms von Baiern, Hessen und Wirtemberg, auch die bischof zu Speyer und Freisingen und die stett Coln und Wormbs ire rete alhie gelaßen, mit den wir des camergerichts, auch fridens, der monz und anderer sachen halb laut e. ksl. Mt. instruction [Nr. 268, Pkt. 9f.] und bevelch in handlung und ungezweivelter zuversicht sein, das camergericht in ain gut, bestendig wesen bracht und loblich gehalten werden soll.2

[4.] So hat auch graf Adolf von Nassau das camerrichterampt angenommen und daruber laut der ordnung des Reichs in unser, der andern rete, beywesen marggrafe Casimiren gestern [13.6.] pflicht getan.

[5.] Aber herzog Friderichs von Sachsen und marggraf Joachims von Brandenburgs, der churfursten, und herzog Georgen von Sachsen rete haben bey handlung des camergerichts nit sein wollen, sonder deßhalb etlich beschwerung und protestation [Nrr. 357f.] furgewant und von uns und den gedachten reten darauf antwort empfangen, wie euer ksl. Mt. auß beygelegten schriften [Nr. 360] vernemen werden. Was darauf euer ksl. Mt. meynung sein will, wollen euer Mt. uns eroffnen, ine auf ir verrer ansuchen darauf wißen zu begegnen.

[6.] Die wirtenburgischen rate haben angezaigt, wie irem gnedigen herrn auf dem Reichs tag zu Costenz durch alle stende, so daselbst gewest, zugesagt, das die bede closter Maulbrun und Konigsprun, die ime und sunst niemants dieser zeit on mittel underworfen, auch zuvor und ee die an ine komen, bey andern inhabern in des Reichs anslegen nie gezogen oder begriffen weren, nit solten in den anschlag, daselbst gemacht, gesetzt werden, das aber ubersehen, sie darin gesetzt3 und von e. ksl. Mt. fiscal furgenommen weren, mit bit, solichs abzuschafen und sie auf disem tage nit weiter anzulegen, mit protestation, wo das beschehe, das ir gnediger herr darein nit gehellen noch willigen [wird]. Sunst were sein gnade willig zu bezalen, was ime aufgelegt wurde.4 Und nachdem etlich der vorgemelten rete wissen haben, das zu Costenz, wie vorsteet, davon gehandelt, auch dieselben zway closter in des Reichs anschlegen nit herkommen sein, versehen wir uns, das sein gnade dißmals solicher beschwerung erlassen werde.5

[7.] So ist auch die acht der Venediger gesprochen. Wollen euer ksl. Mt. auf iren bevelch den achtbrief [Nr. 301], so der gefertigt ist, zuschicken.

[8.] Der funfzig pherd halben [Nr. 267, Pkt. 12] hat uns der bischof zu Meinz kain antwort geben. Aber der von Coln hat uns geantwort, sopalde er in seinen stift kumm, wol er mit seiner ritterschaft und den vom adel davon handlen, ob er sie aufbringen möge und alßdann euer ksl. Mt. deßhalb und auch in sonderhait, das er in aigner person reiten soll, bey aigner botschaft antwurt geben.

Der [Ebf.] von Trier hat uns geantwort, er sey willig, die funfzig pferde zu schicken, trag aber fursorg, das er umb zehen gulden die in seinem stift oder sunst nit bestellen muge. Aber sein gnade konne in aigner perschon nit ziehen manigfaltiger beswerung halber, so ime zu seinem stift furstunden, und sonderlich, das sein stat Trier dieser zeit mit veintschaft beladen sey.

[Der Bf. von] Wurzpurg hat uns in schriften antwort geben, die euer ksl. Mt. wir auf der nehsten post [Nr. 417, Pkt. 8] zugeschickt haben.

[Der Bf. von] Bamberg ist willig, die funfundzwanzig pferd zu schicken auf euer Mt. erfordern.

[9.] Der stat Rotemburg auf der Tauber geschickten haben uns zu erkennen geben, wie sich aus merklichen dranksel [= Drangsal, Bedrängung, Zwang] und beschedigung irer widerwertigen, dweil ine die achtbrief und mandat so lang verzogen und verhalten, bewegt und getrungen seyn, in ainen nachtailigen vertrag6 zusambt der merklichen erlitten beschedigung zu begeben, deßhalb des achtbriefs, so wir euer ksl. Mt. auf der nehsten post zugeschickt haben [Nr. 417, Pkt. 7], weiter zu verfertigen an not ist.

