Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth
Nr. 371 Supplikation des Frankfurter Gesandten Karl von Hinsberg an Ks. Maximilian
[1.] Bedeutung und Nutzen der hebräischen Bücher; [2.] Irreguläres Vorgehen Johann Pfefferkorns gegen die Bücher der Frankfurter Juden; [3.] Bitte um deren Rückgabe..
[Frankfurt, 16. März 1510]1
Kop.: A) Frankfurt, IfStG, Juden Akten 779, fol. 36a-37a (Überschrift von anderer Hand: Die erste supplication); B) Ebd., fol. 40a-41a.
Druck: Graetz, Aktenstücke, S. 398-400 (sprachlich modernisiert und fehlerhaft).
Teildruck: Price, Campaign, S. 272 Anm. 53 (ebd., S. 121 Teilübersetzung, S. 120 Teilfaksimile); Ders., Johannes Reuchlin, S. 60.
Regest: Andernacht, Regesten, Nr. 3650.
[1.] Allerdurchleuchtigster, großmechtigster F. und H., röm. Ks., zu allen zyten merer des hl. röm. Reychs, allergnst. H., derselben euer Mt. untertanen Bm. und rat der stadt Frankfurt geschyckter und verordenter [Karl von Hinsberg], nochfolgender sachen sindicus, bryngt derselben euer ksl. Mt. fur:
Wiewoil von beden, geystlichen und ksl., rechten versehen ist, das die judischeit in iren alten gewonheiten, herlichkeiten und zyrlicheiten, festen und solemniteten in iren synagogen beschirmet sollen werden, auch keyne neuerung oder neue gewonheit laut der babstlichen rechte mit inen ingefürt oder auch inen ire gut genomen soll werden, wie [recte: sie] auch mit sunderlichen babstlichen und ksl. freyheiten versehen und gefreyet synt, wiewoil auch, die judische bucher nit alleyn von juden, sunder auch den christen vleyßiglichen zu bewaren und zu hüten, sunderlich in babstlichen rechten versehen und nit on ursach gesatzt ist, dwil das alt testament anfenglich in hebreyscher spruch geschreben ist, darus die latinische bucher oft gebeßert, gestraft und emendirt synt worden, auch etliche juden zu christlichem glauben dadurch komen, darumb auch in geistlichen rechten geschreben ist, wan die christen in der hebreyschen buchern und zungen geleret weren und sie mit irer eygene schryft uberwonden, so wurden sie eher zum christlichen glauben bekart. Darumb auch der Babst Clemens, in geistlichen rechten die hebreyschen bucher in etlichen hohen schulen und universiteten zu lesen und zu leren, verordent hait, damit verstanden wirt, was nutze soliche judische bucher der christenheit bringen mogen.2 Darumb auch die juden ire bucher in iren synagogen in großen eren behalten, darus in iren hochzyten und festen noch iren sytten und herlichkeiten Got den almechtigen loben, das sie sunst on dieselben bucher nit volnbringen mochten.
[2.] Aber solichs onangesehen hait eyner, genant Johannes Pfefferkorn, neben euer ksl. Mt. bevelch in scheyne eynes mandats3 ernenter judischeit zu Frankfurt ußer irer synagogen ire bucher nemen und hynder eynen rat zu Frankfurt furen laißen, so doch euer ksl. Mt. dieselben alleyn zu besichtigen laut des mandats bevolhen hait, auch nochfolgens eyne andere schryft an eynen rat, dieselben bucher dermaißen zu halten, erlangt.4 Damit gedochte judischeit irer bucher on besichtigung und on unterscheit wider euer ksl. bevelche beraubt und entsetzt synt worden und zum letzten eyne vermeinte commission alleyn wider die judischeit zu Frankfurt mit verschweygung der warheit und furbringung der onwarheit uf meynen gnst. H. von Menz erlangt, die judischeit mitsampt iren buchern zu seynen ftl. Gn., auch etlichen hochgelerten von weyten landen darzuzufordern.5 Damit die judischeit in iren hochzeytlichen festen in irer synagogen wider die angezeigte geistliche rechte beraubt und entsetzt wirt, auch zu merglichem großem schaden durch abwendunge und hynwegfurung on unterscheyd irer bucher komet, in maßen dan eyn erbarer rat zu Frankfurt woil ermeßen und deshalber an euer ksl. Mt. eyne vorschryft getan haben.
