Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth
Venedig, 14. Dezember 1509
Venedig, Archivio di Stato, Consiglio dei Dieci, Deliberazioni miste, registri Nr. 32 (1508-1509), fol. 223a-224b, Kop. (ital.).
Kurzregest: Albéri, Relazioni, Nr. 20.
Giovanni Corner soll sich sofort auf den Weg nach Feltre machen, wo er auf Alvise Mocenigo treffen wird. Dieser erwartet dort die ksl. Gesandten, die das vom Dogen ausgestellte freie Geleit mitbringen müßten. Nach deren Ankunft sollen Corner und Mocenigo auf eine Audienz beim Ks. dringen. Wenn ihnen dies gelingt, sollen sie mit dem freien Geleit, das ihnen der Ks. schicken wird, zu diesem aufbrechen. Falls sie keine Audienz erhalten, sollen sie den ksl. Gesandten sagen, daß Venedig Ks. Maximilian und seinen Vorfahren immer ergeben war und wünscht, mit ihm verbündet zu sein. Zweifellos wird der Ks. sich erinnern, wie oft der Kg. von Frankreich die Treue gebrochen hat, durch seine glänzenden Siege übermütig geworden ist und nur danach trachtet, sich nach der Besetzung ganz Italiens zum Ks. der Christenheit zu machen und (den EB von) Rouen (George d’Amboise) zum Papst zu ernennen. Eingedenk dessen müßte der Ks. bereit sein, sich mit Venedig zu verbünden, das seinerseits mit einem Abkommen sehr einverstanden wäre. Der Kg. von Frankreich soll aus dem Hgt. Mailand vertrieben und ein Sohn Ludovico (Sforzas) oder jemand anderer, der Ks. Maximilian geeignet erscheint, eingesetzt werden. Von Seiten Venedigs soll es dabei weder an Geld noch an Truppen fehlen. Venedig will auch jene Gebiete, die es innehat bzw. verloren hat, Ks. Maximilian zuerkennen.
Um sich beim Ks. Gehör zu verschaffen, ist es wichtig, sich mit den Leuten, die Einfluß bei ihm haben, gut zu stellen. Dies sind vor allem Zyprian von Serntein, Paul von Liechtenstein und Matthäus Lang. Letzterer neigt noch zu Frankreich. Der Doge vertraut darauf, daß die Gesandten alle Mittel einsetzen werden, die ihnen angemessen erscheinen, und gewährt ihnen völlige Handlungsfreiheit. Sie dürfen die Summe von 12 000 rh. fl. denen anbieten, die sich um einen Frieden bemühen. Darüber hinaus dürfen sie dort, wo es ihnen gut erscheint, 4 000 Dukaten oder venezianische Benefizien mit entsprechendem Ertrag versprechen. Das Hauptanliegen Venedigs ist die Vertreibung der Franzosen aus Italien. Dabei soll es Ks. Maximilian nicht an Geld und Knechten, also letztlich am ganzen venezianischen Heer fehlen. Bevor über Einzelheiten gesprochen wird, soll der Ks. seine Meinung äußern, damit Venedig antworten kann. Falls der Ks. nur die Absichten Venedigs erfahren, aber nichts unternehmen will, wird Venedig ihn nicht weiter behelligen. Es hat schon mehrere Angebote gemacht: das erste durch Luca de Renaldis über 200 000 fl., das zweite durch Dr. Antonio Giustinian, den Venedig zum Ks. geschickt hat, der aber nie vorgelassen worden ist. Daher hat der Ks. nichts vom Angebot über 50 000 fl. jährlich für 10 Jahre hören können, falls er mit den 200 000 fl. nicht zufrieden gewesen wäre. Die Gesandten sollen deshalb zunächst nochmals 200 000 fl. anbieten; wenn das nicht genügt, 50 000 fl. jährlich für 10 Jahre. Sofort nach einem Friedensschluß sollen dem Ks. 100 000 fl., also das Geld für zwei Jahre, ausgehändigt werden. Darüber hinaus soll er jederzeit über das venezianische Heer verfügen können, als ob es seine eigenen Knechte wären. Das sind die Punkte, die Ks. Maximilian nach Meinung Venedigs nicht zurückweisen kann, sondern begeistert annehmen wird. Die Gesandten sollen ihn mit allen ihren Kräften zur Abkehr von den Franzosen bewegen. Dabei sollen sie ihm auch alle früheren Untaten des Kg. von Frankreich in Erinnerung rufen und vor allem darauf hinweisen, daß der Kg. die Ursache für den Tod von Ks. Maximilians Sohn (Philipp) gewesen ist. Der frz. Kg. muß aus Italien vertrieben werden. Falls alle Angebote den Ks. nicht zufrieden stellen und er einen anderen Vorschlag macht, sollen die Gesandten Venedig unverzüglich benachrichtigen, damit es sofort antworten kann, doch zweifelt der Doge nicht daran, daß es zu einer Verbindung mit dem Ks. kommen wird.
Außerdem sollen die Gesandten, jedoch mit Vorsicht, versuchen, die weiteren Pläne des Ks. und vor allem den Grund für den geplanten Reichstag herauszufinden.
Am ksl. Hof werden die Gesandten sicherlich Kardinal Adriano (Castellesi) treffen, der sich in allen seinen Handlungen als sehr nützlich für Venedig erwiesen hat. Sie sollen ihn mit dem beigefügten (nicht vorliegenden) Kredenzbrief aufsuchen und alles daransetzen, seine Gunst im Hinblick auf die Verhandlungen mit Ks. Maximilian zu gewinnen.