Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Reihenfolge der Beratungspunkte: KR und Minderheit des FR für Vorziehung des 1. HA (Religionsvergleich). Mehrheit des FR für Vorziehung des 2. HA (Türkenhilfe) und parallele Beratung zum Religionsvergleich im Ausschuss.

/79/ (Vormittag) Kurfürstenrat. Mainzer Kanzler proponiert: Fortsetzung der Beratung zur Geschäftsordnung, wie die sachen disses Reichs tags furzunemen, de modo et forma.

/79 f./ 1. Umfrage. Trier und Köln votieren zur Abfolge der HAA nur indifferent, die Folgenden wollen sich ohne deren Votum nicht äußern.

/80/ 2. Umfrage. Trier: [...] Aber cathegorice zu reden, erachtet Trier, dweil der religions articul in ein ausschuß gehorig und die turckenhilff in ordinari reden [!] zu tractieren, das demnach die consultation mit der turckenhilff anzufahen und dabeneben die religion nit einzustellen, sonder damit zugleich zu tractieren.

Köln: Irem hern were nit liebers, dan es mochte religion verglichen werden. Aber dieselbig hette iren weg des ausschuß. Dabeneben weren aber kgl. Mt., auch die osterreischen, in iren anliggen gehört1, also das der punct der turckenhilff gantz hoch /81/ wichtig. Derhalb stimmeten sie mit Trier in effectu.

Pfalz: Dem alten prauch nach hette Pfaltz sich versehen, zu anfangs furfallen wurde, welcher punct der erst tractiert werden solle. Derwegen sich dan ire kfl. Gn. herkomen disses Reichs tags sich erinnert, das die religion zu Augspurg tractiert werden sollen und alhero verschoben2; item in der proposition were der erst; item zu bedencken, was an diessem puncten gelegen. Derwegen und in betrachtung, das die hern die christlich religion billig zubefurdern, so erachtet Pfaltz, das diser der erst sein soll3.

Sachsen: Ir [Herr] hette sich erinnert, das ye und allewegen auf andern tagen der punct der religion der erst gewesen. Wie dan der punct auch also hieher verschoben. Und dan die menschen nit hohers von noten, dan der religion vergleichung, so stimmen sie mit Pfaltz4, quod religionis punctus sit primo tractandus.

/82/ Brandenburg: Ir her hette sich des passauischen vertrags erinnert, und das die religion zuforderst zu Augspurg tractiert werden sollen und alhero verschoben, und dan auch in der proposition der erst: So were die zuforderst auch zu tractieren.

Mainz: Irem hern were nit hoch daran gelegen, welcher der erst articul in der tractation sein solle, dweil on das alle articul wollen beratschlagt sein. Dan sovil religion anlangt, were Meintz, was thunlich, sich zu verhalten urpietig. Da dan derselbig articul der religion der erst sein solt, so wolle Meintz, was sich gepurt, vermoge anderer tags handlung auch das irig darzu thun.

/82 f./ 3. Umfrage. Trier und Köln schließen sich der Mehrheit an. Damit Einvernehmen, die Religionsfrage vorrangig zu beraten.

/84/ Kurfürstenrat und fürstenrat. Mainzer Kanzler referiert: KR hat festgestellt, das religion sollen zu Augspurg tractiert werden, aber auß vorfallenden verhinderung alhero verschoben5, und also in der proposition der erst, zu dem das er der hochwichtigist artickel in der christenheit. Und erachten demnach kfl. rethe uf habende befelche, das disser artickel zuforderst in beratschlagung gezogen werde, davon zutractieren, und das domit der anfang zu machen.

FR [nach getrennter Unterredung]: /84 f./ In der Verhandlung dazu hat /85/ durch das meher sich erfunden, das turcken hilff zuforderst und religion sachen domit zugleich solten furgenomen werden. Ursachen, die religion sachen dermassen geschaffen, das sie einer langer zeit zu beratschlagen bedurfftig. Dweil aber der artickel [der] turckenhilff dermassen geschaffen, das ime bald abzuhelffen, derwegen sol der artickel vorzuziegen und gleichwol religion daneben vermoge passauischen vertrags zu tractieren [sein]. Zu deme der kgl. Mt. hoch daran gelegen, das sie zeitlich wissen, wes sie sich getrosten mogen der hilff halben und daruf sich gefast machen. So were der religion halben auch zu bedencken, wie gern auch fursten sehen, das sie verglichen werden mochte, das doch die personen nit da, die so wol von den hauptpuncten als de modo der vergleichung6 zu reden. So were turcken einfal in die christenheit der religion auch gantz verhinderlich. Uber diß alles weren Ferdinando ertzhertzogen /86/ vil ansehenlicher kriegß leut zugeben7, die villeucht sich verendern wurden, da sie nit ein hilff vernemen. Das für das meher. Die andern, so der augspurgischen confession verwandt, erwugen, das an der religion am meisten und vieler tausent selen hail gelegen, zudem das er von dem augspurgischen Reichs tag alhero verschoben und dan in der proposition der erste: Das demnach derselbig auch pillig in der consultation solte fürgezogen werden.

Vertagung bis morgen.

Anmerkungen

1
 Bezugnahme auf die Forderung der Türkenhilfe in der Proposition des Kgs. [Nr. 1] und in der Werbung der niederösterreichischen Gesandten [Nr. 483].
2
 Vgl. RAb 1555, § 141: Auf dem künftigen RT ist noch vor der RMO und anderen Obliegen fürnemblich der Religionsvergleich zu beraten ( Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 390 S. 3149).
3
 Nuntius Zaccaria Delfino hatte bereits im Zusammenhang mit der Eröffnung des RT die ihm gegenüber geäußerte Befürchtung Kg. Ferdinands kolportiert, die CA-Stände könnten mit dem Beharren auf der Voranstellung der Religionsfrage die Türkenhilfe behindern. Der Nuntius befürchtete deshalb vom RT negative Konsequenzen für den Bestand des Katholizismus im Reich, wenngleich der Kg. seinen Einsatz für dessen Erhaltung versprach (Bericht an Giovanni Carafa; Wien, 20. 7. 1556: Goetz, NB I/17, Nr. 135 S. 278–280).
4
 Vgl. Bericht der kursächsischen Deputierten an Kf. August vom 27. 9. 1556: Anschluss, da mit den Kurpfälzer Gesandten zuvor vereinbart worden ist, den Modus der Freistellungsforderung (vgl. Nrr. 354, 355) nochmals intern von den CA-Ständen beraten zu lassen, bevor sie im KR vorgebracht wird. Demnach hat man obiges Pfälzer Votum so verstanden, dass damit nichts begeben (HStA Dresden, Loc. 10192/4, fol. 304–317’, hier 305. Or.; präs. o. O., 1. 10.).
5
  RAb 1555, §§ 139–141 ( Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 390 S. 3148 f.).
6
 Gemeint: Vornahme der Hauptverhandlungen zum eigentlichen Religionsvergleich und vorausgehende Festlegung des Forums, das die Vergleichung bewerkstelligen soll.
7
 Bezugnahme auf den Türkenfeldzug des Ehg. im Herbst 1556. Vgl. Anm.3 bei Nr. 8.