[3.] Ist darumb meyne demutige bitt, us obangezeigten ursachen soliche letzte commission, meynem gnst. H. von Menze uberschickt, abzuschaffen und revocieren und ob etwas daruf in mitler zyt gehandelt were, dasselbe cassieren, abtun und vernichtigen, auch eynem erbarn rat zu Frankfurt bevelhen, inen ire bucher a–volgen und der noch alter gewonheit in irer synagogen brauchen, auch on weiter anfechtung laut irer freyheit bleyben zu laißen–a. Das wil b–gemeyner rat obgemelter stadt–b umb euer ksl. Mt., die Got der almechtig lange gefrysten wolt, mit iren schuldigen diensten alle zyt zu verdienen willig seyn.
Nr. 372 Supplikation des Frankfurter Gesandten Karl von Hinsberg an Ks. Maximilian
[1.] Ksl. Weisung an Frankfurt zur Einziehung ketzerischer Bücher der Frankfurter Juden; [2.] Beschlagnahme weiterer Bücher durch den Frankfurter Rat; [3.] Bitte um ksl. Befehl zur weiteren Verwahrung und möglichst raschen Prüfung der Bücher in Frankfurt.
[Frankfurt, 12. April 1510]1
Frankfurt, IfStG, Juden Akten 779, fol. 32a-33a, Konz.
Regest: Andernacht, Regesten, Nr. 3662.
[1.] Allerdurchleuchtigster, großmechtigister F. und H., röm. Ks., allergnst. H., derselben euer ksl. Mt. undertan, Bm. und rat der stat Frankfurt geschickter [Karl von Hinsberg], nachfolgender sachen sindicus, bringt euer ksl. Mt. fur, wie euer ksl. Mt. hievor eynem erbaren rat doselbst eyn offen mandat2 mit Johannes Pefferkorn zugeschickt, darin sie [aufgefordert werden], sampt irem pfarner [= Pfarrer] und Johannes Pefferkorn der juden buchere, die in inen etlich ketzerien und unsern glauben zu verachten inhalten sollen, dieselben, welche Pefferkorn anzeigen wirdet, zu inen zu nemen. Dem sie also von allen teiln gehorsam gewest, eyn anzal bucher hinder sich genommen und mehr den eyn halb jare behalten hat. In dem unser gn. H. von Menz der geistlichkeit by uns, nit ferner desmals zu handeln, verboten, derhalb ferner handelung verlieben.
[2.] Nun hat itzt in kurzen tagen min gn. H. von Menz eynem erbaren rat zu Frankfurt eyn comission sampt eynem Dr. der hl. geschrift [Hermann Ortlieb] und Johannes Pefferkorn als euer ksl. Mt. comissarien und die uberigen bucher, so Pefferkorn anzeigen werde, hinder sich bis uf ferner bescheit zu nehmen, zugeschickt.3 Der sei abermals gehorsam gewest, die iren darzu verordent. Hat Pefferkorn ein groß menge der buchere, die untogelich sin sollen, angezeigt, die sie hinder sich genommen. Und wiewole die juden sich beswert befunden, in meinung, die buchere, so sie von iren altern haben, sollen nit dermassen, [wie] sie Pefferkorn anzeigt (dwil er die nit verstande), erfunden werden, sunder sich doneben erboten, zwey yeder sort hinder uns zu erlegen und die uberigen by inen, bis durch verstendig personen erkent wurde, die untogelich sien, zu behalten und alsdann gescheen zu lassen, was recht und billich ist, erboten, das nit angesehen, haben der rat die bucher alle hinder sich genommen.
[2.] Bitten darumb euer ksl. Mt. ich underteniglichen, wollen gnediglich eynem erbaren rat zu Frankenfurt befelhen, solch irer juden buchere hinder inen zu behalten, so lang, bis die in der stat Frankenfurt und sunst nirgent anderswo und ufs furderlichst, domit sie die guten buchere wider haben mugen, besichtiget und die untogelich bucher doselbst vertilget werden, als auch in solichem heymsuchen und besichtigung billich ist zu bescheen. Das wirt eyn erbar rat zu Frankfurt umb dieselb euer ksl. Mt., die Got der almechtig lange gefristen wolle, mit iren undertenigen, schuldigen dinsten als die gehorsamen allezyt zu verdienen willig sin.