Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Verärgerung des Ks. und des Kg. von Frankreich über die Aufhebung des Interdikts gegen die Venezianer, Rechtfertigung dieses Schritts durch den Papst, Verlangen des frz. Kg. nach Wiedergutmachung; [2.] Forderung des Ks. an die Stände nach einer Reichshilfe von 50 000 Mann; [3.] Verärgerung des Ks. über die ablehnende Haltung der Stände, Jagdausflug des Ks. und Rückkehr nach Augsburg.1

München, 24. April 1510

München, HStA, KÄA 3137, fol. 168-169, Orig. Pap. m. S.

[1.] Gruß. Gn. H., euer ftl. Gn. pefelch, die noien mair pedreffent, mir durch Hans Kung, euer Gn. poten, angebracht [liegt nicht vor], hab ich mit undertainikait entpfangen. Ich kan aber in worhait nichts sunderlichs, das peschlossen wair, euer Gn. schreiben, dan das an zbaifel euer Gn. vor wissent, das die Venediger durch die Paibstlich Hlkt. von dem pann absolviert sint.2 Welicher absolucion halben sich die ksl. Mt. und die kgl. kron von Frankreich, dieweil es ausserhalb ierer peder wissen geschechen, pesch[w]airen, und deshalb die Paibstlich Hlkt. aus dem vertrag3 gangen und dem nit genueg tan solde haben. Darentgegen sein Hlkt. die antburt gegeben, der vertrag hab nit lenger kraft, pis sein Hlkt. das, so zue der hl. röm. kirchen, ksl. Mt. das, so zue dem hl. röm. Reich, und der Kg. von Frankreich das, so zue dem haus von Mailant zuegehörig sey, eroberen. Dem dan genueg sey geschechen. Und obgleuch ksl. Mt. nit all flecken, dem röm. Reich zuegehörig, erobert hiet, wair das die ursach, das sein ksl. Mt., nit dem Reich underbirflich zue sein, sunder dem haus von Osterreich, pegert hette. Es hab auch sein Hlkt. sampt dem Kg. von Frankreich ier erobert stedt und flecken pehalten. Vermig sein Hlkt. nicht, das ksl. Mt. nit dermassen auch pehalten hab. Es vermig auch der vertrag nicht, das sein Hlkt., wider die zue eroberen, zue helfen schuldig sein. Darzue so haben ksl. Mt. sampt dem Kg. von Frankreich mitler zeyt des pans ieren kaufleuten nichtdesterminder glait ierem handel nach zue den Venedigern vergunt. Dardurch dem vertrag durch si nit genueg sey geschechen. An welicher antburt sich der Kg. von Frankreich nit genuegen hat lassen und ksl. Mt., die Paibstlich Hlkt. umb ier zerprechen zue strafen, geschriben, welle auch ksl. Mt., all stedt, dem röm. Reich zuegehorig, zue eroberen, hilflich sein und den vertrag geleben. Und hat der Kg. von Frankreich Paibstlicher Hlkt. widerumb umb sein interesse und schaiden geschriben und pegert, sein Hlkt. welle ime, dem Kg. von Frankreich, zue abtrag acht Franzosen umbsunst zue kairtinail machen und Bonini [= Bologna] ime, dem Kg., und seinen dienern, den Bentivolen [= Bentivoglio], ubergeben, darneben auch zbaimal 100 000 fl. rh. für den unkost. Auf weligs pegeren der Hl. Vater Pabst 7000 Schweizer pey Pellizan [= Bellinzona] angenommen hat, denselbigen weg hinain gen Rom zue nemen. Hat den Schweizern aber der Kg. von Frankreich von Mailant aus den paß mit gebalt verspert.

[2.] Solichs als mit merern artikel hat ksl. Mt. gemainen stainten des hl. Reichs fürgehalten und dorinnen ieres ratz und hilf pegert, naimlichen 40 000 monnen zue fues und 10 000 zue roß, als oft sein not wair. Dorinnen solden ksl. Mt. erblant, so dem Reich underborfen, auch angelegt werden. Domit aber die staint des hl. Reichs nit peschbairt werden, so mag ain yetlicher seine unterton seiner lainder auch anlegen, domit soliche hilf nit allain uber die Ff. und Hh. ge.

[3.] Auf welichs ksl. Mt. pegern haben si, gemain staint des Reichs, mit vil angezaigten ursachen und hübschen worten, solicher hilf zue tain, peschbairt und 3000 zue fues und 1000 zue roß zuegesagt. Alspalt aber ksl. Mt. soliche antburt entpfangen, ist sein Mt. ainswegs in unbillen mitsampt euer Gn. vetter, Hg. Wilhelm, anbeggezogen und zue Pruck, Nainhofen [= Ainhofen], Tachau und Fürstenfelt gepaist [= auf die Falkenbeizjagd gegangen], und sein Mt. an sein Gn. stadt etlich zue Augspurg lassen und auf seinem alten pegern gestanden. Vermaint sein Mt., so die wenig hilf die widertail gebar würden, das das röm. Reich nit mer vermecht, wair ain spot und würden dardurch gesterkt. Und ist als gester vergangen [23.4.10] sein Mt. wider gen Augspurg kummen. Was aber mitler zeyt alda peschlossen ist, wais mon hie noch nit. Hab ich aus aller undertainikait euer ftl. Gn. nit wellen verhalten, der ich mich hiemit mit aller undertainikayt pefilch. Datum Munichen an mitbochen post jubilate Ao. etc. 10.

Anmerkungen

1
 Bei diesem Schreiben handelt es sich zwar nicht um einen Bericht vom Reichstag, Dr. Petzschners Äußerungen lassen jedoch den Schluß zu, daß ihm unmittelbare Informationen über die Vorgänge in Augsburg vorlagen.
2
 Die Aufhebung des Kirchenbanns erfolgte am 24. Februar 1510.
3
 Die Liga von Cambrai vom 10. Dezember 1508.