[10.] Auch haben herzog Jorgen von Sachsen rete uns ain suplication [Nr. 359] ubergeben, der abschrift wir e. ksl. Mt. hiemit zuschicken. Und dweil sie etwas zusage, so iren herren der ebtissin halber zu Quedelnburg zu Costenz durch e. Mt. beschehen sein sol7, davon wir kain wissen, auch andere beger, darin wir kain bevelch haben, anzaigen, haben wir ine nit ander antwurt, dan solichs an e. ksl. Mt. gelangen zu laßen, geben mögen.

Das alles haben e. ksl. Mt. wir underteniger meynung nit verhalten wollen. Geben zu Wormbs am XIIII. tag Junii anno etc. nono.

E. ksl. Mt. undertenigist, gehorsamist Adolf, Gf. zu Nassau, her zu Wißbaden, Sigmund von Fraunburg, freiherr zum Hag, Ludwig Vergenhans, doctor, brobst zu Stutgarten.

Anmerkungen

1
 = Ungelegenheit, Mühe, Nachteil, Unkosten, Aufwand (Grimm, Deutsches Wörterbuch XI/3, Sp. 1415f.).
2
 Da die Anwesenheit Ebf. Jakobs von Trier während der Schlussphase des RT im vorhergehenden Pkt. 2 vermerkt ist, wird dessen Vertreter im Ausschuss nicht eigens erwähnt.
3
 Reichsanschläge zur Romzughilfe vom 21.7.1507 (Druck: Heil, RTA-MR IX/1, Nr. 271, S. 557) und zur Finanzierung des RKG (Druck: ebd., Nr. 272, S. 572).
4
 Hg. Ulrich hatte die gemäß Beschluss des Visitationstages von 1508 zu entrichtende zweite Rate des Kammerzielers in Höhe von 120 fl. (Kammergerichtliches Zahlungsmandat vom 7.12.1508; Abschrift vom 31.8.1564; GLA Karlsruhe, 67/894, fol. 553–554) in Ulm hinterlegt, für die Auszahlung an das RKG jedoch unter Berufung auf eine Bestimmung des Konstanzer RAb bezüglich eximierter Stände (Heil, RTA-MR IX/1, Nr. 268, Art. 8) zur Bedingung gemacht, dass die Quittung nicht nur auf ihn und sein Hm., sondern auch auf die ihm schirmverwandten Klöster, namentlich Maulbronn und Königsbronn, zu lauten habe (Konz. Stuttgart, zinstags nach invocavit [27.2.]1509; HStA Stuttgart, A 41, Bü. 132, unfol. Kop. [vom 31.8.1564]; GLA Karlsruhe, 67/894, fol. 554’–555).
5
 Tatsächlich quittierte der RKG-Advokat Dr. Wolfgang Rem als Bevollmächtigter der deputierten Einnehmer Dr. Simon von Reischach und Dr. Christoph Moeller (ksl. Fiskalprokurator) nach dem Empfang von 120 fl. über den vollständigen Beitrag Württembergs, Maulbronns und Königsbronns zum Kammerzieler (Kop. [Worms], aftermontag nach sanct Oswalds tag[7.8.]1509; HStA Stuttgart, A 495, Bü. 3, unfol.). Vgl. zu den weiteren Verhandlungen wegen der Exemtion der beiden Klöster auf dem Augsburger RT von 1510: Ohr/Kober, Landtagsakten, S. 117 Anm. 1; Steinhofer, Ehre III, S. 946f.
6
 Der nicht überlieferte Vertrag hatte anscheinend keinen Bestand. Stattdessen sollte Mgf. Kasimir von Brandenburg als Obmann auf einem für den 14.1.1510 anberaumten Rechtstag eine Einigung herbeiführen (Rothenburg an Heilbronn, 26.12.1509; Rauch, Urkundenbuch III, S. 237 Anm. a).
7
 Über diese angebliche Zusage liegen sonst keine Unterlagen vor. Auch in seinem unter anderem auf Quedlinburg bezüglichen Beschwerdeschreiben an Kg. Maximilian vom 21.2.1508 (Regest: Heil, RTA-MR IX/2, Nr. 840, S. 1207f.) erwähnte Hg. Georg davon nichts.